Ebenso eindrucksvoll wie die riesigen Steinkreise und -reihen sind die monumentalen Grabbauten der Megalith-Kultur. Die charakteristischen Großsteingräber gehören ebenfalls zu den frühesten Zeugnissen dieser rätselhaften Steinzeitkultur.
Vom Einfach-Grab zum Steinzeit-Mausoleum
Die einfachste und älteste Form megalithischer Grabanlagen sind Hügelgräber mit einer zentralen, von großen Steinplatten umgebenen Kammer. Solche Kistengräber entstanden schon vor rund 6.500 Jahren im Nordwesten Frankreichs, aber auch in Katalonien, auf Sardinien und Korsika. „Typisch für diese frühen Megalith-Gräber sind relativ kleine Steinkammern mit einer oder zwei Toten“, erklärt die Archäologin Bettina Schulz Paulsson von der Universität Göteborg. Typischerweise blieben diese Kammern nach der Bestattung dauerhaft verschlossen.
Doch das änderte sich vor gut 6.000 Jahren: Um diese Zeit begannen die Menschen der Jungsteinzeit erstmals, „wiederverwendbare“ Grabanlagen zu errichten – eine Art Steinzeit-Mausoleum. „Diese Gräber konnten für weitere Bestattungen später wieder geöffnet werden – dies markiert den Beginn einer ganz neuen Bestattungspraxis in Europa“, sagt Schulz Paulsson. Diese Megalith-Grabanlagen wurden über Jahrhunderte hinweg immer wieder verwendet, teilweise auch umgebaut und ergänzt. Häufig finden sich in ihnen die Relikte von Toten
Die Dolmen
Zu diesen „Langzeit“-Gräbern gehörten auch die Dolmen – riesige, tischähnliche Konstrukte aus mehreren Großsteinen. Typischerweise bestehen sie aus drei oder mehreren Menhir-ähnlichen Tragsteinen, den sogenannten Orthostaten, auf denen waagerecht ein oder mehrere größere Decksteine platziert wurden. Das Ganze wurde dann von einem großen Hügel aus Erde oder Geröll überdeckt, der das Grab und die in ihm bestatteten Toten schützen sollte, aber für spätere Nachbestattungen wieder aufgegraben werden konnte.
Als einer der ältesten Dolmen gilt der Tumulus von Péré, ein Megalith-Grab in der westfranzösischen Region Nouvelle-Aquitaine. Seine Anfänge reichen in die Zeit um 4.400 vor Christus zurück, wenig später wurde das ursprüngliche Hügelgrab mit Steinkiste jedoch durch einen Dolmen und einen rund 100 Meter langen Verbindungsgang ergänzt. In dieser ebenfalls von einem Geröllhügel überdeckten Anlage erfolgten im Laufe der folgenden Jahrhunderte mehrere Nachbestattungen. Auch das bretonische Großsteingrab Table des Marchand nahe Carnac wurde von einem einfachen Dolmen zu einem Ganggrab mit Gang, Kammern und Steinhügel ausgebaut.
Die „Hünengräber“ der nordischen Megalithkultur
Auch bei uns in Mitteleuropa und in Skandinavien waren die Dolmen über Jahrhunderte hinweg die prägende Grabform der Megalith-Ära. Diese „Hünengräber“ entstanden rund 500 Jahre später als in der Bretagne und wurden von den Menschen der Trichterbecherkultur errichtet, die als die erste jungsteinzeitliche Bauernkultur dieser Region gilt. Allein in Deutschland sind rund 900 solcher Megalith-Gräber bekannt, sie konzentrieren sich vor allem im Norden des Landes.
Eine Sonderform dieser nordischen Megalith-Kultur, die Großdolmen, haben Archäologen im Osten Mecklenburg-Vorpommerns, in Polen und auch auf Rügen entdeckt. Diese Gräber bestehen aus bis zu sieben hintereinander liegenden Decksteinen, die einen längeren Gang überdeckten. Oft gab es in dieser Grabanlage noch einen gesonderten Vorraum, wie beispielsweise beim Großdolmen von Dwasieden auf Rügen. Eine weitere Variante, das nordische Ganggrab, besaß einen quer zum Hauptgang liegenden Eingang mit Vorkammer.
Die Ganggräber von Newgrange und Co
Die größte und bekanntesten Grabanlagen der Megalith-Kultur sind jedoch die „Passage Tombs“ – riesige, meist mehrkammerige Ganggräber, die vor rund 5.500 Jahren in ganz Westeuropa errichtet wurden. Zu diesen Anlagen gehören Maes Howe auf Orkney oder auch das berühmte Grab von Newgrange in Irland. „Diese Gräber markieren einen weiteren radikalen Wandel in den Bestattungsriten“, erklärt Schulz Paulsson. Denn sie sind deutlich komplexer, größer und zeugen von fortgeschrittenen Konstruktionsmethoden ihrer Erbauer.
Im Grab von Newgrange beispielsweise bilden steinerne Mauern einen rund 22 Meter langen Gang, der in einer kreuzförmigen Grabkammer endete. Diese war – anders als bei den Dolmengräbern – nicht von Monolithen als Decksteinen überdacht, sondern von einer sieben Meter hohen Kuppel aus aufeinandergeschichteten Steinblöcken. Die gesamte Grabanlage war zudem von einem steinernen Grabhügel überdeckt und dieser von einer drei Meter hohen Steinmauer eingerahmt.
Sonnenwende und Datumsstern
Ähnlich wie bei den Steinkreisen und Menhir-Reihen planten die Menschen der Megalith-Kultur ihre Gräber oft nach astronomischen Bezügen. Das Grab von Newgrange beispielsweise ist so ausgerichtet, dass die Sonne damals nur in den Tagen um die Wintersonnwende herum durch den 22 Meter lange Gang bis in die Grabkammer schien. Nur in dieser Zeit leuchtete dann dort ein heller Sonnenfleck. Möglicherweise sahen die Menschen dies als Symbol einer Wiederauferstehung – der Sonne und der längeren Tage ebenso wie ihrer Toten.
Einige Megalith-Gräber im portugiesischen Mondega-Tal könnten sogar eine noch spezifischere astronomische Ausrichtung besessen haben: Die schmalen Eingänge dieser Gräber zeigten genau auf die Stelle des Horizonts, an der sich im Frühjahr der helle, rötliche Stern Aldebaran im Sternbild Stier zeigte. Sein Auftauchen über einer nahen Bergkette könnte für die jungsteinzeitlichen Bauern ein wichtiger Kalendermarker gewesen sein. Noch heute heißt die Gebirgskette, über der der Aldebaran einst aufging, Serra da Estrela – Gebirge des Sterns.