Sonnensystem

Saturnmond Mimas hat einen Ozean

Unter der Kruste des Eismonds verbirgt sich ein noch junger subglazialer Ozean

Mimas
Unter der Eiskruste des Saturnmonds Mimas könnte sich ein junger subglazialer Ozean verbergen. © Frédéric Durillon, Animea Studio/ Observatoire de Paris – PSL, IMCCE

Überraschende Entdeckung: Der Saturnmond Mimas könnte einen jungen Ozean aus flüssigem Wasser unter seiner Eiskruste verbergen – bisher galt er als starr und durchgefroren. Doch das Taumeln des Mondes und subtile Verlagerungen seines Orbits deuten auf flüssiges Wasser in seinem Inneren hin, wie Astronomen in „Nature“ berichten. Ihren Analysen zufolge muss der subglaziale Ozean des Mimas noch sehr jung sein, er entstand wahrscheinlich erst vor 25 bis zwei Millionen Jahren. Das wirft ein neues Licht auch auf andere Eismonde im Sonnensystem.

Ob der Saturnmond Enceladus oder die Jupitermonde Europa und Ganymed: Inzwischen haben Astronomen bei mehreren Eismonden des Sonnensystems Indizien für einen subglazialen Ozean entdeckt. Auch bei weiteren Monden und sogar beim Zwergplaneten Pluto wird eine flüssige Wasserschicht vermutet. Die nötige Wärme dafür erhalten die Monde aus den Gezeitenkräften, mit denen die Schwerkraft des nahen Planeten ihr Inneres durchwalkt. Aber auch der radioaktive Zerfall in Gesteinskern kann Himmelskörper von innen her aufheizen.

SAturnmonde
Obwohl Mimas näher an Saturn liegt als Enceladus und Dione, galt er bislang als komplett fest und durchgefroren. © NASA/JPL

Was verbirgt sich im Inneren von Mimas?

Wie aber sieht es beim Saturnmond Mimas aus? Immerhin ist auch dieser innerste der größeren Saturnmonde starken Gezeitenkräften ausgesetzt. Dennoch galt ein subglazialer Ozean bei ihm als eher unwahrscheinlich. Denn mit „nur“ 400 Kilometer Durchmesser ist Mimas eher klein und seine Eiskruste zeigt keinerlei Risse oder andere Hinweise auf dynamische Veränderungen. „Mimas wäre daher so ziemlich der unwahrscheinlichste Ort, um nach einem globalen Ozean zu suchen“, erklären Valery Lainey vom Observatorium der Sorbonne Universität in Paris und seine Kollegen.

Auch das auffallendste Kennzeichen des Mimas scheint eher dagegen zu sprechen: der Herschel-Krater. Er macht fast ein Drittel der Mondoberfläche aus und verleiht Mimas Ähnlichkeit zum „Todesstern“ aus der Star-Wars-Saga. Hätte der Saturnmond einen flüssigen Ozean unter seiner Eiskruste, dürfte der Herschel-Krater nicht diese klassische Form aufweisen – so jedenfalls die gängige Annahme.

Platter Kern oder doch subglazialer Ozean?

Doch eine Beobachtung passt nicht ins Bild: Die NASA-Raumsonde Cassini detektierte bei ihren Vorbeiflügen eine ungewöhnlich ausgeprägte Libration des Mimas. Dabei handelt es sich um das leichte Taumeln von Trabanten, die ihre Zentralkörper in gebundener Rotation umkreisen – auch der Erdmond zeigt eine solche Libration. Bei Mimas ist dieses Taumeln jedoch stärker als es für einen Eismond mit kleinem Gesteinskern sein dürfte.

„Man schloss daraus, dass Mimas entweder einen sehr langgestreckten Kern besitzen muss oder aber einen globalen subglazialen Ozean“, erklären Lainey und seine Kollegen. Bereits 2017 hatten einige Planetenforscher daher zumindest nicht ausgeschlossen, dass es auch bei Mimas flüssiges Wasser unter der Kruste geben könnte. Ihr Szenario blieb aber strittig.

Mimas‘ Orbit verschiebt sich rückwärts

Um diese Frage zu klären, haben Lainey und sein Team nun einen weiteren von Mimas‘ Innenleben geprägten Faktor untersucht: die Präzession seiner Umlaufbahn. Dies beschreibt die allmähliche Verlagerung der fernsten Punkte der Mondumlaufbahn, der Periapsen, unter dem Einfluss der planetaren Gezeitenkräfte. Die Astronomen werteten dafür astrometrische Daten aus der gesamten Missionszeit der Raumsonde Cassini aus und ermittelten daraus den Grad und die Richtung der Präzession von Mimas‘ Orbit.

Das überraschende Ergebnis: „Über die Dauer der Cassini-Mission hinweg messen wir eine Verlagerung des Orbits um minus 9,4 Kilometer“, berichten die Astronomen. Demnach verschiebt sich die Umlaufellipse des Mimas rückwärts – entgegen seiner Umlaufrichtung. Das Spannende daran: Eine solche negative Präzession tritt normalerweise dann auf, wenn das Schwerefeld eines Mondes eher länglich ist. Und dies lässt sich entweder durch einen sehr platten Kern erklären – oder aber einen flüssigen, hin- und herschwappenden Ozean.

Doch welches trifft bei Mimas zu? Das prüften Lainey und sein Team in ergänzenden Modellsimulationen. Dabei zeigte sich: Ein fester, flacher Kern müsste so stark seitlich ausgezogen sein, dass seine Ränder die Oberfläche von Mimas durchstoßen müssten. „Das ist mit den Beobachtungen unvereinbar“, konstatieren die Astronomen. „Die Hypothese eines festen Mimas führt uns in eine Sackgasse.“

Ein junger, flüssiger Ozean unter Mimas‘ Kruste

Ganz anders sah es jedoch aus, als das Team einen flüssigen Ozean in das Modell einfügte. Wenn er in rund 25 bis 30 Kilometer Tiefe läge, könnte er sowohl die Librationen als auch die Präzession von Mimas erklären. Interessant jedoch: Anders als bei Enceladus oder dem Jupitermond Europa muss die flüssige Schicht im Inneren von Mimas eine relativ neue Errungenschaft sein. Dafür spricht die noch immer exzentrische Umlaufbahn des Saturnmonds, wie die Astronomen erklären.

Der Grund: Im Laufe der Zeit wird die Umlaufbahn eines Himmelskörpers mit flüssigem Innenleben immer kreisförmiger und zentrierter. Mimas jedoch umkreist den Saturn noch immer ziemlich exzentrisch. Sein Ozean hatte demnach nicht ausreichend Zeit für diesen regulierenden Effekt. „Der Ozean muss daher weniger als 25 Millionen Jahre alt sein und sich noch immer in der Entwicklung befinden“, schreiben Lainey und seine Kollegen. Ihren Simulationen zufolge könnte der subglaziale Ozean des Saturnmonds sogar bis zu zwei Millionen Jahre jung sein.

Dieses geringe Alter könnte auch erklären, warum es auf der Oberfläche von Mimas noch keine sichtbaren Zeichen dieses Ozeans gibt – und warum der Herschel-Krater nicht anders aussieht: Er entstand lange vor der Bildung des subglazialen Ozeans.

Was verursachte das Schmelzen?

Doch warum schmolz das Eis im Inneren des Saturnmonds erst vor so kurzer Zeit? Den Astronomen zufolge kommen dafür mehrere potenzielle Ursachen in Frage. So könnten damals Schwerkraftturbulenzen die Bahnen von Mimas und den anderen größeren Saturnmonden so verändert haben, dass sie in stärkere Resonanz miteinander gerieten und Mimas‘ Orbit vorübergehend exzentrischer wurde. Dies verursachte dann stärkere Gezeitenkräfte und heizte das Innere des Mondes auf.

Eine weitere Erklärung könnte aber auch der Zerfall eines weiteren, früher existierenden Saturnmondes liefern: „In jüngster Zeit wurde vermutet, dass der Verlust eines Saturnmonds die Obliquität des Saturn und seine noch jungen Ringe erklären könnte“, berichten Lainey und seine Kollegen. Diese Mondzerstörung könnte Schwerkraftturbulenzen ausgelöst haben, die auch die Exzentrizität von Mimas‘ Orbit vorübergehend erhöhten.

Noch mehr Eismonde mit Ozeanen?

Die mögliche Existenz eines Ozeans auf Mimas wirft ein ganz neues Licht darauf, wo und wie subglaziale Ozeane auf Eiswelten überhaupt existieren können. „Die Vorstellung, dass selbst relativ kleine, eisige Monde junge Ozeane beherbergen können, ist inspirierend“, schreiben Matija Cuk vom SETI-Institute und Alyssa Rhoden vom Southwest Research Institute in Colorado in einem begleitenden Kommentar in „Nature“. „Die Ergänzung von Mimas zum Katalog der Ozeanwelten verändert auch unser allgemeines Bild dessen, wie solche Monde aussehen können.“

Auch andere Eismonde im Sonnensystem könnten demnach verborgene Ozeane besitzen. „Das Sonnensystem hat noch immer Überraschungen auf Lager und Forschende sollten für neue Ideen und unerwartete Möglichkeiten offen sein“, so Cuk und Rhoden. (Nature, 2024; doi: 10.1038/s41586-023-06975-9)

Quelle: Nature

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