Astronomie

Verbirgt sich in der Sonne ein Schwarzes Loch?

Astronomen überprüfen, ob die Sonne ein "Hawking-Stern" sein könnte

Sonne
Im Inneren der Sonne könnte sich ein Schwarzes Loch von der Größe des Merkur verbergen, ohne dass es von außen sichtbar wäre. © NASA/Goddard/SDO

Stellarer Parasit: Im Zentrum der Sonne könnte sich theoretisch ein Schwarzes Loch verbergen, ohne dass wir es bemerken, wie Astronomen berechnet haben. Sie bestätigen damit eine Theorie des Physikers Stephen Hawking, nach der es im All Unmengen winziger Schwarzer Löcher geben könnte – einige davon auch im Inneren von Sternen. Auch unsere Sonne könnte theoretisch ein solcher „Hawking-Stern“ sein – und dadurch sogar länger leben als normal, wie das Team im „Astrophysical Journal“ berichtet.

Auf der Suche nach einer Erklärung für Dunkle Materie und andere kosmische Phänomene postulierte der britische Physiker Stephen Hawking in den 1970er Jahren eine exotisch klingende Theorie. Nach dieser entstanden durch die Dichtefluktuationen direkt nach dem Urknall primordiale Schwarze Löcher – winzige Singularitäten, die zahlreich und unsichtbar das junge Universum bevölkerten. Ihr Schwerkrafteinfluss – so die Annahme – könnten das Wirken der Dunklen Materie erklären.

Hawking-Stern
Wäre die Sonne ein Hawking-Stern, würde sich ein kleines, primordiales Schwarzes Loch in ihrem Zentrum verbergen. © MPI für Astrophysik

Das Problem jedoch: Wenn es diese Miniaturausführungen Schwarzer Löcher gibt – wo stecken sie dann alle? Wenn sie hinter der Dunklen Materie stecken, müsste es allein im Umkreis von einer astronomischen Einheit rund eine Quintillion solcher unsichtbaren Winzlinge geben, wie Astronomen ausgerechnet haben. Doch entdeckt wurde noch kein einziges. Allerdings sind selbst inaktive stellare Schwarze Löcher schwer zu finden, insofern ist der Nichtnachweis der primordialen Mini-Variante wenig erstaunlich.

Ist die Sonne ein Hawking-Stern?

Laut Hawking hätte die Existenz von primordialen Schwarzen Löchern eine spannende Konsequenz: Beim Kollaps von Gaswolken zu neuen Sternen müssten einige der Mini-Löcher mit in die Sterne geraten. Ein solcher „Hawking-Stern“ hätte dann ein Schwarzes Loch in seinem Zentrum. Doch anders als man denken könnte, ist dies kein Todesurteil für den Stern: Der nach außen gerichtete Strahlungsdruck der Kernfusion wirkt der Anziehungskraft des Schwarzen Lochs entgegen und verhindert so, dass es „Futter“ bekommt – es kann daher nur sehr langsam wachsen, so Hawkings Hypothese.

Ob Hawking damit richtig lag und welche Folgen dies konkret für einen Stern wie die Sonne hätte, haben nun Astronomen um Earl Bellinger vom Max-Planck-Institut für Astrophysik in Garching näher untersucht. Dafür simulierten sie mithilfe eines astrophysikalischen Modells die Entwicklung von verschiedenen Varianten von Hawking-Sternen, einschließlich eines Sterns wie unserer Sonne.

„Schwarzes Loch bis zur  Masse des Merkur“

Das überraschende Ergebnis: Ein Hawking-Stern mit einem verborgenen „Parasiten“ in seinem Zentrum wäre von außen kaum als solcher zu erkennen – vorausgesetzt die Masse des Schwarzen Lochs überschreitet nicht eine bestimmte Grenze. „Unsere Sonne könnte in ihrem Zentrum sogar ein schwarzes Loch von der Masse des Planeten Merkur in ihrem Zentrum haben, ohne dass wir es bemerken würden“, sagt Bellinger.

Der Grund: Ein solches primordiales Schwarzes Loch im Sonnenkern würde die Dichte, die Fusionsraten und die Schallwellenausbreitung unseres Sterns um weniger als ein Prozent verändern, wie die Astronomen ausrechneten. „Ist die Masse des eingeschlossenen Schwarzen Lochs sehr gering, ist der Hawking-Stern im Prinzip gar nicht von einem ganz normalen Stern zu unterscheiden“, erklären sie.

Entwicklung eines Hawking-Sterns
Anteile von Fusion und Schwarzem Loch im Sonneninneren © Bellinger et al./ Astrophysical Journal , CC-by 4.0

Schwarzer „Parasit“ verlängert stellares Leben

Doch es gibt eine Eigenschaft, die sich bei einem Hawking-Stern deutlich verändern würde – aber die für uns Menschen nur schwer messbar ist: die Lebensdauer des Sterns. Sie hängt normalerweise vom Wasserstoffvorrat in seinem Inneren ab: Ist er erschöpft, fehlt der Kernfusion der Brennstoff und der Stern bläht sich erst zum Roten Riesen auf, bevor sein Kern zum Weißen Zwerg kollabiert. Bei unserer Sonne könnte dieser Anfang vom Ende in rund fünf Milliarden Jahren einsetzen.

Sitzt in der Sonne jedoch ein Schwarzes Loch, wäre dies anders: In rund 2,5 Milliarden Jahren hätte das langsam wachsende Schwarze Loch in ihrem Inneren rund 0,1 Prozent ihrer Masse verschlungen. „Dadurch kühlt sich der Sonnenkern ab und die Fusionsreaktionen hören auf“, berichten Bellinger und sein Team. Dadurch kann mehr Material in der Schwarze Loch fallen und die dabei freigesetzt Energie ersetzt in Teilen die Fusionsenergie. „Sterne, die in ihrem Zentrum ein schwarzes Loch haben, können dadurch erstaunlich lange leben“, sagt Bellinger.

Rettung für die Erde

Für die Sonne würde dies bedeuten: Sie hätte die Kernfusion durch eine neue Energiequelle ersetzt – die Akkretion des Schwarzen Lochs – und könnte dadurch einige Milliarden Jahre länger strahlen als normalerweise. Gleichzeitig hemmt die starke Vermischung ihres Inneren auch ihr Aufblähen zum Roten Riesen: „Die Expansion der Sonne würde bei einem Maximum von 0,03 astronomischen Einheiten stoppen“, berichten die Astronomen. „Dies würde die Erde davor bewahren, von der aufgeblähten Roten Sonne verschlungen zu werden.“

Allerdings hat diese lebensverlängernde Wirkung des Schwarzen Lochs einen Preis: Der „Parasit“ im Sterneninneren wächst immer schneller. In rund sechs Milliarden Jahren könnte er schon ein Prozent der Sonnenmasse ausmachen. In rund acht Milliarden Jahren wäre das Schwarze Loch dann so groß, dass es die gesamte Sonne verschlingt. „Die Sonne wird dann zum Schwarzen Loch“, berichten Bellinger und seine Kollegen.

Wie könnte man Hawking-Sterne nachweisen?

Mit ihrer Modellierung haben die Astronomen nachgewiesen, dass unsere Sonne zumindest theoretisch ein Hawking-Stern sein könnte. „Es gibt aber bisher keinerlei positive Belege dafür, dass es in unserer Sonne ein Schwarzes Loch gibt“, betonen die Forschenden. Überprüfen ließe sich dies aber möglicherweise mithilfe der Astroseismologie, bei der charakteristische Schwingungen des Sterns Auskunft über seine interne Struktur und Prozesse geben.

Bisherige Messmethoden sind allerdings noch nicht hochauflösend genug, um die subtilen Signale eines stellaren „Parasiten“ zu identifizieren. Zudem sind weitere Simulationen nötig, um herauszufinden, nach welchen Signaturen Astronomen dabei genau suchen müssen. Vielversprechender könnte es deshalb sein, nach Hawking-Sternen im Spätstadium zu suchen – bei ihnen wären die Signale deutlicher, wie das Team erklärt.

Ein Ort, an dem besonders viele Hawking-Sterne existieren könnten, sind besonders dichte Ansammlungen alter Sterne: „Es gibt gute Gründe für die Annahme, dass Hawking-Sterne in Kugelsternhaufen und sehr lichtschwachen Zwerggalaxien häufig sind“, sagt Koautor Matt Caplan von der Illinois State University. (Astrophysical Journal, 2023; doi: 10.3847/1538-4357/ad04de)

Quelle: Max-Planck-Institut für Astrophysik

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