Nach 120 Jahren aufgespürt: Australische Meeresforscher haben die letzte Ruhestätte des seit 1904 verschollenen Dampfschiffs „Nemesis“ geklärt. Der 73 Meter lange, eiserne Kohlefrachter war damals auf dem Weg nach Melbourne, als er in einem Sturm mitsamt Fracht und 32 Mann Besatzung verschwand. Jetzt haben hochauflösende Sonaraufnahmen und Kamerabilder das Wrack des Schiffs identifiziert. Es liegt 28 Kilometer vor der Küste von Wollongong in rund 160 Meter Tiefe auf dem Meeresgrund.
Ob Steinzeit-Wracks, antike Frachter oder die Flaggschiffe mittelalterlicher Könige: Am Grund der Meere liegen unzählige, teils Jahrhunderte alte Schiffswracks verborgen. Doch auch aus der Neuzeit wurden zahlreiche Wracks entdeckt – von frühen Forschungsschiffen wie der „Endurance“ des Polarforschers Ernest Shackleton über das berühmte Wrack der Titanic bis zu gesunkenen U-Booten aus dem Zweiten Weltkrieg. Oft klärt erst ihr Fund das Schicksal von Schiff und Besatzung.
Im Sturm verschollen
Das ist auch beim jüngsten Fund eines lange gesuchten Schiffswracks der Fall: dem 1880 gebauten Dampfschiff „Nemesis“. Der 73 Meter lange Frachter mit einem Rumpf aus Eisenplatten war mehr als 20 Jahre lang als Kohlefrachter in australischen Gewässern unterwegs. „Bei seiner letzten Fahrt im Juli 1904 verließ die SS Nemesis Newcastle vollbeladen mit Koks und Kohle in Richtung Melbourne“, berichtet Unterwasserarchäologe Brad Duncan von Heritage NSW.
Zunächst schien alles problemlos, doch dann geriet der Frachter in einen schweren Sturm. „Kurz nach Beginn der Fahrt lief das Schiff in einen von Süden kommenden Sturm und ging vor der Küste von New South Wales verloren – mitsamt der 32 Menschen an Bord“, berichtet Duncan. Das Schiff galt seither als vermisst, sein Wrack blieb knapp 120 Jahre lang verschollen.
Ist es die „Nemesis“?
Jetzt wurde das Wrack der SS Nemesis gefunden: Schon im Mai 2022 hatte die private Bergungsfirma Subsea Professional Marine Services südlich von Sydney erste Hinweise auf ein Schiffswrack passender Größe entdeckt. Dieses liegt rund 28 Kilometer vor der Küste von Wollongong in rund 160 Meter Wassertiefe. Um herauszufinden, ob es sich dabei um die Nemesis handeln könnte, hat ein Forschungsschiff der australischen Wissenschaftsorganisation CSIRO das Wrack nun mithilfe eines hochauflösenden Multibeam-Echolots und ferngesteuerten Kameras näher untersucht.
„Unsere Fahrt brachte uns ohnehin dicht am Fundort des Wracks vorbei und wir hatten Glück, dass auch die Bedingungen für die Untersuchung günstig waren“, berichtet Fahrtleiter Jason Fazey von der CSIRO. Die Echolotaufnahmen enthüllten, dass das Schiffswrack am Rand des australischen Kontinentalschelfs aufrecht am Meeresgrund liegt. Bug und Heck sind jedoch bereits stark erodiert.
Schiffsanker und Decksaufbauten bestätigen Identität des Wracks
Das Entscheidende jedoch: Die Kameraufnahmen enthüllten, dass es sich bei diesem Schiffswrack tatsächlich um die verschollene SS Nemesis handelt. „Wir konnten die gesamte Länge des Schiffswracks mit unserer Tauchkamera untersuchen und zahlreiche Details der Schiffsstruktur und sogar von einigen Innenräumen beobachten“, sagt Fazey. Einige der für die Identifizierung wichtigen Schlüsselstrukturen des Schiffs seien noch intakt und erkennbar gewesen. Am Meeresgrund neben dem Wrack entdeckte das Team zudem zwei der Schiffsanker der Nemesis.
Damit ist nun nach 120 Jahren endlich geklärt, was aus dem Dampfschiff Nemesis wurde. Offenbar ist der Frachter tatsächlich, wie schon angenommen, im Sturm vor der Küste von New South Wales gesunken. „Die Entdeckung des Schiffswracks und die Bestätigung seiner Identität liefert uns nicht nur wertvolle archäologische Informationen über das Schiff und seinen Untergang“, sagt Duncan. „Noch wichtiger ist, dass dieser Fund den Angehörigen und Freunden der damals gestorbenen Seeleute nun Gewissheit bringt und einen Ort, an dem sie deren Verlust betrauern können.“
Im nächsten Schritt wollen die Unterwasserarchäologen die Kameraaufnahmen zu einem photogrammetrischen 3D-Modell des Schiffswracks zusammenfügen. Dies wird es ermöglichen, die Schäden und die genaue Ursache des Untergangs der SS Nemesis genauer zu erforschen. Das Wrack selbst wurde unter strengen Schutz gestellt.
Quelle: CSIRO