Prähistorischer Waldfund: Im Südwesten Englands haben Paläontologen die versteinerten Überreste des ältesten bekannten Waldes der Erde entdeckt. Demnach wuchs entlang der Küste von Somerset vor rund 390 Millionen Jahren eine Gemeinschaft aus palmenähnlichen Calamophyton-Bäumen. Die Gewächse konnten zwei bis vier Meter hoch werden und veränderten die Landschaft so nachhaltig, dass sie dem Leben den Übergang von Wasser zu Land erleichterten.
Als das erste Leben aus dem Wasser stieg, fand es karge, trockene Landmassen voller schädlicher UV-Strahlung vor. Dass es heute oberhalb der Wasseroberfläche deutlich einladender aussieht, haben wir vor allem den ersten Landpflanzen zu verdanken. Ihre Wurzeln festigten die Sedimente, ihre Blätter und Zweige spendeten Schatten und Nahrung. Eine besonders prägende Ära dieser Umgestaltung war dabei das Zeitalter des Devon vor 419 bis 358 Millionen Jahren – die Zeit der ersten primitiven Wälder.
Ein 390 Millionen Jahre altes Wäldchen
Den bislang ältesten prähistorischen Wald haben Paläontologen um Neil Davies von der University of Cambridge nun im Südwesten Englands entdeckt, und zwar in den hohen Klippen der Hangman-Sandstein-Formation. Diese Fundstätte liegt in der Nähe der Stadt Minehead in der Grafschaft Somerset und ist 390 Millionen Jahre alt – vier Millionen Jahre älter als der bisherige Waldfossil-Rekordhalter aus dem US-Bundesstaat New York.
Im Zeitalter des Devon war der Südwesten Englands noch nicht mit dem Rest der Britischen Insel verbunden und lag viel weiter südlich, wie die Forschenden berichten. Die Gegend bestand demnach aus einer halbtrockenen, von kleinen Flusskanälen durchzogenen Ebene, die an Teile des westlichen Mitteleuropas angrenzten – dort, wo heute Belgien und das nordrhein-westfälische Lindlar liegen.
Das Wäldchen, das damals an dieser Stelle spross, war dominiert von primitiven Calamophyton-Bäumen. Von ihnen sind sowohl fossile Stämme als auch Spuren von Wurzeln und Sedimentstrukturen erhalten.
Weder Blätter noch Gras
„Das war ein ziemlich merkwürdiger Wald – nicht wie ein Wald, den man heute sehen würde“, erklärt Davies. Das liegt unter anderem daran, dass die Calamophyton-Bäume aus heutiger Sicht wahrscheinlich eher als Sträucher gelten würden, denn sie erreichten Höhen von gerade einmal zwei bis vier Metern und besaßen weder Blätter noch Stämme aus massivem Holz. Ihre Stämme waren stattdessen in der Mitte hohl und außerdem sehr dünn. Die Äste der Bäume wiederum bildeten hunderte zweigartige Strukturen.
Außerdem gab es in dem 390 Millionen Jahre alten Wald kein nennenswertes Unterholz und auch noch kein Gras, denn das hat sich erst zur Zeit der Dinosaurier viele Millionen Jahre später entwickelt. Dafür war der Waldboden aber bedeckt von kleinen Zweigen, die die dicht stehenden Bäume in großen Mengen abwarfen, wie Davies erklärt.
Prägender Einfluss auf die Landschaft
Dieser „Biomüll“ diente bodenlebenden Wirbellosen als Nahrung und lagerte sich im Laufe der Zeit außerdem in Sedimentschichten ab. Durch sie wurde die Erde fruchtbarer und auch die Art und Weise, wie Flüsse durch die Landschaft strömten, veränderte sich. „Die in diesen Fossilien enthaltenen Beweise bewahren eine Schlüsselphase in der Entwicklung der Erde, in der Flüsse begannen, grundlegend anders zu funktionieren als zuvor und zu der großen erosiven Kraft wurden, die sie heute sind“, so Davies.
Bis zum Ende des Devons vor 358 Millionen Jahren hatten Urwäldchen wie das jetzt in England entdeckte die Landschaft schließlich so weit verändert, dass Leben an Land selbst weit entfernt von Flüssen und Meeren möglich war. Es entstanden die ersten samentragenden Pflanzen und auch die ersten Landtiere – zumeist Gliederfüßer – hatten längst Fuß gefasst. (Journal of the Geological Society, 2024; doi: 10.1144/jgs2023-204)
Quelle: University of Cambridge