Rheuma kann grundsätzlich jeden treffen. Auch wenn die Symptome vermehrt im höheren Alter – ab der zweiten Lebenshälfte – auftreten, ist es keine reine Senioren-Krankheit. Die meisten Patienten sind im mittleren Alter. Zahlreiche Betroffen aus dieser Gruppe werden aufgrund ihrer Krankheit allerdings früher verrentet, insofern ist Rheuma in gewisser Weise doch eine „Rentner-Krankheit“.
Aber auch Kleinkinder können schon an einer rheumatischen Erkrankung leiden. In Deutschland sind neben den rund 20 Millionen Erwachsenen auch rund 40.000 Kinder und Jugendliche von Rheuma betroffen. „Aufgrund der Schwierigkeit der Erkennung von Gelenkrheuma bei Kindern und Jugendlichen ist zudem von einer großen Dunkelziffer auszugehen“, teilt die Gesellschaft für Kinder- und Jugendrheumatologie mit. Medizinische Gesellschaften sprechen von etwa 20.000 erkrankten Heranwachsenden allein mit der Rheuma-Form rheumatoider Arthritis.
Frauen sind häufiger betroffen als Männer
Rheuma ist also keine Altersfrage, aber durchaus eine Geschlechterfrage. „Die meisten rheumatischen Erkrankungen kommen bei Frauen häufiger vor als bei Männern“, berichtet Uta Kiltz vom Rheumazentrum Ruhrgebiet. Etwa drei von vier Patienten mit einer rheumatischen Autoimmunerkrankungen sind beispielsweise Frauen.
Das liegt unter anderem daran, dass die Erkrankung in Teilen genetisch bedingt ist und mit dem zweiten X-Chromosom zusammenhängt, wie eine Studie ergab. Demnach triggert der Xist-Komplex, der das zweite X-Chromosom bei Frauen stummschaltet, das Immunsystem und führt zu einer Überproduktion an Antikörpern und Abwehrzellen. „Gibt es einen begünstigenden genetischen Hintergrund, dann kann die Präsenz des Xist-Molekülkomplexes multiple Abwehrzellen aktivieren und voll ausgeprägte Organschäden verursachen“, erklärt Diana Dou von der Stanford University.
Risikofaktor Hormone
Neben den Genen könnten aber auch die Hormone bei Frauen Rheuma begünstigen, vermuten Wissenschaftler. Oder auch ein Mangel an solchen Hormonen. Denn das Geschlechtshormon Testosteron schützt nachweislich vor rheumatisch-entzündlichen Erkrankungen, kommt bei Frauen aber in geringeren Konzentrationen vor als bei Männern. Testosteron verringert Entzündungen, indem es die Aktivität des Enzyms Phospholipase D senkt, das für die Produktion der entzündungsfördernden Substanzen in Immunzellen verantwortlich ist.
Aber auch die weiblichen Hormone der Anti-Baby-Pille verhindern die Entstehung von Rheuma, wie Forschende jüngst herausgefunden haben (doi: 10.1093/rheumatology/kead513). Umgekehrt wirken hingegen die Hormonpräparate, die bei Frauen zur Behandlung der Symptome während der Menopause eingesetzt werden: „Sie fördern eine rheumatisch-entzündliche Erkrankung“. Die Wissenschaftler vermuten, dass für diese unterschiedlichen Wirkungen der Hormone ihre genaue Zusammensetzung und das Verhältnis von entzündungsfördernden zu entzündungshemmenden Östrogen-Hormonen im weiblichen Körper entscheidend ist.