Klima

Ein angetautes Pi aus Eis

Schnell vorrückender Gletscher schmolz massiv zusammen

Gletscherzunge
Am rechten oberen Rand der einst Pi-förmigen Gletscherformation befindet sich nun statt weißem Eis nur noch grünliches Wasser. © Wanmei Liang/ Earth Observatory

Eisiges Pi: Einst sah diese anmutige Gletscherformation aus wie ein kunstvoll gefertigtes Pi, doch im Laufe der Jahre haben Klimaerwärmung und Eisschmelze eine ganze Ecke aus dem eisigen mathematischen Zeichen entfernt. Dort ist nun statt Gletschereis das grünliche Wasser des Fjords zu sehen.

Die Gletscher der Welt befinden sich auf dem Rückzug. Immer schneller schmelzen die Eismassen Islands, Alaskas oder Grönlands infolge der Erderwärmung dahin. Doch nicht alle weißen Riesen weichen gleichmäßig zurück – etwa ein Prozent der weltweiten Gletscher verändert sich schubweise. Dabei wechseln Phasen der Stagnation oder sogar des Wachstums mit Zeiten, in denen der Gletscher besonders schnell fließt.

Diese Gletscherschübe passieren, weil angesammeltes, überschüssiges Schmelzwasser am Grund der Eismassen wie ein Gleitmittel wirkt: Es erleichtert die Fortbewegung des Gletschers, indem es den Kontaktbereich zwischen Gletscher und Boden schmiert. Alle 15 bis 100 Jahre gleiten diese Eisberge dann in bis zu zweijährigen Schüben nach vorne, nur um in der anschließenden Ruhephase in ihrem oberen Teil wieder neues Eis aufzubauen.

Ein grönländischer Gletscher im Wandel der Zeit

Doch genau diese Ruhephasen können dramatische Folgen haben, besonders für ins Meer fließende Gletscher: Ihr schnelles Vorrücken hat die Gletscherzungen bis weit in das Wasser der angrenzenden Fjorde oder Küstenstreifen hinausgeschoben. Wenn die Gletscher dann in den inaktiven Teil ihres Zyklus eintreten, sind diese Eisfronten den Wellen und Gezeiten ungeschützt ausgesetzt. Als Folge schmilzt ihr Eis und die Gletscherfront weicht wieder zurück – oft sogar noch schneller und weiter als die gleitenden Eismassen ursprünglich nach vorne gerückt sind.

Genau das ist auch dem in einen Fjord mündenden Gletscher Sortebræ in Ostgrönland widerfahren. Einst bildete der Hauptstamm von Sortebræ gemeinsam mit den Zuflüssen eine unverwechselbare Form, die einem eisigen Pi-Symbol ähnelte. Doch ab 1992 begann sich dieser Küstengletscher mit bis über 20 Metern pro Tag vorwärtszubewegen – insgesamt verschoben sich die Eismassen ganze zehn Kilometer in Richtung Ozean. Als der Vorstoß des Gletschers drei Jahre später endete, schmolz seine Eisfront massiv zusammen – der Gletscher wurde weit zurückgedrängt.

„In den letzten 20 Jahren hat Sortebræ etwa 40 Quadratkilometer Eis verloren“, erklärt Hester Jiskoot von der Lethbridge University in Kanada. Auf dem Satellitenbild erkennt man, wie das Wasser in den vergangenen Jahren einen „Biss“ aus dem eisigen Pi geknabbert hat.

Vorrückende Gletscher wandeln sich

Zwar ist es für vorrückende Gletscher wie den Sortebrae völlig normal, sich während ihrer Ruhephase zurückzuziehen, wie Harold Lovell von der Portsmouth University in England erklärt. “Aber schubweise fließende Gletscher treten nur innerhalb bestimmter Klimaparameter auf, und wir denken, dass das Ausmaß des Rückzugs wahrscheinlich durch den Klimawandel verstärkt wird“, so der Forscher.

Das zeigt auch eine 2023 durchgeführte Analyse von Lovell und seinen Kollegen. Sie beobachteten dafür das Verhalten von insgesamt 274 grönländischen Surge-Gletschern. “In Westgrönland sehen wir, dass einige kleinere landterminierende Gletscher, von denen wir wissen, dass sie in der Vergangenheit Schubphasen hatten, nicht mehr in der Lage sind, erneut vorzurücken“, sagte Lovell, „wahrscheinlich, weil sie sich in einem wärmeren Klima zu sehr ausgedünnt haben.“

Quelle: Earth Observatory

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