Paläontologie

Ältester Langhals-Meeressaurier identifiziert

Als landlebend eingestufter Ursaurier entpuppt sich als Meeresreptil

Fossil des langhalsigen Meeressauriers Trachelosaurus fischeri
Das Fossil des langhalsigen Meeressauriers Trachelosaurus fischeri. © SMNS, L. Reinöhl

Falsch zugeordnet: Seit gut 100 Jahren gibt ein in Sachsen-Anhalt entdecktes Ursaurier-Fossil den Paläontologen Rätsel auf. Denn es war unklar, zu welcher Sauriergruppe innerhalb der Archosauromorpha dieses 247 Millionen Jahre alte, ungewöhnlich langhalsige Reptil gehörte. Eine Neuanalyse hat nun überraschend ergeben: Das Trachelosaurus fischeri getaufte Fossil war kein Landsaurier, sondern lebte im Meer. Das wirft ein neues Licht auf seine Verwandtschaftsbeziehungen.

Vor rund 250 Millionen Jahren, an der Grenze von Perm und Trias, kam es auf der Erde zu einem Massenaussterben. Kurz darauf gab es einen Boom unter den Reptilien. Innerhalb kürzester Zeit entwickelten sich sehr viele neue Arten an Land und im Wasser. Darunter waren auch die Archosauromorpha, Vorfahren der Archosaurier und Dinosaurier. Ihre heute lebenden Nachfahren sind die Krokodile und Vögel. Die meisten frühen Archosauromorpha starben jedoch am Ende der Trias vor rund 200 Millionen Jahren aus.

Wie lebten die extremen Langhälse?

Doch in der Zeit davor, in der mittleren Trias, zeigten einige Gruppen dieser Saurier einen auffallenden evolutionären Trend: Ihre Halswirbel und Hälse verlängerten sich extrem. „Diese langhalsigen Archosauromorphen bildeten eine sehr gemischte Gruppe: In ihr gab es landlebende, halbaquatische, vollständig wasserlebende und wahrscheinlich sogar durch die Luft gleitende Taxa“, erklären Stephan Spiekman vom Naturkundemuseum Stuttgart und seine Kollegen.

Entsprechend schwierig ist es, manche Fossilien dieser Ursaurier einzuordnen – vor allem, wenn ihre Überreste unvollständig und stark fragmentiert sind. Genau dies ist auch bei einem Saurierfossil der Fall, das bereits im 19. Jahrhundert in Bernburg an der Saale in Sachsen-Anhalt entdeckt und 1918 von Paläontologen erstmals wissenschaftlich beschrieben wurde. Der Trachelosaurus fischeri getaufte Archosauromorph wurde in Schichten des Buntsandsteins aus der Mittleren Trias gefunden. Die Paläontologen datierten das Alter des Fossils daher auf 247 Millionen Jahre.

Landlebender Protosaurier oder marine Flossenechse?

Den ersten Untersuchungen zufolge war das Urzeit-Reptil zu Lebzeiten 1,50 bis 1,70 Meter lang und besaß einen langen Hals und Schwanz, jedoch kurze Gliedmaßen und einen eher gedrungenen Rumpf. Damit gehörte es klar zu den langhalsigen Vertretern dieser Ursaurier. Aber zu welchen? War es ein primär landlebender Protorosaurier oder eine frühe im Meer lebende Flossenechse (Sauropterygia)?

Wegen der einzigartigen Anatomie von Trachelosaurus fischeri mit seiner ungewöhnlich großen Anzahl von Wirbeln, darunter 21 Halswirbel, und kurzen Halsrippen ließ sich dies nicht eindeutig klären. Zudem war das Fossil relativ schlecht erhalten: Das Skelett ist unvollständig und seine Überreste sind über das gesamte Gestein verstreut, in dem es konserviert wurde.

Forschende mit dem Fossil
Rainer Schoch (links), Stephan Spiekman (mittig) und Eudald Mujal (rechts) in der Meeressaurier Sammlung des Naturkundemuseums Stuttgart mit dem Fossil von Trachelosaurus fischeri, das zu Forschungszwecken aus der Sammlung der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg entliehen wurde. © SMNS, L. Reinöhl

Verwandte in China liefern die Antwort

Das Team um Spiekman nahm Trachelosaurus fischeri daher nun erneut unter die Lupe. Zugleich verglichen die Paläontologen den historischen Saurier mit Fossilien eines Reptils mit ähnlichem Knochenbau, die erst kürzlich in China in Gesteinsschichten aus dem Mittlere Trias gefunden wurden. Im Gegensatz zu Trachelosaurus fischeri stammen die chinesischen Fossilien eindeutig von Meeressauriern. „Durch die Untersuchung chinesischer Fossilen des langhalsigen Meeressauriers Dinocephalosaurus konnten wir auch das Rätsel von Trachelosaurus fischeri lösen“, sagt Spiekman.

Ozean statt Land

Das Ergebnis: Trachelosaurus fischeri ist kein Protosaurier, sondern ein meeresbewohnender Archosauromorph. „Die Anatomie zeigt uns, dass er eng mit Dinocephalosaurus verwandt ist“, so Spiekman. Auch dieser bisher nur aus China bekannte Meeressaurier hatte einen außergewöhnlich langen Hals mit erhöhter Wirbelzahl. Beide Saurier gehören demnach zur Familie der meereslebenden Trachelosaurier und der übergeordneten Gruppe der Tanysaurier, wie das Team berichtet.

Zu dieser Verwandtschaftsgruppe gehören auch die Giraffenhalssaurier (Tanystropheus), denen ihr extrem verlängerter Hals oft zum Verhängnis wurde: Sie wurden von räuberischen Meeressauriern enthauptet. Ob das auch für Trachelosaurus fischeri gilt, geht aus der Studie nicht hervor.

Der älteste Langhals-Meeressaurier

Damit sind die Familienbande des historischen Fossils nun klarer. Unbekannt ist jedoch weiterhin, wie genau sich diese Saurierfamilie zeitlich und räumlich entwickelte. Denn der in Deutschland entdeckte Trachelosaurus fischeri ist das erste Fossil dieser Reptiliengruppe, das außerhalb Chinas gefunden wurde, wie Spiekman und sein Team erklären.

Ein Altersvergleich ergab zudem, dass Trachelosaurus fischeri sogar der weltweit älteste bisher bekannte langhalsige Meeressaurier ist. Die Fossilien seiner chinesischen Verwandten sind etwa zwei Millionen Jahre jünger, wie die Paläontologen berichten.

Fenster in die Lebenswelt der Trias

Die neue Zuordnung des Fossils liefert auch interessante Einblicke in die Lebenswelt Mitteleuropas in der mittleren Trias. Denn die Fundstelle von Trachelosaurus fischeri war offenbar kein offenes Meer, sondern eine Küstenregion. Dafür sprechen Fußspuren von Landtieren, die auf dem Gestein, in dem das Fossil konserviert ist, erhalten sind. Da Trachelosaurus fischeri aber im Meer gelebt hat, vermuten die Wissenschaftler, dass das Tier vor 247 Millionen Jahren in ein Flachwassergebiet geschwemmt und dort abgelagert wurde.

Die Neubewertung des Funds hilft den Paläontologen insgesamt zu verstehen, wie sich die marinen Ökosysteme und ihre Bewohner in der Trias entwickelt haben. „Unsere Ergebnisse ergänzen die wachsenden Beweise für das Vorkommen einer vielfältigen Gruppe vollständig mariner Reptilien innerhalb der Tanysaurier während des Mittleren Trias“, schreiben die Forschenden. (Swiss Journal of Palaeontology, 2024; doi: 10.1186/s13358-024-00309-6)

Quelle: Naturkundemuseum Stuttgart

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