Der Allrounder Edmond Halley ist seiner Zeit nicht nur in Vielem voraus – durch seine faktengestützte Interpretation der Dinge widerspricht er oft gängigen Vorstellungen und Traditionen. Sowohl in kirchlichen Kreisen wie auch in den ehrwürdigen Institutionen der etablierten Wissenschaft macht er sich damit auch Feinde.
Eine Fehde mit dem königlichen Hofastronom
Dies beginnt schon in Halleys Studienzeit. Bei seinen astronomischen Forschungen stellt er fest, dass die damals führenden Tabellen für die Planeten- und Sternenpositionen fehlerhaft sind. Sowohl für Jupiter und Saturn als auch für einige Sterne sind falsche Angaben enthalten. Halley schreibt deswegen im März 1675 einen Brief an den damaligen englischen Hofastronomen John Flamsteed, in dem er ihn auf diese Fehler hinweist. Dieser hat zwar Respekt vor den Leistungen des Jüngeren, fühlt sich aber düpiert.
Auch im weiteren Verlauf von Halleys Karriere kommt es zwischen ihm und Flamsteed immer wieder zum Streit. „Soweit wir wissen, hatte Halley nur einen großen Konflikt in seinem Leben – mit Flamsteed“, schrieb Sydney Chapman von der University Alaska über Halley. Der Überlieferung zufolge tut der Hofastronom einiges dafür, um Halleys Karriere zu durchkreuzen. Er beschuldigt ihn des geistigen Diebstahls und durchkreuzt Halleys Berufung zum Professor für Astronomie in Oxford. Flamsteed warnt die Universität, dass Halley „die Jugend der Universität korrumpieren“ würde.
Der Streit eskaliert, als Flamsteed sich später beharrlich weigert, Halley und Isaac Newton astronomische Daten des Königlichen Observatoriums zur Verfügung zu stellen – Daten, die Newton für die Vorbereitung seines Werks „Principia“ dringend benötigt. Flamsteed steigert sich im Laufe der Zeit so in seinen Hass auf Halley hinein, dass er dessen Namen nicht mehr nennt und ihn stattdessen selbst in Briefen nur mit „Reymers“ tituliert – nach dem deutschen Astronom Nicolaus Reimers, der es angeblich gewagt hatte, Tycho Brahe zu plagiieren.
Wie alt ist die Erde?
Doch Flamsteed ist nicht der einzige, der sich an den modernen Methoden und Ansichten Halleys stößt. Im Jahr 1714 veröffentlicht Halley einen Artikel in den „Philosophical Transactions“ der Royal Society, in dem er Zweifel an der wörtlichen Interpretation der biblischen Schöpfungsgeschichte äußert – ein rotes Tuch für das damalige Christentum. Halley schreibt: „Es ist kaum vorstellbar, dass die Tage der Schöpfung als natürliche Tage zu verstehen sind.“ Seiner Ansicht nach muss die Schöpfung weit mehr Zeit in Anspruch genommen haben – und die Erde daher weit älter sein als nach biblischen Angaben kalkuliert.
Aber wie viel älter? Im Zuge seiner Forschungen am Wasserkreislauf ersinnt Halley eine Methode, mit der man das Alter der Ede vielleicht messen könnte. Seine Überlegung: Wasser enthält gelöste Salze, die beim Verdunsten zurückbleiben. Dieses Salz, so vermutet Halley, wird über die Flüsse ins Meer gespült und reichert sich dort im Laufe der Zeit an. Deswegen müssten die Ozeane im Laufe der Erdgeschichte immer salziger geworden sein. Wenn man die Veränderungen im Salzgehalt misst, könnte man über die Rate der Versalzung demnach bis zum Uranfang zurückrechnen.
„Man kann die Dauer aller Dinge demnach über die Beobachtung des zunehmenden Salzgehalts in ihren Wässern abschätzen“, schreibt Halley. „Vielleicht ist die Welt viel älter als viele es sich vorstellen.“ Allerdings wird ihm schnell klar, dass die Rate der Versalzung wahrscheinlich extrem gering ist und man daher für solche Messungen große Zeitabstände bräuchte – mehr als in einem Menschenleben machbar. „Diese Methode kann daher für uns selbst von keinem Nutzen sein“, so der Forscher. Dennoch reichen schon seine Überlegungen dazu aus, um einige Kirchenvertreter gegen sich aufzubringen.
Halleys Nutznießer
Doch es gibt auch genügend Zeitgenossen, die Halleys unkonventionelles Denken zu schätzen wissen -vor allem, wenn es praktisch nutzbare Erkenntnisse und Erfindungen mit sich bringt. Halleys frühe Forschungen zu Kompass, Magnetfeld und Navigation bringen ihm beispielsweise Posten eines Schiffskommandanten und den Auftrag zur Forschungsfahrt in den Atlantik ein. Auch seine Gezeitenmessungen und Positionsbestimmungen ferne Häfen werden von der Marine dankend angenommen.
Für die Marine interessant ist auch eine praktische Erfindung Halleys, die er 1691 im Rahmen der Bergung eines Schiffswracks macht: Auf der Suche nach einer besseren Möglichkeit, unter Wasser zu arbeiten, entwickelt das Allroundtalent eine neue, verbesserte Version der Taucherglocke. Sie löst zwei der zuvor größten Probleme solcher Tauchhilfen: Der Sauerstoff im Inneren ist zu schnell verbraucht und gleichzeitig sinkt der Innendruck, sodass das Wasser in die Glocke eindringt.
Eine bessere Taucherglocke und ein Taucherhelm
„Ich beseitigte diese Schwierigkeiten, indem ich einen Weg erfand, um Luft zur Glocke hinunterzubringen“, beschreibt Halley sein System. Dabei werden regelmäßig abgedichtete Luftbeutel an beschwerten Seilen zur Glocke hinuntergelassen und dann in ihrem Inneren geöffnet. „Dies erfrischt und ergänzt nicht nur die Luft in der Taucherglocke, es treibt auch das Wasser hinaus, egal auf welcher Tiefe man sich befindet“, so Halley.
Sein System hält den Luftdruck im Inneren der Taucherglocke hoch genug, um dem Wasserdruck entgegenzuwirken. „Auf diese Weise habe ich drei Männer eindreiviertel Stunden und 18 Meter tief unter Wasser gehalten, ohne die leiseste Unannehmlichkeit und in perfekter Freiheit, so zu agieren als wären sie an der Oberfläche“, berichtet Halley weiter.
Und nicht nur das: Sogar einen Taucheranzug samt Helm konzipiert und testet der Forscher. Dieser besteht aus einem abgedichteten Lederanzug und einem metallenen, mit Sichtgläsern für die Augen ausgestattetem Helm. „Diese Kappe muss rund fünf bis sechs Gallonen Luft fassen können und braucht eine Leitung, die von der Taucherglocke zu ihr führt“, schreibt Halley. Über diese Leitung bekommt der Taucher frische Luft, die ihm mithilfe einer Handpumpe von der Taucherglocke aus zugeführt wird. Eine zweite Leitung führt vom Helm nach oben und entlässt die Ausatemluft ins Wasser.
Halley nutzt seine Taucherglocke, um mehrfach selbst zu tauchen und sich längere Zeit unter Wasser aufzuhalten. „In Zeiten, wenn das Wasser aufgewühlt und dick war, wurde es in der Glocke dunkel wie in der Nacht“, beschreibt er eine dieser Erfahrungen. „Aber in einem solchen Fall konnte ich eine Kerze in der Glocke anzünden und so lange brennen lassen, wie ich wollte – trotz der großen Luftmenge, die eine solche Flamme benötigt.“