Raumzeit im Labor: Physiker haben erstmals einen „Quantentornado“ aus flüssigem Helium erzeugt – einen Wirbel aus superfluider Flüssigkeit, der das Verhalten der Raumzeit nachbilden kann. Damit könnte dieser Quantentornado verraten, wie rotierende Schwarze Löcher die Raumzeit und deren Quantenstruktur in ihrem Umfeld verformen. Denn der superfluide Heliumwirbel zeigt physikalische Eigenheiten, die denen im enormen Schwerkraftfeld eines Schwarzen Lochs ähneln, wie das Team in „Nature“ berichtet.
Albert Einstein erkannte, dass Objekte großer Massen die Raumzeit krümmen und sogar Lichtstrahlen ablenken können. Am extremsten ist dieser Effekt bei einem Schwarzen Loch: Dessen Gravitationswirkung ist so extrem, dass ein nach unten offener Trichter in der Raumzeit entsteht, vielleicht sogar ein Wurmloch zu anderen Teilen des Kosmos. Doch wie sich die Raumzeit in diesem Trichter verhält und wie sie sich verändert, wenn ein Schwarzes Loch rotiert, ist bisher erst in Teilen und nur theoretisch geklärt.
Verzerrte Raumzeit im Labor
Deshalb suchen Physiker nach Möglichkeiten, die Raumzeit und ihre Ausprägungen im Labor nachzubilden, beispielsweise über sogenannte Gravitations-Simulatoren. „Dies sind Laborsysteme, in denen kleine Anregungen wie Schall oder Oberflächenwellen sich wie die Felder verhalten, die sich auf der gekrümmten Raumzeit-Geometrie ausbreiten“, erklären Patrik Švancara von der University of Nottingham und seine Kollegen. Erste grobe Analoga dieser Art wurden bereits mit ultrakalten Atomwolken und flüssigem Helium umgesetzt.
„Doch um die gekrümmte Raumzeit eines Schwarzen Lochs experimentell nachzubilden, benötigt man eine spezifische relative Bewegung zwischen diesen Anregungen und dem Trägermedium“, so die Physiker. Simulationen haben gezeigt, dass diese Bedingungen mithilfe von ausgedehnten Wirbeln in ultrakaltem, superfluidem Helium erfüllt werden könnten. Doch an der Umsetzung haperte es bisher. „Superfluides Helium enthält winzige Quanten-Vortices, die dazu neigen, auseinanderzustreben“, erklärt Švancara. Sie einzugrenzen und dennoch einen stabilen „Tornado“ zu erzeugen, erwies sich als schwierig.
Ein Wirbel aus superfluidem Helium
Jetzt ist dem Team um Švancara dies gelungen. Sie haben erstmals einen makroskopischen, rotierenden Wirbel im superfluiden Helium erzeugt, der in Form und grundlegenden Merkmalen der gekrümmten Raumzeit um ein Schwarzes Loch ähnelt. Dies gelang in einen zylindrischen Glastank, in dem mehrere Liter Helium-4 bis auf 1,92 Kelvin heruntergekühlt werden – weniger als zwei Grad über dem absoluten Nullpunkt. Ein Propeller und spezielle Strömungsmodulatoren im unteren Teil des Tanks brachten die ultrakalte Flüssigkeit in Rotation.
Mit Erfolg: „In unserem Experiment konnten wir zehntausende der winzigen Quanten-Vortices in einer kompakten Form eingrenzen, die einem kleinen Tornado ähnelt“, berichtet Švancara. „Dadurch erreichten wir einen Wirbelstrom mit für Quantenflüssigkeiten rekordbrechender Stärke.“ Das Team beschreibt den resultierenden Wirbel als „Quanten-Tornado“.
Effekte wie bei einem Schwarzen Loch
Das Entscheidende jedoch: Der Quantentornado aus flüssigem Helium zeigt genau die Wellenmuster und Unterstrukturen, die theoretische Modelle auch für die Raumzeit um Schwarze Löcher vorhersagen. „Schlüsselprozesse in der rotierenden gekrümmten Raumzeit wie die Superradianz und das Schwingungsmuster eines Schwarzen Lochs können in unserem System mit nur kleinen Anpassungen der Propellergeschwindigkeit, der Tankgeometrie oder der Fließparameter erforscht werden“, schreiben die Physiker.
Nach Ansicht von Švancara und seinem Team eröffnet ihr Quantentornado damit ganz neue Möglichkeiten, das komplexe Wesen der Raumzeit und ihrer Interaktion mit der Gravitation besser zu erforschen. „Mit unserem Experiment haben wir diese Forschung auf das nächste Niveau gehoben“, sagt Seniorautorin Silke Weinfurtner von der University of Nottingham. „Dies könnte es uns ermöglichen, das Verhalten von Quantenfeldern in der gekrümmten Raumzeit um astrophysikalische Schwarze Löcher vorherzusagen.“ (Nature, 2024; doi: 10.1038/s41586-024-07176-8)
Quelle: University of Nottingham