Verhaltensforschung

Wie viele Tiere machen einen Schwarm?

Wissenswert

Unter diesen Umständen bewegen sich Fische als Schwarm. © scinexx

Viele Tierarten leben in Herden oder Schwärmen zusammen und bewegen sich als scheinbar homogene Masse durch ihren Lebensraum. Doch ab wie vielen Individuen zeigt sich dieses typische Schwarmverhalten? Das haben Forschende kürzlich anhand von Zebrafischen untersucht. Demnach bewegen sich schon drei Fische ähnlich wie große Fischschwärme. Zwei Fische weisen dagegen ein ganz anderes Verhalten auf. Aber gilt diese kritische Masse auch für andere Tiere und für den Menschen?

Der Mensch und viele andere Tiere wie Schafe, Vögel und Fische sind Herdentiere. Sie leben in Gruppen zusammen und bewegen sich oft auch in Massen im Raum. Aber verhalten sich soziale Lebewesen dann anders, als wenn sie allein oder in kleineren Gruppen unterwegs sind? Ab wie vielen Exemplaren bilden Tiere eine Herde oder einen Schwarm?

Ab welcher Gruppengröße sich die Bewegungsmuster der einzelnen Mitglieder zu einer koordinierten Gruppenbewegung ändern, hat ein Forschungsteam um Alexandra Zampetaki von der Universität Düsseldorf anhand von Fischen untersucht. Dafür bestückten die Physiker ein rundes Aquarium mit unterschiedlich vielen Zebrabärblingen (Danio rerio) sowie mit synchronisierten Kameras, die die dreidimensionalen Schwimmbewegungen der Tiere aufzeichneten.

drei verschiedenfarbige Fische
Ein Physikerteam hat die Schwarmbildung von Zebrabärblingen (Danio rerio) untersucht. © zhane luk – stock.adobe.com

Aus wie vielen Fischen besteht ein Schwarm?

Die Kameras offenbarten verschiedene Bewegungsmuster: Entweder drehten sich die Fische gemeinsam im Kreis oder sie schwammen alle in dieselbe Richtung. Ob sie dabei neben- oder hintereinander schwammen, hing von der Gruppengröße ab: Ein isoliertes Paar aus zwei Zebrafischen bewegte sich vorzugsweise hintereinander. Gruppen aus drei, vier oder 50 Fischen schwammen hingegen stets nebeneinanderher, wie die Aufnahmen zeigten.

„Drei Fische bilden praktisch einen Schwarm, aber zwei reichen dafür nicht“, fasst Zampetaki die Beobachtungen zusammen. Der englische Spruch „Three is a Crowd“ scheint daher in der Natur tatsächlich zu gelten.

Dass die Zebrafische sich in größeren Gruppen genauso verhalten wie in kleineren, deutet darauf hin, dass sie im Schwarm nur auf ihre beiden unmittelbaren Nachbarn achten. Den Rest der Gruppe nehmen die Fische offenbar nur als variablen und eher unwichtigen Hintergrund wahr. „Daher ist das Verhalten einer Fischmenge bereits in Gruppen von drei Fischen erkennbar“, schreiben die Forschenden.

Darstellung der Schwimmbahnen von drei Zebrafischen
Gemessene Schwimmbahnen von drei Zebrafischen (schwarze Umrisse), jeweils in den Farben gelb, blau und rot koloriert. Schon ab dieser Gruppengröße zeigen die Fische ein deutliches Schwarmverhalten. © Univ. of Bristol / Yushi Yang

Verhalten sich Fische wie physikalische Teilchen?

Mit Rechenmethoden aus der Teilchenphysik analysierten die Forschenden anschließend, wie sich aus den Einzelbewegungen ein geordnetes Schwarmverhalten entwickelt. Dabei wendeten sie traditionelle physikalische Methoden aus der Theorie der Dynamik von Flüssigkeiten – wie Paar- und Triplettkorrelationen – auf Fische an. Die Annahme: Tiere bewegen sich in Flüssigkeiten ähnlich wie winzige Schwebeteilchen.

„Das war eine Herausforderung. Denn diese Konzepte stammen aus dem thermodynamischen Gleichgewicht, aber ein lebender Fischschwarm ist weit von einem Gleichgewichtszustand entfernt“, erklärt Koautor Hartmut Löwen von der Universität Düsseldorf. Die Forschenden mussten daher zunächst aufwendig Vielteilcheneffekte klassifizieren und daraus die Fischbewegungen simulieren.

„Wir haben unser Modell so modifiziert, dass die Schwimmbewegung der Fische realistisch nachgebildet wird“, erklärt Zampetaki. „Diese Simulation bestätigte das experimentelle Ergebnis: ‚Drei machen einen Schwarm‘.“ Die beiden Methoden ergänzen sich demnach und lassen sich kombinieren.

Gilt die magische Gruppengrenze auch für andere Tiere und den Menschen?

Die Studie hat zwar nur das Verhalten von Zebrafischen untersucht. „Die verwendeten Konzepte können aber auch auf andere Beispiele der Fauna übertragen werden“, betont Seniorautor Patrick Royall von der Universität Bristol. „Dazu zählen andere Fischschwärme wie solche aus Goldfischen oder Sardinen, aber auch Vogel- und Insektenschwärme wie fliegende Stare und tanzende Mücken.“ Ob sich diese genauso verhalten wie Zebrafische und ob sich zweidimensional bewegende Landtiere anders verhalten, müssen nun Folgestudien klären. „In der Tierwelt gibt es natürlich riesige Unterschiede zwischen einem Vogelschwarm und einer Herde Gnus, die auf einer Ebene laufen“, sagt Löwen.

In Zukunft wollen die Forschenden ihre Methoden auch auf das Gruppenverhalten von Menschen anwenden. Wie bewegen wir uns zum Beispiel auf Partys oder bei Massenveranstaltungen? „Ob dafür dann auch die einfache Grenze der Zahl Drei Bestand hat, muss sich zeigen“, so Löwen.

Nicht untersucht wurde in der Fisch-Studie, ob sich die Bewegungsmuster des Schwarms ändern, wenn ein plötzliches Hindernis oder ein Feind auftritt. Solche äußeren Faktoren könnten bei verschiedenen Tierarten unterschiedliche Effekte haben. „Wenn ein Beutejäger in der Nähe ist werden Fische wahrscheinlich panikartig in alle Richtungen verschwinden und der Schwarm ist kein Schwarm mehr“, sagt Löwen. (Nature Communications, 2024; doi: 10.1038/s41467-024-46426-1)

Quelle: Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf

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