Sonnensystem

Rätsel der Sonnenrotation gelöst?

Astronomen entdecken den Antrieb für die differenzielle Rotation des Sonnenplasmas

Solare Schwingungen
Großräumige Schwingungen in den hohen Breiten der Sonne spielen eine entscheidende Rolle für ihre differenzielle Rotation.© MPI für Sonnensystemforschung/ Y. Bekki

Rätsel gelöst? Die Sonne rotiert an ihrem Äquator schneller als an den Polen – und dieser Unterschied ist größer als er sein dürfte. Aber warum? Die Antwort darauf könnten Astronomen jetzt gefunden haben. Demnach existieren im hohen Norden und Süden der Sonne riesige, schnelle Schwingungswirbel, die die Temperaturverteilung des Sonnenplasmas regulieren: Sie transportieren Hitze von den Polen zum Äquator und treiben dann dort die schnellere Rotation des Plasmas an, wie die Forscher in „Science Advances“ berichten.

Die Sonne ist nicht nur ein glühender Feuerball, auf ihr laufen ziemlich komplizierte Prozesse ab. So bilden zwei großräumige Umwälzströme im solaren Plasma den Taktgeber für den elfjährigen Sonnenzyklus, andere Konvektionsströmungen beeinflussen das solare Magnetfeld und das Auf und Ab des brodelnden Sonnenplasmas. Auch die gewaltigen Plasmaeruptionen der Sonne werden von Plasmaschwingungen geformt. 2018 entdeckten Sonnenforscher zudem eine Art Rossby-Wellen auf der Sonnenoberfläche – riesige wirbelförmige Plasmawellen, die über den halben Stern reichen.

Differenzielle Rotation
Die Sonne rotiert nicht überall gleich schnell. Die Linien zeigen die Rotation in verschiedenen Breitengraden und Tiefen. © Global Oscillation Network Group/ CC-by-sa 3.0

Widerspruch zur Theorie

Jetzt liefert einer dieser Prozesse die mögliche Antwort auf ein seit Jahrzehnten bestehendes Rätsel. Das Innere der Sonne rotiert nicht überall mit der gleichen Geschwindigkeit, sondern zeigt je nach Breitengrad eine differenzielle Rotation: An den Polen der Sonne benötigt das Plasma rund 34 Tage für einen Umlauf, am Äquator dagegen nur 24 Tage. Diese Unterschiede im Rotationstempo beschränken sich nicht auf die oberflächlichen Schichten, sondern reichen bis rund 200.000 Kilometer tief in das Sonneninnere hinab. Sie gelten als prägend für das solare Magnetfeld und viele weitere Prozesse.

Das Problem jedoch: Das Ausmaß der differenziellen Rotation der Sonne widerspricht gängigen Modellen. Warum, ist bislang unklar. Einer Theorie nach könnten aber geringe Temperaturunterschiede zwischen den solaren Polen und dem Äquator dabei eine Rolle spielen. „Unglücklicherweise ist diese vom Breitengrad abhängige Temperaturdifferenz zu gering, um durch direkte Beobachtung messbar zu sein“, erklären Yuto Bekki und seine Kollegen vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung in Göttingen. Denn der Blick ins tiefe Sonneninnere wird durch die Millionen Grad heißen Sonnenkorona erschwert.

Langperiodische, aber schnelle Schwingungen

Doch dieses Problem haben Bekki und sein Team nun gelöst. Bei ihren Analysen von Daten des NASA-Sonnensatelliten Solar Dynamics Observatory (SDO) stießen sie auf ein neues Phänomen im Strömungsmuster des solaren Plasmas: Neben den schon bekannten Rossby-Wellen in der Äquatorregion der Sonne gibt es auch an den solaren Polen langperiodische Schwingungen. Sie werden als große Wirbelströme an der Sonnenoberfläche sichtbar.

Wie nun Bekki und sein Team entdeckten, spielen diese langperiodischen Strömungen eine entscheidende Rolle für die Temperaturverteilung und damit auch die differenzielle Rotation des Sonnenplasmas. Als sie die Beobachtungsdaten in astrophysikalischen Modellen nachvollzogen, zeigte sich, dass vor allem die schnellen, an den Polen rund 70 Kilometer pro Stunde schnellen Strömungen weitreichende Auswirkungen haben.

„Der Abgleich der nichtlinearen Simulationen mit den Beobachtungen ermöglichte es uns, die Physik der langperiodischen Schwingungen und ihre Rolle bei der Steuerung der differenziellen Rotation der Sonne zu verstehen“, erklärt Bekki.

So würden die in den polaren Breiten der Sonne auftretenden langperiodischen Schwingungen klingen.© MPI für Sonnensystemforschung

Temperaturgradient treibt Rotationsmuster

Es zeigte sich: Diese langperiodischen Schwingungen transportieren Wärme von den Sonnenpolen zum Äquator. Denn anders als auf der Erde sind die Pole der Sonne heißer als ihr Äquator. Die neu entdeckte schnelle Strömung sorgt so dafür, dass der Temperaturunterschied zwischen solaren Polen und Äquator immer bei knapp sieben Grad bleibt. Der Clou daran: Dieser Gradient ist laut den Modellen optimal, um die differenzielle Rotation des Sonnenplasmas anzutreiben.

„Der geringe Temperaturunterschied zwischen den Polen und dem Äquator steuert die Drehimpulsbilanz in der Sonne und ist damit ein wichtiger Rückkopplungsmechanismus für die globale Dynamik der Sonne“, erklärt Seniorautor Laurent Gizon vom MPI für Sonnensystemforschung. In den Simulationen entsprachen die durch die langperiodischen Schwingungen und den Temperaturgradienten verursachten Rotationsmuster ziemlich genau denen, die auf der Sonne beobachtet wurden.

„Wir schließen daraus, dass die Schwingungsmoden der hohen Breiten die differenzielle Rotation der Sonne erklären“, konstatieren die Forscher. Ob dies auch für andere, noch schneller rotierende Sterne gilt, ist nun eine der Fragen, die es als nächstes zu klären gilt. (Science Advances, 2024; doi: 10.1126/sciadv.adk5643)

Quelle: Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung

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