Wie zerbrochenes Eis: Traditionelle chinesische „Eisstrahlen“-Fenstergitter sehen nicht nur spektakulär aus, sondern besitzen auch besondere statische Eigenschaften, wie ein Forscher nun ermittelt hat. Weil die geometrischen Formen der Gitter zufällig und asymmetrisch entstehen, können sie hohen Belastungen standhalten. Erlebt das historische Design dadurch in Zukunft ein Comeback als Grundgerüst für Dächer und Kuppeln?
Architektur sollte im Idealfall sowohl ästhetisch als auch funktional sein. Um das zu erreichen, greifen Architekten auch auf Designs und Baustile aus der Vergangenheit zurück. So wurde etwa an einigen Orten Lehm als Baumaterial wiederentdeckt. Er kann umweltfreundlich gewonnen und entsorgt werden und erzielt außerdem gute Dämmwerte. Wer es aber lieber etwas feiner und eleganter mag, der kann sich stattdessen von traditionellen chinesischen Fenstergittern inspirieren lassen, den sogenannten „Binglei“ oder Eisstrahlengittern.
Fenstergitter aus schmelzendem Eis
Wie der Name bereits verrät, sollen Eisstrahlengitter an die komplizierten Muster von zerbrochenem Eis beziehungsweise glasierten Keramikoberflächen erinnern. Sie stehen symbolisch für das Schmelzen des Eises und den nahenden Beginn des Frühlings. Auf den ersten Blick sehen die Gitter chaotisch und wahllos angeordnet aus, doch ihnen liegen simple geometrische Regeln zugrunde, wie Iasef Md Rian von der Xi’an Jiaotong-Liverpool University nun erstmals wissenschaftlich ermittelt hat.
Die Idee zu seinem Forschungsvorhaben kam Rian bei einem Spaziergang durch die Gärten der chinesischen Stadt Suzhou. „Chinesische Gärten haben eine natürlichere Anordnung in ihrem Grundriss und in ihrer Gestaltung. Das Design des Eisstrahlenfensters ist eine der Manifestationen davon“, sagt der ehemalige Architekturprofessor. „Und so war ich sofort motiviert, die den Eisstrahlenmustern zugrunde liegenden geometrischen Prinzipien zu studieren.“