Technik

Atomgitter als Langzeit-Datenspeicher

Fehlstellen in Siliziumkarbid könnten eine dauerhafte und effiziente Datenspeicherung ermöglichen

Datenspeicherung in Siliziumkarbid
Langzeit-Datenspeicherung in Siliziumkarbid. Mithilfe eines Ionenstrahls werden Bits in Form von Gitterfehlstellen erzeugt und mithilfe der laserinduzierten Photolumineszenz wieder ausgelesen. © M. Hollenbach/ H. Schultheiß

Fehlende Atome statt Magnet-Bits: Das diamantähnliche Material Siliziumkarbid könnte die sichere und effiziente Langzeitspeicherung von digitalen Daten ermöglichen – in ihm halten sie Generationen statt nur wenige Jahre bis Jahrzehnte. Als Datenbits dienen dabei mittels Ionenstrahl erzeugte Fehlstellen im Atomgitter des Siliziumkarbids. Der Vorteil: Einprägen und Auslesen geht schnell und benötigt wenig Energie, wie Physiker berichten. Die Speicherdichte liegt bei der einer Blu-Ray Disc und darüber.

Ob Texte, Bilder oder Videos: Die Menschheit produziert immer mehr digitale Daten, die gespeichert und archiviert werden müssen. Pro Jahr fallen inzwischen fast 100 Zettabytes an – ein Zettabyte entspricht einer Trilliarde Bytes. Das Problem jedoch: Die zurzeit gängigen Datenspeicher – Festplatten, Blu-Rays oder Magnetbänder – haben zwar eine relativ hohe Datendichte, halten aber nur wenige Jahre bis Jahrzehnte. Es droht das digitale Vergessen.

„Die begrenzte Speicherzeit aktueller Medien erfordert eine Datenmigration innerhalb weniger Jahre, um Verluste zu vermeiden“, erklärt Seniorautor Georgy Astakhov vom Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR). „Abgesehen davon, dass wir in ewigen Datenmigrations-Prozeduren gefangen sind, erhöht dies den Energieverbrauch erheblich, da bei diesem Prozess eine beträchtliche Menge an Energie verbraucht wird.“

Siliziumkarbid
Siliziumkarbid bildet stabile Atomgitter, die denen des Diamants ähnlich sind. (Si = grau, C = schwarz) Bildunterschrift © gemeinfrei

Atomare Gitter-Fehlstellen als Bits

Deshalb suchen Wissenschaftler schon länger nach neuen Formen der Datenspeicherung, die eine sichere und effiziente Langzeitarchivierung erlauben. Experimentiert wird dafür unter anderem mit Datenspeichern auf Basis von DNA, Peptiden oder Atomen in Kristallgittern. Bei Letzterem setzt nun das Konzept von Astakhov, Erstautor Michael Hollenbach und ihrem Team an. Sie haben einen Langzeit-Datenspeicher entwickelt, bei dem die digitalen Bits und Bytes als Fehlstellen im Atomgitter des Siliziumkarbids (SiC) fixiert sind.

Der Vorteil daran: Siliziumkarbid, auch als Karborund bekannt, ist fast so hart und beständig wie Diamant. Künstlich eingefügte Fehlstellen im Kristallgitter bleiben daher unter normalen Bedingungen lange erhalten. „Das Abschalten von Defekten ist von der Umgebungstemperatur abhängig. Unsere Beobachtungen deuten auf eine Mindest-Archivierzeit von einigen Generationen unter normalen Bedingungen hin“, berichtet Astakhov.

Ionenstrahl als Datenschreiber

Um Siliziumkarbid zum digitalen Datenspeicher zu machen, nutzen die Physiker präzise fokussierte Ionenstrahlen als Datenschreiber. Die Protonen oder Helium-Ionen schlagen gezielt Siliziumatome aus dem Gitter und erzeugen so in drei Dimensionen angeordnete Bits. „Die drei Raumdimensionen und eine zusätzliche vierte Dimension der Intensität werden gesteuert, indem wir die seitliche Position, Tiefe und Anzahl der Defekte variieren“, erklärt Astakhov.

In ihren Tests speicherten die Physiker auf diese Weise einen Text von Galileo Galilei in einem einschichtigen Siliziumkarbidkristall, sowie mehrere Karten erdgeschichtlicher Kontinentlagen übereinander in einem mehrschichtigen Speicherkristall. Die Energie für das Schreiben eines Bits lag dabei bei zehn bis 50 Femtojoule. Zum Vergleich: Optische Datenspeicher benötigen rund das 200-Fache, magnetische und Solid-State-Festplatten zwischen dem Zwei- und Zehnfachen.

Karten-Speicherung
Speichern und Auslesen von Weltkarten in mehreren Schichten eines Siliziumkarbid-Kristalls übereinander. © Hollenbach et al./ Advanced Functional Materials, doi: 10.1002/adfm.202313413, CC-by 4.0

Leuchteffekt ermöglicht das Auslesen

Um die Daten wieder auszulesen, wird der Siliziumkarbid-Kristall mit einem Nahinfrarotlaser angeregt. Dies löst eine Photolumineszenz der Fehlstellen im Gitter aus, deren Leuchten dann mittels Photonendetektor ausgewertet werden kann. Die im Test noch auslesbare Speicherdichte lag für den mehrschichtigen Speicherkristall bei rund zwölf Gigabit pro Quadratzentimeter (Gbit/cm2). Dies entspricht laut den Forschern in etwa der von HD-DVDs oder Blu-Rays.

„Darüber hinaus kann die räumliche Speicherdichte durch fokussierte Elektronenstrahl-Anregung deutlich verbessert werden“, berichtet Astakhov. Diese sogenannte Kathodolumineszenz erlaubt ein noch präziseres Auslesen und kann die Speicherdichte bis auf rund 46 Gbit/cm2 erhöhen. Nach Angaben der Physiker entspricht dies der derzeitigen Rekord-Flächenspeicherdichte eines Prototyp-Magnetbandes, das allerdings eine kürzere Speicherdauer und einen höheren Energieverbrauch aufweist.

Datenspeicher der Zukunft?

Nach Ansicht des Forschungsteams könnte Siliziumkarbid sich demnach gut als Langzeitspeicher für wertvolle digitale Daten eignen. Denn das Material und die vorgestellte Speichermethode ermöglichen eine hohe Ortsauflösung, eine hohe Schreibgeschwindigkeit und eine geringe Energie für die Speicherung eines einzelnen Bits. Wiederbeschreibbar sind solche Kristallspeicher zwar nicht, aber gerade deswegen eignen sie sich gut als Langzeit-Archiv.

„Unser Ansatz ist zudem nicht auf Siliziumkarbid beschränkt, sondern kann auf andere Materialien mit optisch aktiven Gitterdefekten ausgeweitet werden, darunter auch 2D-Materialien wie Wolframsulfid (WS2) und hexagonales Bornitrid (hBN)“, so Hollenbach und seine Kollegen. (Advanced Functional Materials, 2024; doi: 10.1002/adfm.202313413)

Quelle: Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf

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