Psychologie

So bin ich eben

Wie entsteht Persönlichkeit?

Liebevolle Frohnaturen finden schnell Freunde und Partner, unsympathische Faulenzer haben eventuell Probleme im Job die Persönlichkeit kann das ganze Leben beeinflussen. Doch woher kommen die individuellen Charakterneigungen? Die Frage, ob die Charakterzüge in den Genen liegen oder ob diese eher vom sozialen Umfeld beeinflusst werden, ist eine alte Frage der psychologischen Forschung.

Einfluss von Genen stärker als erwartet

Kind in weißem Kleid mit Blumenvase vor sich
Ob Kinder gerne draußen an der frischen Luft spielen oder zu Stubenhockern werden, hängt von verschiedenen Faktoren ab. ©Vanessa Kay/ 500px/ CC-by 3.0 DEED

Mittlerweile ist weitestgehend geklärt, dass beides, Gene und Umfeld, einen Einfluss auf die Persönlichkeit haben. Tatsächlich werden bestimmte Eigenschaften wie beispielsweise Intelligenz eher genetisch beeinflusst, andere sind hingegen stärker vom sozialen Umfeld geprägt. Doch laut Judith Rich Harris, Autorin des Buches „Ist Erziehung sinnlos?“ werden in der Forschung die Auswirkungen der Gene auf die Ausbildung der Persönlichkeit häufig unterschätzt, die der elterlichen Erziehung eher überschätzt: Rund die Hälfte der Persönlichkeitsmerkmale von Eltern werden ihren Angaben nach an die Kinder vererbt. 

Schläfrig, fröhlich, eigensinnig wer schon einmal mit einem Säugling interagiert hat, weiß, dass auch Babys bereits eine individuelle Persönlichkeit haben. Allerdings ist diese noch nicht so stabil wie bei erwachsenen Menschen: „Wir sprechen am Anfang des Lebens aber noch nicht von Persönlichkeit, sondern von frühkindlichem Temperament“, sagt die Entwicklungspsychologin Birgit Elsner von der Universität Potsdam gegenüber der Apotheken Umschau. Typischerweise zeige sich der „echte“ Charakter von Kindern erst im Kindergartenalter oder sogar noch später.  

Frühkindliche Bindungserfahrungen sind essenziell 

Kind sitzt am Fenster und schaut nach draußen
Wer als Kind häufig angeschrien oder vernachlässigt wurde, entwickelt häufig Probleme im Teenager- und Erwachsenenalter. © David de Lossy/ iStock

Dazu prägen auch die Bindungserfahrungen, die Kleinkinder in den ersten zwei Jahren mit ihren primären Bezugspersonen – in der Regel den Eltern – machen, oft ein Leben lang. Das zeigt sich sogar im Gehirn: Wenn Kinder frühkindliche Traumata durchleben mussten, betrifft dies vor allem die Gehirnteile, die mit Umgang mit Stress, Selbstberuhigung, Empathie und Impulshemmung zu tun haben.  

Allerdings reagieren schon Kleinkinder beispielsweise auf schlechte Behandlung oder sogar Misshandlung zutiefst unterschiedlich. Während viele der geschädigten Kinder zu Problemkindern werden und stehlen, stänkern oder anderweitig in Schwierigkeiten geraten, kommen andere, die eine ähnlich problematische oder sogar eine noch schlimmere Kindheit hatten, gut zurecht, haben als Erwachsene etwa einen festen Job, sind sozial eingebunden und psychisch stabil.  

Umwelt und Gene beeinflussen sich gegenseitig 

Als Grund hierfür wird wiederum das angeborene Temperament beziehungsweise die Persönlichkeit eines Kindes angeführt. Während ein robustes Kind stressige bis traumatische Erfahrungen eventuell gut wegsteckt, leiden von Natur aus sensiblere Jungen und Mädchen länger an den Folgen. Das veranlagte Temperament der Kleinkinder ist wie ein Vordruck für unsere Persönlichkeit. In welche Richtung die Reise danach geht, beeinflussen jedoch auch die späteren Erfahrungen. 

Ohnehin ist es eher so, dass sich die Faktoren untereinander beeinflussen. „Umwelt und Gene dürfen nicht als Gegensatz angenommen werden, sie korrelieren miteinander“, sagt dazu der Berliner Psychologe Jens Asendorpf gegenüber DasGehirn.info. Während beispielsweise Gene bei Kindern etwa 30 Prozent der Variabilität der Intelligenz beeinflussen, steigt sie bei Rentnern auf 70 Prozent. Der Grund: Intelligente Menschen suchen sich ein intelligentes Umfeld – dadurch entwickelt sich ein selbstverstärkender Effekt auf angeborene Eigenschaften.  

Baby liest ein Buch über das Weltall
Manche Babys werden schon in frühen Jahren zu Nerds. © Steve Jurvetson/ A Proper Spacebook for babies/ CC-by 2.0 DEED

Soziale Erwartungen prägen früh 

Auch soziale Erwartungen prägen den Charakter von Kindern. Wir verhalten uns oft so, wie andere es von uns unbewusst erwarten. So zeigen Studien, dass Väter in der Gegenwart ihrer Töchter vermehrt Worte nutzten, die negative Emotionen ausdrücken, wie „weinen“ oder „einsam“. Bei der Interaktion mit ihren Söhnen prägte dagegen ein eher leistungsorientiertes Vokabular mit Worten wie „super“, „der Beste“ oder „gewinnen“ die Interaktion 

„Der Geschlechter-Bias bei der Erziehung könnte zum einen völlig unbewusst passieren“, sagt dazu James Rillingvon der Emory University in Atlanta. „Zum anderen könnten Eltern aber auch gezielt versuchen, ihr Kind so zu erziehen, dass es den sozialen Erwartungen entspricht – in dem Glauben, dass ihnen das im späteren Leben nützen wird.“

Weil derartige bewusste und unbewusste Erwartungshaltungen nicht nur in Bezug auf die verschiedenen Geschlechter existieren, sondern auch bei unterschiedlichen sozialen Einkommensschichten oder Nationalitäten, werden Kinder stark davon geprägt.

Auch andere Erwartungen der Mütter und Väter können die Persönlichkeit der Kinder beeinflussen. Je nachdem, ob Eltern ihren Kindern besonders viel zutrauen oder sie für hilflos halten, ihrem Kind eine starke soziale Ader unterstellen oder sie grundlos für schüchtern halten, werden die Kinder oft entsprechend handeln. 

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Was glaubst du eigentlich, wer du bist?
Der Einfluss der Persönlichkeit

So bin ich eben
Wie entsteht Persönlichkeit?

Die Vermessung der Eigenschaften
Wie Persönlichkeitstests den Charakter erklären sollen

Besorgte Menschen hören Punk und Metal
Welchen Einfluss hat die Persönlichkeit auf den Lebensweg und Vorlieben?

Vom wilden Rebellen zum liebevollen Opa
Wie sich Persönlichkeit im Lauf des Lebens ändert

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Kann man seinen Charakter aktiv verändern?

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