Verhaltensforschung

Wie Termiten ihre riesigen Nester bauen

Teamwork der genialen tierischen Architekten enthüllt

Termitennest
Wie koordinieren sich tausende oder gar Millionen von Termiten beim Nestbau? © Andrea Perna

Tierische Baumeister: Termitennester gehören zu den komplexesten Bauten im Tierreich und sind sogar mit einer Art Klimaanlage ausgestattet. Jetzt ist auch klar, wie sich die winzigen Bauarbeiter untereinander koordinieren, um die teils meterhohen Strukturen zu errichten. Eine entscheidende Rolle spielt demnach der Grad der Luftfeuchtigkeit, der von den verschiedenen Bereichen der Baustelle ausgeht. Er liefert den sechsbeinigen Baumeistern die entscheidenden Informationen, wie Biologen herausgefunden haben.

Termiten gehören zu den besten Architekten im Tierreich. Die Nester mancher Arten können über fünf Meter hoch werden und aus 50 Tonnen Erde bestehen. Doch Termitennester sehen nicht nur eindrucksvoll aus, sondern sind auch mit allerhand High-Tech ausgestattet, darunter ausgeklügelten „Klimaanlagen“, die Frischluft bis ins Nestinnere transportieren. Aber wie gelingen den kleinen Architekten ihre Meisterwerke?

Teamwork wie von Zauberhand

Da am Bau eines einzigen Nests mehrere Millionen Termiten-Arbeiter beteiligt sein können, stellt sich vor allem die Frage nach der Koordination dieses Teamworks. Anders als menschliche Architekten können die kleinen Insekten schließlich keine maßstabsgetreuen Bauzeichnungen nutzen oder Team-Meetings abhalten, bei denen sie das weitere Vorgehen besprechen. Vielmehr scheint jeder Termiten-Bauarbeiter von ganz alleine zu wissen, an welche Stelle das nächste Lehmklümpchen gehört.

Die kleinen Insekten müssen sich beim Bau also an irgendetwas in ihrer Umgebung orientieren – zum Beispiel an Pheromonen ihrer Vorarbeiter oder am Aussehen der bisherigen Konstruktionen. In der Fachsprache bezeichnet man eine solche Selbstorganisation ohne umfangreiche Kommunikation auch als Stigmergie. Wie frühere Studien gezeigt haben, könnte diese im Falle der Termiten mit der Krümmung der Lehmstrukturen zusammenhängen, doch die genauen Mechanismen waren lange Zeit unbekannt.

Versuchsaufbau
Eine der lehmigen Versuchsarenen © Giulio Facchini

Turmbau in der Lehmarena

Nun haben Forscher um Giulio Facchini von der britischen University of Roehampton das Mysterium des Termiten-Teamworks neu aufgerollt. Dafür bauten sie zunächst kleine Arenen und errichteten darin unterschiedlich hohe Strukturen aus feuchtem Lehm. In einem nächsten Schritt zogen dann Termiten der Art Coptotermes gestroi in die Arenen ein und Facchini und sein Team beobachteten, wie die Insekten die vorgefertigten Strukturen mit der Zeit veränderten.

Dabei zeigte sich den Forschern ein ähnliches Bild wie bereits in früheren Studien: Die Termiten platzierten neue Lehmkügelchen bevorzugt an den Stellen mit der höchsten Krümmung. Im Laufe der Zeit entstanden dadurch aus den vorgebauten Strukturen schließlich solide und komplexe Türme, die den natürlichen Nestern einiger Arten ähnelten.

Luftfeuchtigkeit weist den Weg

Doch wie Facchini und seine Kollegen herausgefunden haben, sind es nicht die Krümmungen an sich, die den sechsbeinigen Bauarbeitern ein non-verbales Zeichen geben, sondern die erhöhte Wasserverdunstung, die von diesen Stellen ausgeht. Im Experiment wurde diese sichtbar, indem die Forscher den Lehm mit einer Salzlösung aus Natriumbicarbonat imprägnierten. An den Stellen mit der höchsten Verdunstungsrate lagerten sich große Mengen Salzkristalle ab – und es waren genau jene Stellen, an denen die Termiten am fleißigsten werkelten.

„Termiten reagieren sehr empfindlich auf Luftfeuchtigkeit: Im Gegensatz zu den meisten anderen Insekten haben sie ein dünnes Exoskelett und eine weiche Haut, sodass selbst eine längere Einwirkung einer Luftfeuchtigkeit von unter 70 Prozent für sie tödlich sein kann“, erklärt Seniorautor Andrea Perna, ebenfalls von der University of Roehampton. Indem die Termiten dieses feine Gespür für Feuchtigkeit und Verdunstung auch beim Nestbau nutzen, können sich selbst große Bautrupps problemlos untereinander koordinieren.

Die Selbstorganisation der kleinen Architekten verläuft dabei deutlich simpler als bislang angenommen: „Die Termiten müssen nur je nach der örtlichen Luftfeuchtigkeit Materialpellets hinzufügen. Die Pellets, die sie hinzufügen, verändern wiederum das gesamte Muster der Verdunstung und der Luftfeuchtigkeit, was andere Termiten dazu veranlasst, an einem anderen Ort zu bauen, und so weiter, bis sehr komplexe Strukturen entstehen“, fasst Perna zusammen. (eLife, 2024; doi: 10.7554/eLife.86843.4

Quelle: IMT School for Advanced Studies Lucca

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