Das auffallendste Merkmal des Pluto ist das helle „Herz“ auf seiner Oberfläche. Jetzt könnten Planetenforscher geklärt haben, wie diese Region und ihre Tiefebene Sputnik Planitia entstanden sind. Ursache war demnach der schräge, langsame Einschlag eines rund 700 Kilometer großen Objekts aus Eis und Gestein. Doch die charakteristische Herzform mit schmal ausgezogener Spitze kommt nur dann zustande, wenn Pluto im Inneren relativ fest ist. Was aber heißt dies für den unter der Plutokruste vermuteten Ozean?
Schon die ersten Aufnahmen der NASA-Raumsonde New Horizons zeigten ein riesiges, helles Herz auf der Oberfläche des Pluto. Diese herzförmige Struktur, Tombaugh Regio, reflektiert wegen ihrer Schicht gefrorenen Stickstoffs besonders viel Sonnenlicht, sie gilt zudem als Motor für die Winde des Zwergplaneten. In der Westhälfte des Herzens, der Ebene Sputnik Planitia, bildet das Stickstoffeis zudem dicke, auffallend eckige Schollen. Diese Tiefebene ist rund 1.200 Kilometer breit und rund 2.000 Kilometer lang.
Schuf ein Einschlag das Herz?
Doch wie kam dieses Herz zustande? Erste Hinweise darauf liefert die Form der Eisebene Sputnik Planitia: Sie liegt drei bis vier Kilometer tiefer als der größte Teil der restlichen Pluto-Oberfläche und ist länglich ausgezogen. Damit deutet diese Senke auf einen potenziell katastrophalen Ursprung hin: „Die quasi-elliptische Form dieser Ebene und ihr gebirgiger Rand ähneln einem degradierten Einschlagsbecken“, erklären Harry Ballantyne von der Universität Bern und seine Kollegen.
Schon länger spekulieren Planetenforscher daher, ob das Herz des Pluto durch einen Einschlag entstanden ist. Bisherige Simulationen konnten jedoch Größe und Flugbahn des potenziellen Impaktors nur zweidimensional und grob nachvollziehen. Das Team um Ballantyne hat nun die möglichen Szenarien erstmals mithilfe eines speziellen 3D-Modells untersucht. Mit ihm testeten sie die Folgen verschiedener Kombinationen von Geschwindigkeit, Einschlagswinkel und Zusammensetzung des Asteroiden. Seine Größe setzten sie auf 400 bis 1.200 Kilometer.
Auch den inneren Aufbau des Pluto variierten die Forscher bei ihren virtuellen Einschlagstests. „Unsere Simulationen umfassten sowohl Pluto-Varianten mit festem Eismantel und Gesteinskern als auch Varianten mit subglazialen Ozeanen„, erklärt das Team.
Großer Brocken, schräger langsamer Aufprall
Das Ergebnis: Die beste Übereinstimmung mit der Form und Tiefe von Sputnik Planitia erbrachte ein Einschlag, bei dem ein rund 700 Kilometer großer Brocken im schrägen Winkel von 15 bis 30 Grad und mit eher geringer Geschwindigkeit auf die Pluto-Oberfläche prallt. „Die längliche Form von Sputnik Planitia deutet stark darauf hin, dass es sich nicht um einen direkten Frontalaufprall, sondern um einen Schrägaufprall handelte“, sagt Seniorautor. Martin Jutzi von der Universität Bern.
Der kosmische Brocken war etwa so schwer wie der Asteroid Vesta im Asteroidengürtel und bestand wahrscheinlich vorwiegend aus Eis. Sein Gesteinskern macht nur rund fünf bis 30 Prozent seiner Gesamtmasse aus, wie die Simulation nahelegt. „Der Impaktor schlägt ein Loch in den Mantel der Einschlagsstelle und produziert einen elliptischen, transienten Krater“, berichten die Wissenschaftler. Dann wird dieser Krater vom nach innen einfallenden Impaktoreis teilweise wieder aufgefüllt.
Impaktor-Relikt unter der Herzspitze
„Das Resultat ist eine Form, die der von Sputnik Planitia bemerkenswert ähnelt“, sagen Ballantyne und seine Kollegen. Der rundlichere Nordteil entstand beim ersten Auftreffen des Brockens, der schmal zulaufende südliche Teil wurde dagegen vom festen, schweren Kern des Brockens gebildet. „Der Impaktor-Kern raste durch den Mantel des Pluto, bis er auf dessen Kern zum Stillstand kam“, so das Team.
Der größte Teil des steinernen Impaktor-Kerns könnte daher noch heute unter der Südhälfte von Plutos „Herz“ liegen. „Plutos Kern ist so kalt, dass das Gestein sehr hart blieb und trotz der Hitze des Einschlags nicht schmolz. Und dank des schrägen Einschlagwinkels und der geringen Geschwindigkeit sank der Kern des Einschlagkörpers nicht in Plutos Kern ein, sondern blieb auf ihm liegen“, erklärt Ballantyne.
Doch kein Ozean im Inneren?
Interessant auch: Die Form des Herzens und der Eisebene Sputnik Planitia kam in der Simulation nur dann zustande, wenn die Forscher von einem Pluto ohne größeren Ozean unter der Kruste ausgingen. Ihren Szenarien nach dürfte diese flüssige bis halbflüssige Wasserschicht höchstens rund 50 Kilometer dick sein. Je nach Anteil von Ammoniak im Eismantel des Pluto könnte der Ozean sogar ganz fehlen: „Wenn der Einfluss des Ammoniaks vernachlässigbar ist, hätte Pluto gar keinen flüssigen Ozean unter der Oberfläche“, so das Team.
Offen ist ebenfalls noch, wie die Osthälfte von Plutos Herz entstand. Sie ist ebenfalls von Stickstoffeis bedeckt, aber diese Schicht ist deutlich dünner und das Terrain unebener. Ballantyne und seine Kollegen vermuten jedoch, dass auch dieses Gebiet durch den Einschlag geprägt wurde. Wie genau, muss nun noch geklärt werden. (Nature Astronomy, 2024; doi: 10.1038/s41550-024-02248-1)
Quelle: Universität Bern