Hauchdünner Schatz: Chemikern ist es erstmals gelungen, eine zweidimensionale Goldschicht zu erzeugen – sie besteht aus nur einer einzigen Lage von Goldatomen. Ähnlich wie Graphen weist auch dieses „Golden“ getaufte 2D-Gold neuartige Eigenschaften auf. Es könnte vor allem als hocheffektiver Katalysator beispielsweise für die CO2-Umwandlung und Wasserstofferzeugung dienen, wie das Team in „Nature Synthesis“ berichtet. Entdeckt haben sie die Methode zur Erzeugung des 2D-Golds durch einen glücklichen Zufall.
Gold besitzt von Natur aus besondere Eigenschaften: Es ist extrem beständig und reaktionsscheu, gut formbar und trotzdem stabil. Noch spannender wird es jedoch, wenn man Gold in winzige Einheiten zerlegt: Als Gold-Nanopartikel entfaltet das Edelmetall weitere, teils exotische neue Fähigkeiten. Es kann fast jede Strahlung schlucken, Kohlendioxid umwandeln und als effizienter Katalysator die Wasserstoff-Produktion ankurbeln. Auch in der Medizin werden Gold-Nanopartikel schon eingesetzt.
Geht Gold auch in 2D?
Doch eine Variante des Goldes fehlte bisher: eine zweidimensionale, nur eine Atomlage dünne Schicht. Analog zum zweidimensionalen Kohlenstoffgitter des Graphens wird dieses 2D-Gold „Golden“ genannt. Weil die Goldatome in dieser einlagigen Schicht zwei freie „Ärmchen“ für Bindungen aufweisen, ist das einlagige Gold deutlich reaktionsfreudiger als normal und müsste auch neue elektrische Eigenschaften aufweisen.
„Wenn man ein Material extrem dünn macht, passiert etwas Außergewöhnliches – wie beim Graphen“, erklärt Erstautor Shun Kashiwaya von der Universität Linköping in Schweden. „Das gleiche ist beim Gold der Fall. Obwohl Gold normalerweise ein Metall ist, kann eine einlagige Goldatomschicht beispielsweise zum Halbleiter werden.“ Doch bisher scheiterten Chemiker daran, eine solche 2D-Goldschicht herzustellen, weil Goldatome bevorzugt zusammenklumpen. 2019 gelang es aber immerhin, eine nur zwei Atomlagen dicke Goldfolie zu erzeugen.
Zufalls-Entdeckung im Labor
Jetzt ist es endlich gelungen: Das Team um Kashiwaya hat erstmals eine Methode gefunden, um zweidimensionales Gold herzustellen – durch Zufall. „Wir hatten das Ausgangsmaterial eigentlich mit einem ganz anderen Ziel erstellt“, berichtet Seniorautor Lars Hultman von der Universität Linköping. Das Siliciumcarbid – ein Kristall aus abwechselnden Silizium- und Kohlenstoffschichten – sollte in Kombination mit Titan als elektrisch leitfähige Keramik zum Einsatz kommen. Als Kontaktfläche wollten die Chemiker das Siliciumcarbid mit Gold beschichten.
„Aber als wir dann diese Kombination höheren Temperaturen aussetzten, wurde die Siliciumschicht im Inneren des Materials durch Gold ersetzt“, berichtet Hultman. Es entstand eine nur eine Atomlage dicke Goldschicht, die jeweils zwischen zwei Titanschichten lag – Titangoldcarbid.
Rezept japanischer Schmiede
Doch damit stellte sich die Frage, wie man diese Goldschicht aus ihrer Titan-Kohlenstoff-Umhüllung herausbekommt. An diesem Punkt kam den Forschern eine mehr als hundert Jahre alte Technik japanischer Schmiede zu Hilfe. Diese nutzen ein spezielles Ätzmittel, das sogenannte Murakami-Reagenz, um Kohlenstoffreste am Stahl der Messer- und Schwertklingen wegzuätzen. Das Reagenz besteht aus einer Mischung von Kaliumferricyanid und Kaliumhydroxid.
„Ich versuchte verschiedene Konzentrationen der Murakami-Reagenz und ließ sie unterschiedlich lange einwirken – Tage, Wochen oder Monate“, berichtet Kashiwaya. „Wir stellten dabei fest, dass das Ergebnis umso besser war, je länger der Ätzprozess andauerte und je schwächer die Konzentration der Lösung war.“ Aber damit die Goldschicht aus dem „Sandwich“ befreit wurde, brauchte es noch einen zusätzlichen Kniff: Wie das Team herausfand, muss die Ätzreaktion in völliger Dunkelheit stattfinden. Nur dies verhindert, dass die Lösung das Gold gleich mit auflöst.
Dann endlich war es soweit: Die einlagigen Goldschichten lag frei. „Das Golden schwimmt in der Lösung, ein wenig wie Cornflakes in der Milch“, erklärt Kashiwaya. „Mit einer Art Sieb können wir dann die Goldschichten einfangen und mithilfe eines Elektronenmikroskops untersuchen. Das bestätigte uns, dass wir es tatsächlich geschafft hatten.“
Exotische Eigenschaften und neue Anwendungen
Zum ersten Mal ist es damit gelungen, eine nur eine Atomlage dünne Goldfolie herzustellen. Damit sich diese 2D-Schichten nicht aufrollen oder wieder zusammenlagern, stabilisieren die Chemiker sie mit einem langkettigen Tensid. „Zwar zeigen ab-initio-Simulationen, dass zweidimensionales Golden im Prinzip stabil ist, aber im Experiment zeigen sich Wellungen und eine Agglomeration, die aber durch dieses Tensid verhindert werden kann“, berichtet das Team.
Die neue 2D-Form des Goldes könnte nun – ähnlich wie beim Graphen – ungewöhnliche Eigenschaften zeigen und damit auch neue Anwendungen ermöglichen. Dazu gehört die Zerlegung von CO2 und seine Umwandlung in andere Moleküle, aber auch die katalytische Erzeugung von Wasserstoff durch die Spaltung von Ameisensäure oder Wasser. Auch für die Wasserreinigung, in der Elektronik und vielen weiteren Bereichen könnte sich das Golden künftig als nützlich erweisen, wie die Chemiker erklären. (Nature Synthesis, 2024; doi: 10.1038/s44160-024-00518-4)
Quelle: Linköping University