Dieses Gebilde aus schillerndem Türkis, Violett und Rosa erinnert zwar auf den ersten Blick an eine Knopfleiste oder an die Sprossen einer Leiter, doch es handelt sich dabei in Wirklichkeit um herangezüchtete Gehirnzellen. Neurobiologen ist es nun erstmals gelungen, diese Neuronen künstlich miteinander zu verschalten – so wie es auch in einem echten Gehirn der Fall wäre. Ihnen könnte damit ein Meilenstein der Hirnforschung geglückt sein.
Unser Gehirn gilt als komplexestes Organ, das die Natur jemals hervorgebracht hat. Es besteht aus rund 100 Milliarden Nervenzellen, die auf besondere Weise miteinander verschaltet sind und uns dadurch erstaunliche kognitive Fähigkeiten verleihen. Um das Wunderwerk Hirn genauer zu erforschen, wäre es daher praktisch, Mini-Versionen davon im Labor heranzüchten zu können. Tatsächlich haben Wissenschaftler bereits solche Hirn-Organoide erzeugt. Doch die Verbindung mehrerer dieser Organoide – analog zur Verschaltung verschiedener Hirnareale in unserem Denkorgan – erwies sich bisher als nahezu unmöglich.
Erste Neuronen-Verschaltung im Labor
Jetzt ist es Forschenden um Tatsuya Osaki von der Universität Tokio erstmals gelungen, im Labor gezüchtete Hirnzellen kontrolliert miteinander zu verschalten und so das komplizierte Neuronengeflecht des Gehirns nachzuahmen. Als Bausteine für dieses Mini-Netzwerk nutzte das Team neuronale Organoide: experimentelles Modellgewebe, in dem menschliche Stammzellen zu dreidimensionalen, hirnähnlichen Strukturen herangezüchtet wurden.
Die Verbindungen zwischen den verschiedenen Organoiden schufen Osaki und seine Kollegen dann, indem sie deren Axone miteinander verknüpften – die langen, schmalen Zellfortsätze, mit denen Nervenzellen auch sonst in Kontakt zu ihren Nachbarn stehen. Durch die Verknüpfung der Axone entstanden schließlich über 100 Mikrometer dicke Axonalbündel zwischen den Hirnzellen. Die Aufnahme zeigt diese Bündel als verbindende Stränge zwischen den kugeligen Zellkörpern.
Komplexe, gehirnähnliche Aktivität gemessen
„In einzelnen neuronalen Organoiden zeigen die Zellen eine relativ einfache elektrische Aktivität“, berichtet Koautor Tomoya Duenki, ebenfalls von der Universität Tokio. Aber: „Als wir zwei neuronale Organoide mit Axonalbündeln verbanden, konnten wir sehen, wie diese bidirektionalen Verbindungen dazu beitrugen, Aktivitätsmuster zwischen den Organoiden zu erzeugen und zu synchronisieren, was eine gewisse Ähnlichkeit mit Verbindungen zwischen zwei Regionen im Gehirn aufweist.“ Die Aktivität des Modellgewebes wurde durch die Verknüpfung also deutlich komplexer.
In Zukunft hoffen die Forschenden, mit ihrer Methode mehr über die Funktionsweise unseres Gehirns und die Rolle komplexer neuronaler Netzwerke lernen zu können. Diese Netzwerke ermöglichen uns einige zentrale Fähigkeiten wie Sprache und Emotionen. Auch könnte die Forschung Menschen helfen, bei denen eine „falsche Verschaltung“ zu neurologischen und psychiatrischen Krankheiten führt. (Nature Communications, 2024; doi: 10.1038/s41467-024-46787-7)
Quelle: Universität Tokio