Die rätselhaften Teilchen aus dem BESIII-Experiment und andere Kandidaten-Ereignisse aus Teilchenbeschleunigern liefern erste vielversprechende Hinweise darauf, dass es die bisher nur theoretisch postulierten Gluonballs tatsächlich geben könnte.
Mehr als nur eine Sorte
Allerdings dürfte der Nachweis dieser Gluonengebilde nicht einfach sein. Erschwerend kommt hinzu, dass theoretisch viele verschiedene Gluebälle geben könnte, die zum Beispiel einen unterschiedlichen Spin haben müssten. Als Spin bezeichnet man den Eigendrehimpuls eines Teilchens. Das BESIII-Experiment kann allerdings nur Gluebälle mit niedrigem Spin hervorbringen. Denn in dem Beschleuniger prallen zwei Teilchen – Elektron und Positron – aufeinander, die beide einen Spin von ½ besitzen, zusammengenommen also 1.
Diese Spinzahl muss nach der Kollision erhalten bleiben, was den möglichen Spin des erzeugten Glueballs limitiert. Auch wenn das BESIII-Experiment damit nur eingeschränkte Möglichkeiten bei der Glueball-Suche bietet, wird es Ulrich Wiedner nicht langweilig, in den Daten nach neuen Teilchen zu fahnden. „Das macht sehr viel Spaß – und in den Daten, die wir gerade analysieren, sehen wir Merkwürdigkeiten“, verrät der Physiker. „Wir wissen nur noch nicht, was sie bedeuten.“ Aber Merkwürdigkeiten sind oft der Anfang einer neuen Teilchenentdeckung.
Ein PANDA als Glueball-Fahnder
Auch wenn es mit BESIII wohl nicht gelingen wird, Gluebälle zweifelsfrei zu identifizieren: Eine Anlage, mit der dies möglich sein könnte, steht schon in den Startlöchern. Am GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung in Darmstadt läuft der Bau des neuen FAIR-Teilchenbeschleunigers. Er kann Teilchenstrahlen verschiedenster chemischer Elemente und Ionen beschleunigen und auch Antiprotonen liefern.
Kernstück für die Glueball-Fahndung ist dabei das Experiment PANDA (antiProton ANnihilation at DArmstadt). In diesem 70 Tonnen schweren und zwei Stockwerke hohen Detektor sollen sich künftig Protonen und ihre Antiteilchen, die Antiprotonen, gegenseitig vernichten – ein weltweit einzigartiges Experiment, das keinerlei Spin-Limitationen hätte. Das PANDA-Experiment kann bei diesen Kollisionen 100 Millionen Teilchenspuren pro Sekunde auf 50 Mikrometer genau vermessen.
Verzögerung im Bau
Ulrich Wiedner hofft, dass hier der Nachweis verschiedener Gluebälle gelingen wird. Für ihn persönlich wird PANDA aber wohl zu spät kommen und erst nach seiner Pensionierung den Betrieb aufnehmen. Denn die Inflation hat die Preise für den Bau des Beschleunigers in unerwartete Höhe getrieben. Hinzu kommt, dass Russland sich mit 20 Prozent der Kosten beteiligen wollte, was durch den Angriffskrieg in der Ukraine und die damit verbundenen Sanktionen unrealistisch geworden ist. Der Bau der Anlage ist daher ins Stocken geraten.
Ganz bestimmt wird Ulrich Wiedner aber auch nach seiner Pensionierung weiterverfolgen, welche neuen Teilchen PANDA in Zukunft zutage fördern wird. Und vielleicht werden die Gluebälle gefunden, wenn er an einem schönen Frühlingsmorgen auf den Balkon hinaustritt und gerade ein wenig klarer geworden ist, wie Materie zusammenhält und warum der Boden unter seinen Füßen fest ist.