Medizin

Hirndoping nimmt weiter zu

Koffein und Energydrinks rangieren ganz vorn, aber auch Medikamente kommen zum Einsatz

Hirndoping
Wie viele Menschen in Deutschland nehmen Mittel zur Steigerung ihrer geistigen Leistungen? © Henrik5000/ iStock

Ob Energydrink, Koffeintabletten oder Ritalin: Immer mehr Menschen in Deutschland nehmen Mittel zur Steigerung ihrer geistigen Leistung oder Wachheit, wie eine Studie aufzeigt. Demnach haben rund 70 Prozent der Untersuchten mindestens einmal im letzten Jahr solche Neuro-Enhancer eingenommen – am häufigsten Koffeinhaltiges, aber auch andere Wirkstoffe. Verschreibungspflichtige Mittel wie Ritalin, Modafinil oder Antidepressiva sind vor allem bei jungen Erwachsenen und älteren Menschen verbreitet.

Sie sollen wachhalten, beim Lernen helfen und die Konzentration stärken: Medikamente wie das Narkolepsie-Mittel Modafinil oder das eigentlich gegen ADHS verschriebene Methylphenidat (Ritalin) gelten als Neuro-Enhancer. Sie können – ähnlich wie Koffein oder einige andere frei erhältliche „Wachmacher“ – die geistigen Leistungen stärken und Konzentration, Wachheit oder Gedächtnis fördern. Allerdings zeigen Studien auch, dass dieses „Hirndoping“ keineswegs immer den gewünschten Effekt bringt. Dennoch nimmt der Trend zur Selbstoptimierung durch Hirndoping immer weiter zu.

22.000 Menschen in Deutschland befragt

Wie stark Menschen in Deutschland aktuell Neuro-Enhancer nutzen, haben nun Sebastian Sattler von der Universität Bielefeld und seine Kollegen untersucht. Dafür werteten sie die Daten von mehr als 22.000 Teilnehmenden unterschiedlichen Alters aus, die dazu eingehend befragt worden waren. Es handelt sich damit um die bislang umfangreichste repräsentative Studie zur Verbreitung von Neuro-Enhancern in Deutschland.

Erfasst wurde, ob und wie häufig die Beteiligten in der Vergangenheit legale Mittel wie Koffein und Koffeintabletten oder Nahrungsergänzungsmittel und Hausmittel zur Steigerung ihrer geistigen Leistungen eingenommen haben. Auch die Einnahme verschreibungspflichtiger Medikamente wie Modafinil, Methylphenidat oder Antidepressiva und Betablockern sowie von illegalen Drogen wie Kokain, Cannabis und Co wurde erfragt.

Fast 70 Prozent setzen auf Koffein

Das Ergebnis: Knapp sieben von zehn Befragten – 69,9 Prozent – hatten in den vergangenen zwölf Monaten mindestens ein Mittel zur Leistungssteigerung genommen. Am häufigsten waren dabei koffeinhaltige Getränke wie Kaffee und Energydrinks: 64,2 Prozent der Befragten gaben an, diese in den vergangenen zwölf Monaten ausdrücklich mit dem Ziel einer Leistungssteigerung konsumiert zu haben. Ebenfalls relativ häufig ist offenbar der Griff zu frei erhältlichen Nahrungsergänzungsmitteln und Hausmitteln wie Gingko-Präparaten – rund 31,7 Prozent nutzen solche Mittel.

Besonders verbreitet sind solche Wachmacher bei Menschen im jungen und mittleren Alter: „Um ihre Leistung zu steigen, konsumieren Menschen im Alter von 35 bis 44 Jahren und jüngere Personen deutlich häufiger koffeinhaltige Getränke und Koffeintabletten als Ältere“, berichtet Seniorautor Guido Mehlkop von der Universität Erfurt.

2,5 Millionen nutzen Medikamente zum Hirndoping

Deutlich geringer ist der Anteil derjenigen, die verschreibungspflichtige Medikamente wie Modafinil, Methylphenidat, Antidepressiva oder Betablocker zur Leistungssteigerung nehmen, obwohl sie gesund sind: 3,7 Prozent der Befragten gaben an, aktuell ohne medizinische Notwendigkeit verschreibungspflichtige Medikamente einzunehmen, was immerhin etwa 2,5 Millionen Nutzenden entspricht. Nach Angaben der Forschenden nutzen demnach etwas mehr Menschen solche Mittel als noch in vorherigen Studien.

„Von diesen Personen gab knapp jede Dritte an, solche Mittel innerhalb eines Jahres sogar 40-mal und häufiger genutzt zu haben“, sagt Sattler. Etwa 40 Prozent der Befragten lehnen zudem eine zukünftige Nutzung solcher Medikamente zur Leistungssteigerung nicht grundsätzlich ab. „Diese Zahl hat uns überrascht. Es scheint eine große Bereitschaft zu geben, Medikamente zur Leistungssteigerung zu nehmen, für die aus medizinischer Sicht kein Bedarf besteht“, so der Forscher.

Nur wenige Befragte – 1,4 Prozent – gaben hingegen zu, illegale Drogen wie Kokain oder Amphetamine eingenommen zu haben. 4,1 Prozent hatten in den vergangenen zwölf Monaten Cannabis eingenommen, vermutlich um durch Stressabbau wieder leistungsfähig zu werden oder auch um die Kreativität anzuregen, wie das Team erklärt. Darunter waren vor allem junge, männliche Erwachsene unter 34 Jahren.

Vor allem bei ganz Jungen und Älteren

Interessant auch: Verschreibungspflichtige Neuro-Enhancer nehmen den Daten zufolge eher ganz junge oder aber ältere Menschen in Deutschland ein. „Wir fragen uns, woran das liegt“, sagt Mehlkop „Bei älteren Personen ließe sich vermuten, dass die geistige Leistung nachlässt und sie dies kompensieren wollen, um weiter die Anforderungen im Job zu erfüllen.“ Bei jungen Erwachsenen wie beispielsweise Studierenden könnte der Leistungsdruck für den Trend zum Hirndoping verantwortlich sein.

Doch längst nicht immer bringt dies den gewünschten Effekt: „Medikamente mit den Wirkstoffen Modafinil oder Methylphenidat, die unter anderem bei Tagesschläfrigkeit und einer Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) verschrieben werden, können auch bei Gesunden einzelne Aspekte der kognitiven Leistung unterstützen „, sagt Koautor Uwe Fuhr von der Uniklinik Köln. „Aber längst nicht alles, was derzeit geschluckt wird, hat die erwünschte Wirkung.“ Zudem können solche Mittel zu Nebenwirkungen wie Übelkeit, Bluthochdruck und Schlafstörungen führen. (Deviant Behavior, 2024; doi: 10.1080/01639625.2024.2334274)

Quelle: Universität Bielefeld

Keine Meldungen mehr verpassen – mit unserem wöchentlichen Newsletter.
Teilen:

In den Schlagzeilen

News des Tages

Skelett eines ungeborenee Kindes

So entstehen die Knochen des ungeborenen Kindes

Astronomen entdecken jüngsten Transit-Planet

Mehr Blackouts durch Wind- und Sonnenstrom?

Parkinson: Wenn mehr Dopamin mehr Zittern bedeutet

Diaschauen zum Thema

Dossiers zum Thema

Bücher zum Thema

Lernen zu lernen - Lernstrategien - sofort anwendbar von Werner Metzig und Martin Schuster

Das kleine Einmaleins des klaren Denkens - 22 Denkwerkzeuge für ein besseres Leben von Christian Hesse

Top-Clicks der Woche