Materialforschung

Photonische Kristalle aus DNA

DNA-Origami macht Erbgutmoleküle zu optisch aktiven Kristallen mit Diamantstruktur

DNA-Kristall
Ein photonischer Kristall mit der Struktur eines Diamanten, aber 500-mal größer – DANN-Origami macht es möglich. © Xin Yin

Erbgut als Baumaterial: Physikern ist es erstmals gelungen, einen photonischen Kristall mit Diamantstruktur aus DNA herzustellen – eine Art Halbleiter für Licht. Ein solcher Kristall kann das sichtbare Licht auf neue Weise manipulieren, brechen oder absorbieren. Die dafür nötige Gitterstruktur entstand mittels DNA-Origami, wie das Team in „Science“ berichtet. Die Fähigkeit des Erbmoleküls zur Selbstorganisation erlaubt dabei die gezielte Konstruktion von Nanostrukturen.

Ob schillernde Schmetterlingsflügel, Mikro-Laser oder neuartige Wellenleiter: Sie alle beruhen auf photonischen Kristallen – Kristallgittern, deren periodische Nanostruktur das Licht auf bestimmte Weise bricht und reflektiert. „Dies macht sie zu einer optischen Entsprechung von Elektronik-Halbleitern und resultiert in bemerkenswerten Effekten wie einer omnidirektionalen Reflexion, der verlustlosen Wellenleitung und der unterdrückten Emission“, erklären Gregor Posnjak von der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) und seine Kollegen.

photonischer Kristal
Photonische Kristalle manipulieren das Licht durch regelmäßige Gitterstrukturen, deren Größe etwa der Licht-Wellenlänge entspricht. © Xin Yin

Das Problem jedoch: Während künstliche photonische Kristalle für den Infrarot-Bereich schon länger existieren, ist die Herstellung eines solchen Kristalls für sichtbares Licht und UV-Strahlung schwieriger. Denn dafür sind Gitterstrukturen nötig, deren regelmäßige Struktur im Größenbereich der Lichtwellenlänge liegt – bei wenigen hundert Nanometern. So kleine Strukturen durch gängige Verfahren der Mikrofabrikation oder Lithografie zu erzeugen, war bisher nur mit großem Aufwand möglich.

DNA-Selbstorganisation als Basis

Eine Lösung dafür haben nun Posnjak und seine Kollegen gefunden: DNA-Origami. Dieses nutzt aus, dass sich DNA-Stränge aufgrund ihrer spezifischer Basenabfolge von selbst auf bestimmte Weise mit anderen DNA-Strängen zusammenlagern. Je nach verwendetem DNA-Code lassen sich so fast beliebige Strukturen mittels Selbstorganisation erstellen – vom winkenden DNA-Roboter über Virenfallen aus DNA bis zu Gitterstrukturen für Quanten-LEDs.

Den Physikern ist es nun erstmals gelungen, mit dieser Technik einen photonischen Kristall mit Diamantstruktur zu erzeugen. „Es ist seit Langem bekannt, dass das Diamantgitter theoretisch eine optimale Geometrie für photonische Kristalle aufweist“, erklärt Seniorautor Tim Liedl von der LMU. Im Diamantgitter ist jedes Kohlenstoffatom mit vier Nachbarn zu einem Tetraeder verbunden. „Unsere Herausforderung bestand darin, die Struktur eines Diamantkristalls um das 500-Fache zu vergrößern, sodass die Abstände zwischen den Bausteinen mit der Wellenlänge des Lichts vergleichbar sind“, so Liedl.

Tetraeder-Struktur aus DNA

Rohmaterial für den photonischen DNA-Kristall war ein ringförmiger DNA-Strang aus rund 8.000 DNA-Basen und ein Satz aus 200 kurzen DNA-Klammern. „Letztere steuern die Faltung des längeren DNA-Strangs in nahezu jede beliebige Form – vergleichbar mit Origami-Meistern, die Papierstücke zu komplizierten Objekten falten“, berichtet Posnjak. „Wir können über die Klammern daher kontrollieren, wie sich die DNA-Origami-Objekte zum gewünschten Diamantgitter verbinden.“

Durch geschickte Wahl der Basenabfolge und Klammern bilden diese DNA-Bausteine Tetraeder, die mit ihren Nachbarn in bestimmter Ausrichtung verbunden sind. „Die Bindung zwischen zwei benachbarten Tetraedern ist dann am stärksten, wenn ihre Oberflächen um 60 Grad gegeneinander gedreht sind“, erklärt das Team. Dadurch bilden die DNA-Tetraeder ein Gitter mit kubischer Grundstruktur – wie beim Diamant.

photonische DNA-Kristalle
Diese photonischen Kristalle auf DNA-Basis haben Gitter-Grundeinheiten von rund 170 Nanometer Größe – passend für UV-Licht. © Xin Yin

Titandioxid als optisch aktive „Haut“

Das Ergebnis dieses Schritts sind zehn Mikrometer große Kristalle aus DNA, die auf einem Substrat abgeschieden werden. Wie groß die Grundeinheiten dieses Kristalls sind, lässt sich je nach Bedarf durch die gewählten DNA-Bausteine einstellen. Im ersten Test waren die Poren rund 100 Nanometer groß und die Gitterperiodizität des DNA-Kristals lag bei 170 Nanometern – im Bereich der ultravioletten Wellenlängen.

Dann folgt der zweite Schritt: Der bisher rein aus DNA bestehende Kristall wird mit einer atomdünnen Lage Titandioxid beschichtet. „Das DNA-Origami-Diamantgitter dient als Gerüst für Titandioxid, das aufgrund seines hohen Brechungsindex die photonischen Eigenschaften des Gitters bestimmt“, sagt Posnjak. In diesem Fall waren die Gitterabstände auf UV-Licht optimiert – mit Erfolg: „Nach der Beschichtung lässt unser photonischer Kristall UV-Licht mit einer Wellenlänge von etwa 300 Nanometern nicht durch, sondern reflektiert es“, berichtet der Physiker.

Vielseitige Anwendungsmöglichkeiten

Nach Ansicht des Teams eröffnet das DNA-Origami damit eine einfache und flexibel anpassbare Methode, um künstliche photonische Kristalle für sichtbares Licht und UV-Strahlung herzustellen. „Der vergleichsweise einfache Herstellungsprozess über die Selbstorganisation von DNA-Origami in wässriger Lösung bietet eine gute Möglichkeit, Strukturen der gewünschten Größe kostengünstig und in größeren Mengen zu produzieren“, sagt Liedl.

Solche maßgeschneiderten photonischen Kristalle wären für viele Forschungs- und Technikbereiche interessant: „Photonische Kristalle bieten ein vielseitiges Anwendungsspektrum. Mit ihrer Hilfe ließen sich effizientere Solarzellen, innovative Lichtleiter oder Materialen für die Quantenkommunikation entwickeln“, erklärt Posnjak. Dank DNA-Origami könnte all dies nun einfacher realisiert werden. (Science, 2024; doi: 10.1126/science.adl2733)

Quelle: Ludwig-Maximilians-Universität München

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