Die Suche nach außerirdischem Leben ist eines der großen Ziele der Weltraumforschung. Doch mit jeder Raumsonde, die wir ins All schicken, wächst die Gefahr, dass wir fremde Umwelten unwiderruflich verändern oder sie mit irdischen Organismen kontaminieren. Damit das nicht geschieht, hat das internationale Committee for Space Research (COSPAR) Richtlinien zum Schutz anderer Himmelskörper, aber auch der Erde aufgestellt.
Zwar hat kein Staat diese Richtlinien bisher in seine nationalen Gesetze aufgenommen. Die COSPAR-PPP-Regeln werden aber von den meisten Raumfahrtbehörden und Organisationen umgesetzt und gelten daher als eine Art „weiches Gesetz“ (Soft Law).
Für den Mond gilt Kategorie II
Die COSPAR-Richtlinien umfassen fünf Kategorien, abhängig von der Art der Weltraummission, von der Wahrscheinlichkeit, dass auf dem Zielobjekt außerirdisches Leben existieren könnte, und wie wichtig die Erforschung der unberührten Umwelt dieses Zielobjekts für die Wissenschaft ist. In die niedrigste Kategorie I fallen bloße Vorbeiflüge an als lebensfeindlich geltenden Himmelskörpern wie kleinen Asteroiden. Hier sind keine speziellen Schutzmaßnahmen gefordert, da eine Kontamination unwahrscheinlich ist.
Schutzkategorie II betrifft Himmelskörper wie den Mond und die Venus, die zwar nicht als lebensfreundlich gelten, aber deren Kontamination durch irdische Mikroben trotzdem nach Möglichkeit zu vermeiden ist. Sonden für Vorbeiflüge, Umlaufbahnen und Landungen müssen daher vorab gereinigt und Lande- oder Absturzstellen dokumentiert werden.
Weitere Sicherheitsmaßnahmen gelten jedoch nicht, weil man davon ausgeht, dass jede irdische Mikrobe auf Mond oder Venus ohnehin dem sicheren Tod geweiht wäre. Das ist auch der Grund, warum Nova Spivack von der Arch Mission Foundation wahrscheinlich keine schwerwiegenden Konsequenzen für seinen Bärtierchen-Schmuggel auf der Mondsonde Beresheet befürchten muss. „Die Reaktionen der internationalen Gemeinschaft auf das ‚Aussähen‘ der Tardigraden auf dem Mond war zwar von einer Mischung aus Neugier und Entsetzen geprägt, konkretes Handeln folgte aber kaum“, sagt der Astrobiologe Thomas Cheney von der britischen Open University.
Apollo und die Kotbeutel
Spivack ist zudem nicht der erste, der irdische Organismen auf dem Mond hinterlässt: Die Astronauten der Apollo-Missionen waren ebenfalls wenig zimperlich und ließen ihre Kotbeutel und andere Abfälle einfach auf dem Mond zurück. Deshalb lagern noch heute rund 90 Beutel mit menschlichen Exkrementen auf dem Erdtrabanten. Ob irdische Mikroben in diesen Apollo-Beuteln überlebt haben könnten, ist strittig. Denn die starke Strahlung und extremen Temperaturwechsel würden die meisten Bakterien, Viren und Pilze abtöten. Zumindest die Oberflächen der noch auf dem Mond stehenden Landefähren sind daher vermutlich längst steril.
Aber gilt das auch für die zumindest in Teilen geschützten Beutel? Schließlich entdecken Wissenschaftler auf der Erde immer wieder Mikroorganismen, die selbst widrigsten Bedingungen widerstehen können. Und der Panspermie-Hypothese nach könnten die Anfänge des irdischen Lebens sogar auf aus dem All gekommene, entsprechend widerstandsfähige Ur-Organismen zurückgehen. Ob das mikrobielle Erbe der Apollo-Astronauten noch existiert, wäre daher möglicherweise eine spannende Frage für kommende Mondmissionen.
Kategorie III und IV für Mars, Europa und Co
Deutlich strengere Schutzbestimmungen als für den Mond gelten jedoch für Himmelskörper, die potenziell lebensfreundlich sind und außerirdisches Leben bergen könnten. Dazu gehören der Mars als ein zumindest in seiner frühen Vergangenheit lebensfreundlicher Planet, aber auch der Jupitermond Europa und der Saturnmond Enceladus, die unter ihrer Eiskruste Ozeane aus flüssigem Wasser besitzen.
„Der Nachweis extraterrestrischen Lebens wäre unzweifelhaft eine der größten wissenschaftlichen Entdeckungen in der Geschichte der Menschheit“, sagt Cheney. „Umso zwingender nötig ist es, die Integrität eines solchen Funds so unangreifbar zu machen wie möglich.“ Deshalb muss man mit Sicherheit ausschließen können, dass die entdeckten Organismen nicht doch auf irdische Kontamination zurückgehen.
Deshalb gilt für Vorbeiflüge und Orbitermission zu solchen Himmelskörpern die COSPAR-Schutzkategorie III. Sonden und Komponenten solcher Missionen müssen im Reinraum montiert und alle organischen Substanzen an Bord gelistet werden. Soll eine Landung auf diesen Himmelskörpern erfolgen, gilt Kategorie IV mit noch strengeren Vorgaben für die Sterilisierung und biologische Abschirmung. Schon die NASA-Marssonde Viking wurde diesem Protokoll unterzogen und gleiches gilt auch für den heute auf dem Mars aktiven Marsrover Perseverance.
Rückhol-Missionen: Gefahr für irdische Lebenswelt?
Die höchste Schutzkategorie V der COSPAR soll nicht fremde Himmelskörper schützen, sondern unseren eigenen. Denn sie gilt für Proben-Rückholmissionen und soll eine Kontamination unsere Lebenswelt durch potenzielle extraterrestrische Organismen verhindern. „Die Erde vor außerirdischem Leben zu beschützen, klingt wie der jüngste Plot eines Science-Fiction-Blockbusters“, erklärt das COSPAR. „Aber es ist eine ernst zu nehmende Verantwortung.“
Schon die Apollo-Astronauten wurden nach ihrer Rückkehr zunächst in Quarantäne gesteckt und die Gesteinsproben ihrer Missionen liegen bis heute in speziellen Reinlaboren. Dennoch haben Untersuchungen mit modernen Analysemethoden ergeben, dass die Proben kontaminiert wurden: Vermeintlich vom Mond stammende organische Substanzen erwiesen sich als irdische Aminosäuren. Immerhin gilt beim Mond aber die Wahrscheinlichkeit eines Einschleppens extraterrestrischer Lebensformen angesichts seiner Lebensfeindlichkeit als gering.
Schutz vor Alien-Mikroben
Anders ist dies bei Missionen zu potenziell belebten Himmelskörpern wie dem Mars oder den Monden Europa und Enceladus. Da sie theoretisch außerirdisches Leben beherbergen könnten, müssen Rückhol-Missionen dorthin besonders abgeschirmt sein. „Diese Bedrohung bedingt das absolute Verbot eines destruktiven Einschlags für die Rückkehrkapseln, die Isolation des Probenmaterials sowie der mit dem fremden Himmelskörper in Berührung gekommenen Hardware während der Rückkehrphase“, so die COSPAR-PPP-Regeln.
Auch die Gesteinsproben, die der NASA-Rover Perseverance auf dem Mars gesammelt und deponiert hat, müssen daher unter besonderen Vorkehrungen von der Rückholsonde transportiert und dann zur Erdoberfläche gebracht werden. Dies gilt umso mehr, weil niemand weiß, welche Form und Physiologie extraterrestrische Lebensformen haben könnten. Hinzu kommt, dass die Instrumente der heutigen Sonden und Rover bisher nicht einmal gut genug sind, um alle irdischen Lebensformen und ihre Relikte aufspüren zu können, wie jüngst eine Studie bewies.
„Die Maßnahmen zum planetaren Schutz spielen eine entscheidende Rolle dafür, dass wir den Weltraum weiter erkunden können, ohne dass wir fremde Himmelskörper kontaminieren oder die irdische Biosphäre gefährden“, konstatiert das COSPAR.