Eine ungewöhnliche Eruptions-Serie des Kilauea-Vulkans auf Hawaii hat sich als neue, zuvor unbekannte Art explosiver Vulkanausbrüche entpuppt. Diese sogenannten „Stomp-Rocket“-Eruptionen passen in keine der bisherigen Kategorien – könnten aber auch bei anderen Vulkanen weltweit vorkommen. Dabei erzeugt der Kollaps einer gasgefüllten Magmakammer einen Überdruck, der Vulkanmaterial aus dem Schlot katapultiert wie den Korken aus einer Sektflasche, wie Forschende in „Nature Geoscience“ berichten.
Der Kilauea auf Hawaii ist einer der aktivsten Vulkane der Erde. Das von einem vulkanischen Hotspot unter der Insel gespeiste Vulkansystem wirft immer wieder dünnflüssige Lava aus – meist ohne große Folgen. Doch im Mai 2018 war dies anders: Innerhalb von knapp zehn Tagen ereigneten sich zwölf dicht aufeinanderfolgende explosive Eruptionen, bei denen glühende Lava aus frisch aufgerissenen Spalten schoss. Die Lavaströme zerstörten tausende Gebäude und begruben 35 Quadratkilometer Land unter sich, die Eruptionssäulen reichten bis zu acht Kilometer hoch.
Weder magmatisch noch phreatisch
Das Merkwürdige jedoch: „Normalerweise liegen explosive Vulkanausbrüche irgendwo in einem Spektrum zwischen magmatischen und phreatischen Eruptionen“, erklären Josh Crozier vom kalifornischen Vulkanobservatorium des US Geological Survey (USGS) und seine Kollegen. Treibende Kraft sind dabei entweder frisch aufsteigendes Magma oder aber explosive Reaktionen des Magmas mit verdampfendem Wasser im Untergrund. „Doch die Kilauea-Ausbrüche passten zu keiner dieser beiden Klassen“, sagt Crozier.
So ergaben Analysen des ausgeschleuderten Vulkanmaterials, dass dieses kaum frisches Magma enthielt. Stattdessen bestand das vulkanische Lockermaterial vorwiegend aus älteren, aus der Wand des Schlots herausgerissenen Brocken sowie aus erstarrten Lavastücken, die noch von früheren Ausbrüchen im Schlot geblieben waren. Vom magmatischen Typ war dieser explosive Ausbruch demnach nicht.
Aber auch zum phreatischen Typ passte der Kilauea-Ausbruch nicht: Messungen zufolge war das Gestein rund um den Magmagang zu heiß, um flüssiges Wasser bis an das Magma gelangen zu lassen. Daher kann auch eine explosive Verdampfung von Wasser im Untergrund nicht der Treiber dieser Eruption gewesen sein, wie das Team berichtet.
Erst Kollaps, dann Ausstoß
Doch was war dann der Auslöser für die ungewöhnlich heftigen Eruptionen des Kilauea? Um das zu klären, haben Crozier und sein Team sich die während der Ausbrüche vom Mai 2018 erhobenen Messdaten noch einmal genauer angeschaut. Dabei entdeckten sie eine Auffälligkeit: „Bei jeder der Kilauea-Eruptionen registrierten Seismometer ein Erdbeben von etwa der Magnitude 4,7“, berichten die Geologen.
Gleichzeitig detektierten weitere Messinstrumente jedes Mal ein abruptes Absacken des Untergrunds über dem Magmareservoir des Vulkans. „Zehn bis 30 Sekunden nach jedem Kollaps, traten die ersten Eruptionswolken aus dem Kratergrund aus, begleitet von einer Druckzunahme im Infraschall“, beschreiben Crozier und seine Kollegen die Abläufe. Nach etwa zehn Minuten heftiger Aktivität ließen die explosiven Ausbrüche allmählich wieder nach und kehrten zum Normalniveau zurück.
Mechanismus wie eine „Stomp Rocket“
„Das Besondere an diesen Eruptionen ist, dass wir hier eine ganze Reihe davon hatten, die bemerkenswert ähnlich abliefen – das ist sehr ungewöhnlich“, sagt Koautor Leif Karlstrom von der University of Oregon. Doch genau dies erleichterte es dem Forschungsteam, mithilfe der Daten und einem geophysikalischen Modell das Geschehen im Untergrund des Kilauea zu rekonstruieren und so den Motor der Ausbrüche zu identifizieren.
Die Analysen enthüllten Überraschendes: Die Mai-Ausbrüche des Kilauea-Vulkans gehen weder auf gängige magmatische noch auf phreatische Mechanismen zurück – sie bilden einen dritten, zuvor unbekannten Typ explosiver Eruptionen. „Die Eruptionswolken passen zu Ausbrüchen, die durch einen Stomp-Rocket-Mechanismus verursacht wurden“, berichten Crozier und sein Team. Dieser Name ist von einem gängigen Kinderspielzeug abgeleitet, bei dem der Tritt auf ein Luftkissen eine über einen Gummischlauch verbundenen Rakete in die Luft katapultiert.
Überdruck reißt Vulkanmaterial mit
Der gleiche Mechanismus fand auch im Untergrund des Kilauea-Vulkans statt, erklären die Vulkanologen: Der ‚Stomp‘ entspricht dem abrupten Kollaps der Decke über dem halbleeren, im oberen Teil gasgefüllten Magmareservoir des Kilauea. „Das herunterfallende Gestein erhöht den Druck im gasgefüllten Hohlraum“, so Crozier. Als Folge dieses plötzlichen Überdrucks raste das Gas über eine rund 600 Meter lange unterirdische Verbindung bis zur Austrittsöffnung.
Auf dem Weg nach draußen riss das Gas Vulkanmaterial mit einer Volumenflussrate von 3.000 Kubikmeter pro Sekunde mit, wie das Team errechnete. Die Wucht dieses Gas- und Tephrastroms reichte aus, um die „Rakete“ – das in einer Eruptionswolke ausgeschleuderte Vulkanmaterial – am Gipfelschlot des Kilauea bis zu acht Kilometer hoch in die Atmosphäre zu schleudern. Parallel dazu trieb der Druck auch die Lavaströme an der Ostflanke des Vulkans an.
Auch bei anderen Vulkanen möglich
Damit ist nicht nur geklärt, warum der Mai-Ausbruch des Kilauea so ungewöhnlich heftig war – er demonstriert auch eine ganz neue Art explosiver Eruptionen. „Unsere Resultate enthüllen einen eigenen, Kollaps-getriebenen Ausbruchstyp“, schreiben Crozier und sein Team. „Die detaillierte Dynamik solcher Eruptionsplumes zu verstehen, ist wichtig sowohl für die Interpretation historischer Ausbrüche als auch für die Vorhersage von Risiken.“
Die Vulkanologen gehen davon aus, dass solche Kollaps-getriebenen Eruptions-Mechanismen nicht nur am Kilauea vorkommen. Sie nennen als Beispiel Eruptionen einiger anderer Vulkane, darunter Fernandina, Tolbachik, Miyakejima und Piton de la Fournaise, bei denen es ganz ähnliche Ausbruchsabläufe mit Kollaps-Erdbeben und Gipfel-Plume gab. „Das legt nahe, dass Bedingungen, durch die solche Stomp-Rocket-Eruptionen auftreten, nicht selten sind“, so das Team. (Nature Geoscience, 2024, doi: 10.1038/s41561-024-01442-0)
Quelle: University of Oregon