Physik

Protonen-Spin gibt weiter Rätsel auf

Auch eine theoretische Überprüfung konnte die Widersprüche nicht beseitigen

Protonenspin
Bisher ist unklar, wie der Spin des Protons zustande kommt: Wie viel tragen die Quarks bei und wie viel die Gluonen? © Jefferson Lab

Wodurch erhält das Proton seinen Spin? Diese Frage ist noch immer nicht geklärt, denn Experimente liefern widersprüchliche Daten zum Beitrag der Gluonen. Jetzt haben Physiker diese mithilfe spezieller Simulationen noch einmal überprüft. Doch das Ergebnis bestätigt erneut, dass der Beitrag der Gluonen sowohl positiv als auch negativ sein könnte. Letzteres wirft die Frage auf, woher dann der Löwenanteil des Protonenspins kommt – denn auch die Quarks tragen nur wenig zu ihm bei.

Das Proton gehört zu den Grundbausteinen der Materie, gemeinsam mit dem Neutron bildet es den Atomkern. Doch ausgerechnet dieses wichtige Teilchen gibt Physikern noch immer Rätsel auf – und sorgt immer wieder für Überraschungen. So zeigt es unerwartete Reaktionen beim Beschuss mit Elektronen, sein Radius ist kleiner als er sein dürfte und auch sein Innenleben aus Quarks und Gluonen ist alles andere als vollständig geklärt.

Proton
Vereinfacht dargestellt besteht das Proton aus zwei Up-Quarks (u) und einem Down-Quark (d), die über die starke Kernkraft in Form der Gluonen miteinander verbunden sind. © Dmitry Kovalchuk/ Getty images

Wer gibt dem Proton seinen Spin?

Eine weitere ungeklärte Frage zum Proton ist sein Spin – der Eigendrehimpuls des Teilchens. Dem Standardmodell der Teilchenphysik zufolge besitzt es wie alle Fermionen einen halbzahligen Spin, er liegt bei ½. Lange nahm man an, dass das Proton diesen Spin von seinen Quarks „erbt“, darunter vor allem den drei Valenzquarks, die seine Eigenschaften und sein Verhalten grundlegend prägen.

Als Physiker dies in Beschleuniger-Experimenten überprüften, zeigte sich jedoch ein überraschend anderes Bild: Den Messergebnissen zufolge tragen die drei Valenzquarks nur rund zehn bis 30 Prozent zum Gesamtspin des Protons bei. Aber woher kommt dann der Rest? An dieser Frage forschen Teilchenphysiker nun schon seit Jahrzehnten. Gängiger Theorie nach müsste der größte Teil des fehlenden Spins von den Gluonen kommen, den Trägerteilchen der Starken Kernkraft. Sie sind der „Kleber“, der die Quarks im Proton zusammenhält.

Positiv oder negativ?

Seither haben mehrere große Beschleunigerexperimente versucht, den Beitrag der Gluonen zum Protonenspin zu messen. Die Ergebnisse waren aber uneindeutig und teilweise widersprüchlich. So fanden frühe Messungen tatsächlich Hinweise auf einen positiven Beitrag der Gluonen zum Spin des Protons. „Aber als man die Analysen verbesserte, begann man zwei verschiedene Sätze von Resultaten zu erhalten, einer positiv und einer negativ“, erklärt Erstautor Joseph Karpie von der Thomas Jefferson National Accelerator Facility in den USA.

In einigen Messungen war der Spin der Gluonen mit dem des Protons gleichgerichtet – die Trägerteilchen der Starken Kernkraft könnten demnach tatsächlich den fehlenden Beitrag zum Protonenspin liefern. In anderen Tests schien der Gluonenspin aber in die entgegengesetzte Richtung zu zeigen wie der Gesamtspin des Protons – die Gluonen müssten demnach den Protonenspin eher verringern.

Doch welche Resultate stimmen? Sollte das zweite korrekt sein, müssten die Quarks doch den Löwenanteil des Protonenspins ausmachen, alternativ müsste die Bewegung der Quarks und Gluonen mehr zum Spin beitragen als nach gängigen Modellen möglich.

Überprüfung mittels Gitter-QCD

Auf der Suche nach einer Erklärung haben nun Karpie und sein Team das Rätsel um die widersprüchlichen Messresultate noch einmal theoretisch überprüft. Dafür führten sie auf Supercomputern eine sogenannte Gitter-QCD-Simulation auf Basis der experimentellen Daten durch. Diese bildet die Gesetzmäßigkeiten der Quantenchromodynamik (QCD) und damit die komplexen Wechselwirkungen von Quarks und Gluonen vereinfacht ab.

„Dadurch kombinieren wir die experimentellen und theoretischen Datensätze und können ein besseres Ergebnis erhalten als mit jeder einzelnen Methode“, erklärt Karpie. „Wir können den Beitrag der Gluonen zum Protonenspin in einer Dimension ermitteln.“ Tatsächlich trug diese Kombination dazu bei, die Messwerte zu präzisieren und einzugrenzen.

Rätsel bleibt bestehen

Doch auch diese aktuelle Überprüfung beseitigt den Widerspruch nicht. „Gegenwärtig können auch die Gitter-QCD-Daten die negativen Ergebnisse nicht definitiv ausschließen“, konstatieren die Physiker. Allerdings verringerten die Ergebnisse das Ausmaß der negativen Werte für den Gluonenspin und grenzte sie auf nur bestimmte Bedingungen ein. Sie werden dadurch ein wenig unwahrscheinlicher. „Die Möglichkeit negativer Werte ist damit nicht verschwunden, aber hat sich deutlich verändert“, sagt Karpie.

Die Physiker betonen jedoch auch, dass ihre Methodik erst am Anfang steht. „Sie zeigt uns schon einmal, dass wir weit mehr lernen können, wenn wir Gitter-QCD und Experimente in einer Problemanalyse kombinieren“, sagt Karpie. „Aber das ist erst der erste Schritt. Jetzt müssen wir dies mit immer mehr Beobachtungsparametern weiterführen.“ Klar ist aber auch: Das Rätsel um den Spin des Protons ist damit noch immer nicht geknackt. (Physical Review D, 2024; doi: 10.1103/PhysRevD.109.036031)

Quelle: DOE/ Thomas Jefferson National Accelerator Facility

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