Eine Frau als Ritter? Unter den im Kampf gefallenen Toten eines mittelalterlichen Ritterordens in Spanien war auch eine Frau, wie Knochenanalysen enthüllen. Die Tote trägt typische Kampfwunden, ihre Knochen zeigen zudem die Kennzeichen harten Kampftrainings. All dies deutet darauf hin, dass diese Frau eine Kriegerin war, die mit den männlichen Mitgliedern des Kriegerordens in die Schlacht zog, wie Archäologen berichten. Ob sie ihr wahres Geschlecht verbarg oder als offen als Frau mitkämpfte, ist ungeklärt.
Die Iberische Halbinsel war im Mittelalter heiß umkämpft: Im Süden herrschten seit dem 8. Jahrhundert die islamischen Mauren, im Norden versuchten christliche Truppen, die maurisch kontrollierten Gebiete zurückzuerobern. Nachdem die „Reconquista“ großer Teile Kastiliens gelungen war, nutzten die christlichen Herrscher eine ganze Kette mächtiger Festungen, um ihre neu zurückgewonnen Gebiete vor den Angriffen der Mauren zu schützen.
Ein Ritterorden gegen die Mauren
Eine dieser Festungen war die Burg von Zorita de los Canes in Guadalajara, die strategisch günstig auf einem hochaufragenden Hügel über einer Biegung des Flusses Tajo (Tejo) stand. Diese ursprünglich von den Mauren errichtete Anlage wurde 1124 zunächst von den Tempelrittern erobert und verteidigt. Im Jahr 1174 übergab der kastilische König Alphonso VIII die Festung jedoch den Rittern des Ordens von Calatrava, einem von Zisterziensermönchen gegründeten Kriegerorden. Sie sollten fortan die wichtige Festung und ihr Hinterland gegen die Mauren verteidigen.
„Der Ritterorden bestand sowohl aus klerikalen Mitgliedern wie aus Laien“, erklären Patxi Pérez-Ramallo vom Max-Planck-Institut für Geoanthropologie in Jena und seine Kollegen. „Die militärische Macht des Ordens beruhte auf einem Spektrum angefangen von adeligen Rittermönchen als schwerer Kavallerie mit eigenen Pferden und Ausrüstung, über ebenfalls berittene Sergeanten bis zu vorübergehend dem Orden angehörenden Ritter, Söldnern und Vasallen.“ Doch wie das Leben der verschiedenen Mitglieder des Ritterordens im Alltag aussah, ist kaum bekannt.
Tote Ritter mit schweren Verletzungen
Um mehr darüber zu erfahren, haben Pérez-Ramallo und sein Team die Gebeine von 25 Toten untersucht, die im 12. bis 15. Jahrhundert auf dem Friedhof der Ordensburg Zorita de los Canes beerdigt worden waren. Sie unterzogen die Knochen anatomisch-osteologischen Analysen und führten Isotopenanalysen durch, um anhand des Verhältnisses der Stickstoff- und Kohlenstoffisotope Rückschlüsse auf die Ernährung der Kriegermönche zu gewinnen.
Die Untersuchungen ergaben: 23 der 25 Toten wiese schwere Verletzungen durch Stiche und Schwerthiebe auf. „Wir fanden viele Schäden im oberen Teil des Schädels, den Wangen und dem inneren Teil der Hüfte, was zu der Annahme passt, dass wir es hier mit Kriegern zu tun haben“, sagt Koautorin Carme Rissech von der Universitat Rovira I Virgily in Tarragona. Da es bei diesen Wunden keine Anzeichen für eine Heilung gab, waren diese Ordensritter wahrscheinlich an ihren Verletzungen gestorben.
Eine im Kampf gefallene Frau
Das Überraschende jedoch: Eines der Skelette stammte nicht von einem männlichen Ordensritter, sondern von einer Frau – und diese etwa 40-jährige Frau mittlerer Größe und Statur wies die gleichen Kampfverletzungen auf wie die männlichen Toten. Auch ihre Knochen zeigten keine Hinweise auf eine beginnende Heilung der schweren Wunden. „Sie könnte demnach auf ähnliche Weise im Kampf gestorben sein wie die männlichen Ritter“, erklärt Rissech. „Es ist wahrscheinlich, dass auch sie eine Art Rüstung oder Kettenhemd trug.“
Doch wie kam es, dass diese Frau in der Schlacht starb? War sie offizielles Mitglied des Ritterordens? Oder doch nur eine Dienerin, die aus Not in die Kämpfe verwickelt wurde? Letzteres war offenbar nicht der Fall wie die Archäologen anhand der Knochen belegen können. „Ihre Arbeit als Dienerin hätte Spuren an ihren Knochen hinterlassen, weil dafür bestimmte Arten der körperlichen Aktivität typisch waren“, erklärt Rissech. Doch solche Spuren gab es nicht.
Klare Hinweise auf langes Kampftraining
Stattdessen enthüllten die Analysen deutliche Hinweise auf langes, hartes Kampftraining bei der Toten. Ihre Knochen zeigten ähnliche Verdickungen und Abnutzungserscheinungen durch regelmäßiges, bewaffnetes Kämpfen wie bei den männlichen Ordensrittern. „Ich glaube daher, dass diese Überreste von einer weiblichen Kriegerin stammen“, sagt Rissech. Die Kämpferin könnte nach Ansicht der Archäologin ebenso erfahren im Umgang mit dem Schwert gewesen sein wie ihre männlichen Mitstreiter.
Aber wie konnte eine Frau unter den Kriegermönchen des Ritterordens leben? Die Rolle der Frau war im christlichen Spanien des Mittelalters eigentlich klar festgelegt – und Kämpfen gehörte nicht dazu. War die Frau dennoch ganz offiziell Teil der kämpfenden Truppe dieses Ritterordens? Oder lebte sie womöglich inkognito unter den Männern – beispielsweise als junger Mann verkleidet? Bisher hat das Forschungsteam darauf keine Antwort.
Weniger Fleischspeisen als die Männer
Allerdings ergaben die Isotopenanalysen, dass die weibliche Kämpferin im Ritterorden einen etwas niedrigeren sozialen Rang bekleidet haben könnte als ihre Mitstreiter: „Wir stellten einen geringeren Anteil von Proteinen in der Nahrung fest“, berichtet Pérez-Ramallo. „Das könnte einen niedrigeren sozialen Status innerhalb der Gruppe anzeigen.“ Denn fleischreiche Speisen waren damals auch im Orden von Calatrava den adeligen Rittern höherer Ränge vorbehalten.
Welchen Status die Kämpferin im Orden innehatte, bleibt jedoch offen. Das Team hofft nun, in weiteren Analysen das Rätsel der Kriegerin aus Zorita de los Canes lösen zu können. (Scientific Reports, 2024; doi: 10.1038/s41598-024-61792-y)
Quelle: Universitat Rovira i Virgili