Mikrobiologie

Ein Polyethylen-abbauender Pilz im Meer

Marine Pilze könnten unseren Plastikmüll in den Ozeanen beseitigen

Plastikmüll im Meer
Plastikmüll im Meer ist ein zunehmendes Problem für die Umwelt. © solarseven / GettyImage

Plastikfresser: Ein auf Plastikmüll im Meer lebender Pilz kann Polyethylen abbauen, wie eine neue Studie zeigt. Er könnte damit helfen, den Abfall zu beseitigen. Voraussetzung dafür ist, dass der Kunststoff zuvor mit dem UV-Licht der Sonne in Kontakt kommt. In tieferen Wasserzonen könnten weitere solche Pilze existieren, vermuten die Meeresbiologen. Das weckt Hoffnungen, dass die Plastikabfälle in den Weltmeeren eines Tages auf natürliche Weise abgebaut werden könnten.

Kunststoffe sind in unserem Leben allgegenwärtig. Wegen ihrer Langlebigkeit sammeln sich die robusten Polymere jedoch leider auch immer mehr in der Umwelt an und stören empfindliche Ökosysteme. Unter anderem die Weltmeere sind durch unsere Lebensweise voller Plastikmüll, der in größeren Stücken auf der Oberfläche treibt und sich zu riesigen Müllwirbeln zusammenschließt oder in tiefere Zonen absinkt und zu Mikroplastik zerfällt.

Seit Längerem suchen Forschende daher nach Wegen, um das Plastik wieder aus den Meeren zu entfernen, sowie nach marinen Lebewesen, die die Kunststoffe vor Ort abbauen können. Inzwischen sind zahlreiche Bakterienarten und vier Pilze als solche Plastikfresser bekannt (Zalerion maritimum, Alternaria alternata FB1, Rhodotorula mucilaginosa und Cladosporium halotolerans 6UPA1). Wie effektiv diese Mikroben Kunststoffe verdauen können, ist jedoch kaum erforscht. Klar scheint indes, dass es weitere mikrobielle Helfer braucht, um der steigenden Plastikflut Herr zu werden.

Auf Mikrobensuche im Nordpazifik

Ein Team um Annika Vaksmaa vom Königlich Niederländischen Institut für Meeresforschung (NIOZ) hat daher im Nordpazifik nach weiteren Plastikfressern gesucht. Dafür sammelten die Meeresbiologen auf einer Expedition Plastikmüll aus dem nordpazifischen subtropischen Strömungswirbel und untersuchten die darauf lebenden Mikroorganismen anschließend im Labor. Diese kultivierten sie dabei neun Tage lang auf speziellen Plastikböden, die mit dem Kohlenstoffisotop 13C beschichtet waren.

Das Team konnte so quantitativ verfolgen, zu welchen Stoffwechselprodukten die Lebewesen den Kohlenstoff im Kunststoff verarbeiten. „Diese sogenannten 13C-Isotope bleiben in der Nahrungskette rückverfolgbar. Es ist wie ein Marker, der es uns ermöglicht zu verfolgen, wohin der Kohlenstoff fließt. Wir können es dann in den Abbauprodukten nachvollziehen”, erklärt Vaksmaa.

Mikroskopiebild des marinen Pilzes Parengyodontium album auf einem Plastikpartikel
Der marine Pilz Parengyodontium album auf einem Plastikpartikel (rot). © Annika Vaksmaa/NIOZ

Pilz verdaut Polyethylen

Tatsächlich wurden die Biologen fündig: Sie entdeckten einen weiteren Meerespilz, der Plastik abbauen kann – genauer gesagt den gängigen Kunststoff Polyethylen (PE). Dieser ist der weltweit am häufigsten verwendete Kunststoff und steckt beispielsweise in Verpackungen, Tüten und Folien. Der neu entdeckte Pilz Parengyodontium album lebt zusammen mit anderen marinen Mikroorganismen in einer Art Mikroben-WG auf Kunststoffabfällen, die im Ozean treiben, wie die Forschenden berichten.

Gibt man dem Pilz P. album Polyethylen, baut er dieses ab – allerdings nicht sonderlich schnell: Die Abbaurate liegt bei 0,044 Prozent pro Tag, wie die Versuche ergaben. „Den größten Teil des PE wandelt P. album dabei in Kohlendioxid um, das der Pilz wieder ausscheidet“, erklärt Vaksmaa. Die so freigesetzten Mengen des Treibhausgases CO2 sind jedoch insgesamt zu gering, als dass daraus klimarelevante Probleme entstehen würden, betonen die Biologen. Einen geringen Teil des markierten Kohlenstoffs aus PE baute der Pilz auch in seine Zellwand ein.

Ohne Sonne kein Plastikabbau

Die Versuche enthüllten zudem, dass der Pilz Sonnenlicht benötigt, um seine Funktion als Plastikfresser erfüllen zu können. „Im Labor baut P. album nur PE ab, das zumindest für kurze Zeit UV-Licht ausgesetzt war. Das bedeutet, dass der Pilz im Ozean nur Plastik abbauen kann, das zunächst nahe der Oberfläche geschwommen ist“, erklärt Vaksmaa.

Auch UV-Licht allein kann viele Kunststoffe photochemisch zersetzen und dadurch abbauen. „Unsere Ergebnisse zeigen nun, dass Sonnenlicht auch den biologischen Plastikabbau durch Meerespilze erleichtert“, so Vaksmaa. Da ein Großteil des Plastiks jedoch untergeht, ohne zuvor UV-Licht abbekommen zu haben, wird der neu entdeckte Pilz P. album nicht sämtliches Polyethylen im Meer abbauen können.

Weitere Pilze vermutet

„Pilze gelten als die ‚Meister des Abbaus‘, da sie eine Fülle von Verdauungsenzymen verwenden, was sie auch zu potenziellen Kandidaten für den Plastikabbau macht“, schreiben Vaksmaa und ihre Kollegen. Die Biologen vermuten daher, dass in tieferen Meeresschichten weitere, bislang unbekannte Pilze leben, die ebenfalls Plastik verdauen können. Ob und wie schnell sie unseren Müll abbauen, muss jedoch erst weiter erforscht werden. (Science of The Total Environment, 2024; doi: 10.1016/j.scitotenv.2024.172819)

Quelle: Royal Netherlands Institute for Sea Research (NIOZ)

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