Vom Fluss begünstigt: Die Blütezeit des alten Ägypten könnte durch einen entscheidenden Wandel des Nils begonnen haben. Denn vor rund 4.000 Jahren veränderte der Fluss sein zuvor unstetes Verhalten, das seine Ufer wegen der ständig wechselnden Seitenarme kaum bewohnbar machte. Stattdessen wurden die Nilfluten regelmäßiger, das Bett stabiler und der Fluss brachte mehr Sediment mit. Dies erweiterte das fruchtbare Niltal und könnte Theben, Karnak und andere berühmte Orte des alten Ägypten erst ermöglicht haben, wie Forscher in „Nature Geoscience“ berichten.
Der Nil ist seit Jahrtausenden die Lebensader Ägyptens – und einer der längsten Flüsse der Erde. Sein Wasser erhält der „große Strom“ aus zwei Quellflüssen, dem in Burundi entspringenden Weißen Nil und dem Blauen Nil aus dem äthiopischen Hochland. Entlang seines Unterlaufs entstanden vor rund 4.500 Jahren die prachtvollen Tempel und Pyramiden des alten Reichs und eine Blütezeit der ägyptischen Kultur begann. Eine wichtige Rolle dafür spielten die Nilfluten, die fruchtbares Sediment mitbrachten, aber auch einige Nil-Seitenarme, die zu wichtigen Transport- und Handelswegen wurden.
81 Bohrkerne quer durch das Niltal
Doch der Nil könnte den Beginn des „goldenen Zeitalters“ in Ägypten noch auf eine weitere Art begünstigt haben, wie Jan Peeters von der University of Michigan und seine Kollegen herausgefunden haben. „Trotz seiner zentralen Rolle für die Geschichte des alten Ägypten ist nur wenig über Entwicklung des Nils im Holozän bekannt“, erklären sie. Vor allem das Fließverhalten des Nils in der Periode vom Ende der Eiszeit bis vor rund 2.000 Jahren blieb unklar.
Deshalb haben die Geologen vor Ort nach Spuren gesucht. Für ihre Studie reisten sie nach Luxor, dem Gebiet in Oberägypten, in dem die großen Tempel und Paläste von Theben, Luxor und Karnak errichtet wurden. Dort entnahmen sie 81 Bohrproben quer durch das gesamte Niltal, um anhand der Sedimentschichten die Veränderungen von Ufern und Flussbett im Laufe der letzten rund 12.000 Jahre zu rekonstruieren.
Vom unberechenbaren Zerstörer zur Lebensader
Das Ergebnis: Bis vor rund 4.500 Jahren war der Nil ein schnell fließender Strom, der sich tief in sein Bett eingrub. Das Niltal war damals deutlich schmaler als heute und wurde immer wieder von reißenden Fluten überschwemmt. Gleichzeitig wechselte der Nil immer wieder unberechenbar seinen Lauf. „In dieser Periode bestand der Nil aus einem Netzwerk verbundener Kanäle, die oft ihren Lauf veränderten“, sagt Koautor Angus Graham von der Universität Uppsala in Schweden.
Doch dann änderte der Nil sein Verhalten: Weil das Klima in der Sahara und in seinen Quellgebieten trockener wurde, verringerte sich das Wasservolumen, dass er transportierte. Der Fluss strömte dadurch sanfter und besaß nicht mehr die Kraft, um im Tal von Luxor ständig sein Bett zu verändern. Parallel dazu enthielt das Nilwasser nun mehr Sand und andere Schwebteilchen, die sich an seinen Ufern ablagerten. Dadurch bildeten sich breite, von fruchtbarem Schwemmland bedeckte Flussterrassen.
Mehr Ackerland und Baugrund
Dieser Wechsel fand etwa zu der Zeit statt, in der das Alte Reich und die Gegend um Luxor aufblühten, wie das Team erklärt. Sie sehen darin auch eine Folge des geänderten Nilverhaltens: „Die Veränderungen erweiterten nicht nur die Fläche des nutzbaren Landes im Niltal bei Luxor, sie schufen auch fruchtbare Böden, indem sie große Mengen nährstoffreiches Sediment ablagerten“, berichten Peeters und seine Kollegen. Weil das Bett des Nils stabil blieb, konnten die Menschen nun auch seine Ufer bebauen.
Nach Ansicht der Geologen könnte der Wandel des Nilverhaltens vor rund 4.5000 bis 4.000 Jahren eine wichtige Rolle für die Entwicklung der ägyptischen Wirtschaft und Kultur im Alten Reich gespielt haben. Denn der Zuwachs an fruchtbarem Land begünstigte die Landwirtschaft und damit den Wohlstand in Oberägypten und schuf damit die Basis für die folgende Blütezeit der ägyptischen Kultur. Auch die Lage ikonischer Bauten wie des Tempels von Karnak wurden wahrscheinlich vom geänderten Nil-Lauf mitbeeinflusst. (Nature Geoscience, 2024; doi: 10.1038/s41561-024-01451-z)
Quelle: University of Southampton