Schnelle Hilfe: Im Falle eines Spinnenbisses können spezielle Antikörper das Gift der Schwarzen Witwe neutralisieren und Nervenschäden vermeiden. Nun haben Biologen erstmals eine Methode entwickelt, mit der das Gegengift auch außerhalb des Körpers von Pferden hergestellt werden kann. Ihr Verfahren basiert auf menschlichen Antikörpern und Zellkulturen und macht die Behandlung sowohl tierfreundlicher als auch sicherer. Doch noch gibt es einen Haken.
Die Europäische Schwarze Witwe (Latrodectus tredecimguttatus) kommt in weiten Teilen der Mittelmeerregion vor. Im Zuge des Klimawandels breitet sich die berüchtigte Giftspinne jedoch immer weiter aus. Das erhöht auch die Wahrscheinlichkeit für die dort lebenden Menschen, von einem der Tiere gebissen zu werden.
Wie gefährlich ist ein Spinnenbiss?
Wie ihre zahlreichen verwandten Arten auf anderen Kontinenten gibt auch die Europäische Schwarze Witwe bei Bissen ein Neurotoxin ab, das sogenannte Alpha-Latrotoxin. Die achtbeinigen Jäger lähmen und töten damit ihre Beute, darunter sogar Schlangen. Im menschlichen Körper verursacht das Nervengift der Spinne starke Schmerzen, Herz- und Atemproblem sowie Schwindel. In seltenen Extremfällen ist der Spinnenbiss sogar tödlich.
Diese Beschwerden können schnell und effektiv behandelt werden, indem man den Betroffenen ein Gegengift aus Antikörpern verabreicht, die das Toxin neutralisieren. Bislang werden diese Antikörper aus dem Blut von Pferden gewonnen, die zuvor mit geringen Dosen des Gifts immunisiert wurden. Doch das birgt Risiken. Weil die tierischen Immunglobuline unserem Körper fremd sind, können sie unerwünschte Nebenwirkungen wie allergische Reaktionen hervorrufen. Zudem unterscheidet sich die genaue Zusammensetzung des Antikörper-Mixes von Pferd zu Pferd, was die Wirkung unberechenbar macht.
Auf Kandidatensuche für neues Gegengift
Ein Forschungsteam um Maximilian Ruschig von der Technischen Universität Braunschweig hat nun einen Weg gefunden, die Antikörper auf eine sicherere Weise und ohne den Einsatz von Pferden herzustellen. Dafür wählten die Biologen mithilfe einer modernen Selektionsmethode, dem Phagen-Display, zunächst aus über zehn Milliarden menschlichen Antikörpern diejenigen aus, die am besten an das Spinnengift binden.
Anschließend brachten sie das Gen für jeweils einen dieser Antikörper in menschliche Zellkulturen ein und ließen diese den menschlichen Antikörper produzieren. Insgesamt stellten die Biologen so 75 potenzielle therapeutische Antikörper her. Deren Wirksamkeit testeten sie dann im Labor mit dem Alpha-Latrotoxin der Schwarzen Witwe und Nervenzellen von Mäusen.
Humane Antikörper neutralisieren Spinnentoxin
Das Ergebnis: 45 der getesteten menschlichen Antikörper konnten das Spinnengift erfolgreich neutralisieren. Mit Abstand am besten gelang dies mit dem Antikörper mit der „Seriennummer“ MRU44-4-A1, der schon in kleinsten Mengen effektiv wirkte. Insgesamt lieferte die Methode des Phagen-Displays und anschließender rekombinanter Produktion Gegengifte mit hoher und reproduzierbarer Qualität, wie die Biologen berichten.
„Zum ersten Mal haben wir humane Antikörper, die das Gift der Schwarzen Witwe in einem zellbasierten Assay neutralisieren“, sagt Seniorautor Michael Hust von der Technischen Universität Braunschweig. „Dies ist der erste Schritt, um die Pferdeseren zu ersetzen.“
Universal-Therapie für alle Schwarze Witwen?
Doch ist dieses Gegengift auch zur Behandlung von Bissen anderer Schwarzer Witwen geeignet? Um das herauszufinden, testeten Ruschig und seine Kollegen ihre Antikörper-Kandidaten auch gegen das Gift der Amerikanischen Schwarzen Witwe (Latrodectus mactans). Dabei zeigte sich, dass nur zwei der zuvor ausgewählten Kandidaten dieses Toxin neutralisieren: MRU44–4-A2 und MRU72–2-C12. Sie wirkten allerdings unspezifischer als MRU44-4-A1 beim Gift der Europäischen Schwarzen Witwe. Als universelles Gegengift gegen alle Schwarze Witwen eignet sich daher keiner der bisher entdeckten Antikörper.
„Um eine potenzielle Behandlung für alle Latrotoxine und nicht nur für das Toxin der Europäischen Schwarzen Witwe zu entwickeln, bräuchten wir weiter verbesserte kreuzreaktive Antikörper“, betont Hust. Um die Wirksamkeit der Antikörper detailliert zu bewerten, sind zudem weitere Experimente erforderlich, bevor klinische Studien gestartet werden können. (Frontiers in Immunology, 2024; doi: 10.3389/fimmu.2024.1407398)
Quelle: Frontiers