Es ist wieder soweit: Ab dem 14. Juni 2024 werden 24 Fußballmannschaften aus ganz Europa um den Titel wetteifern. Doch wie erfolgreich eine Mannschaft beim Fußball ist, hängt von einer ganzen Reihe von Faktoren ab, denn neben den rein sportlich-körperlichen sind auch Psychologie, strategisches Geschick und nicht zuletzt Glück im Spiel. Auch die Wissenschaft kommt dabei zum Tragen. Fußball ist deshalb für ganz unterschiedliche Fachgebiete ein durchaus ernsthaftes Forschungsthema.
Eine der schon im Vorfeld eines Turniers entscheidenden Fragen ist die Wahl der richtigen Spieler und Mannschaftszusammensetzung. Doch was bestimmt, wie gut ein Fußballer auf dem Platz ist, wie viele Tore er schießt oder wie gut er sein Team unterstützt?
Schnelle Regeneration ist Trumpf
Eine naheliegende Eigenschaft guter Spieler ist die körperliche Fitness: „Die Fähigkeit zu wiederholten Sprints ist im Fußball essenziell“, erklärt Francisco Calderón Montero von der Complutense University of Madrid. „Spieler müssen im Schnitt alle 90 Sekunden einen Sprint einlegen, was bedeutet, dass ihre Erholungszeit dazwischen kurz ist. Wir wollten daher wissen, ob und wie stark sich die Fähigkeit zur schnellen Regeneration zwischen den Sprints bei Top-Spielern und Zweitligisten unterscheidet.“
Dafür haben Montero und sein Team 194 Spieler aus sieben Clubs der spanischen Liga untersucht. Von diesen spielten 114 in der ersten Liga, 80 in der zweiten. Alle Fußballer unterzogen sich einem Test, bei dem sie auf einem Laufband allmählich immer höherer Belastung ausgesetzt wurden, bis sie ihr Maximum erreichten. Parallel dazu maßen die Forscher verschiedene physiologische Parameter.
Tatsächlich zeigten sich deutliche Unterschiede: „Die Zweitligaspieler benötigten deutlich länger, um sich nach der maximalen Anstrengung zu erholen“, berichtet Montero. „Nach 90 Sekunden Erholung hatten sie einen höheren Sauerstoffverbrauch und eine höhere Herzrate als die Erstligaspieler und auch nach 180 Sekunden waren die Unterschiede noch klar erkennbar.“ Dies bestätige, dass die Fähigkeit zur schnellen Regeneration eines der Merkmale von Topspielern ist.
Hemmung macht schneller
Doch das allein reicht nicht. Ein weiterer Faktor ist auch die Fähigkeit, auf dem Platz schnelle, sinnvolle Entscheidungen zu treffen: Den Ball abgeben oder lieber selbst dribbeln? Wohin schieße ich den Pass am besten und wann? „Zu entscheiden, wann man im Fußballspiel einen Pass spielt, ist komplex, die Verarbeitung vieler Informationen und eine schnelle Reaktion sind wichtige Faktoren für einen erfolgreichen Pass“, erklären Takahiro Matsutake von der Universität Osaka und seine Kollegen.
Sie haben daher untersucht, was im Gehirn eines Fußballers vor sich geht, wenn er entscheidet, ob er einen Pass spielt oder nicht. Dafür zeigten sie Profifußballern, Hobbyspielern und völligen Laien verschiedene Spielszenen und baten sie, sich möglichst schnell durch Klicken einer entsprechenden Taste für oder gegen das Abspielen des Balls zu entscheiden. Währenddessen zeichneten die Forscher mittels EEG die Hirnströme der Probanden auf und maßen ihre Reaktionszeit.
Es zeigte sich: Die Topspieler hatten nicht nur eine signifikant kürzere Reaktionszeit, auch ihre Hirnaktivität unterschied sich von der weniger erfahrener Fußballer. Unter anderem zeigten sich im EEG der Topspieler ausgeprägtere Wellenausschläge im Stirnhirn, wo wichtige Zentren der Entscheidung und Bewertung von Informationen sitzen. Interessanterweise waren dabei vor allem bei einer Entscheidung gegen den Pass bestimmte inhibitorische Wellenmuster stärker ausgeprägt. „Dies legt nahe, dass die höhere Aufmerksamkeit und inhibitorische Aktivität es den Sportlern erleichtert, schnell zu reagieren, wenn es auf die Einschätzung von Reizen und schnelle Muskelreaktion ankommt“, so die Forschenden.
Was steckt hinter der „Spiel-Intelligenz“?
Körperliche Fitness und schnelle Entscheidungen sind wichtig, aber Top-Spieler müssen noch etwas besitzen: ein instinktives Gespür für das Spiel. Diese „Spiel-Intelligenz“ hilft ihnen, auf dem Platz zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein, die Entwicklung des Spiels einzuschätzen und instinktiv der für den Erfolg nötigen Strategie zu folgen. „Die für diese Spiel-Intelligenz nötigen Fähigkeiten werden in der Neuropsychologie als exekutive Funktionen zusammengefasst“, erklären Torbjörn Vestberg vom Karolinska Institut in Stockholm und seine Kollegen.
Zu diesen exekutiven Funktonen gehören unter anderem kognitive Flexibilität, die schnelle gleichzeitige Verarbeitung von Reizen, die Impulskontrolle und die Kreativität. „Allgemein werden darunter mentale Prozesse zusammengefasst, die das Zusammenspiel von Gedanken und Handeln kontrollieren, vor allem in Situationen, die außerhalb der Routine liegen“, so das Team. Im Fußball hilft dies beispielsweise dabei, die Taktik je nach Spielsituation flexibel anzupassen und kreative Spielzüge zu finden.
In einem Experiment konnten Vestberg und seine Kollegen nachweisen, dass Profi-Fußballer der ersten Liga tatsächlich im Schnitt bessere exekutive Funktionen zeigen als Zweitligaspieler oder eine Kontrollgruppe von Nichtspielern. Sie schnitten im standardisierten Test der sogenannten „Design Fluency“ signifikant besser ab. „Die Ergebnisse in diesem Test können sogar vorhersagen, wie erfolgreich ein Spieler in Zukunft in Bezug auf die Torzahl und erfolgreichen Pässe und Vorlagen sein wird“, berichten die Forscher.
Interessant auch: Die exekutiven Funktionen eines Menschen entwickeln sich typischerweise im Verlauf der Kindheit und Jugend. Sie könnten daher zu den Eigenschaften gehören, die junge Spieler mit besonderem Talent auszeichnen, noch bevor sie zum Profi-Fußballer werden.