Wie gut ein Elfmeter sitzt und wie weit der Ball bei einem Weitschuss fliegt, hängt nicht nur vom Geschick des Fußballers ab – auch der Ball muss seinen „Job“ tun. Schon kleinste Merkmale des Fußballs beeinflussen, wie stabil er in der Luft liegt, wie gut er sich dreht und wie weit er fliegt. Deshalb arbeiten ganze Abteilungen von Sportherstellern daran, den optimalen Fußball zu designen. Doch wie sieht der aus?
Grübchen und Turbulenzen
Wie gut ein Fußball fliegt, hängt vor allem davon ab, ob und welche Verwirbelungen im Flug über seiner Oberfläche entstehen. Einen großen Einfluss auf das Flugverhalten haben dabei die Nähte – ihre Zahl, Form und Tiefe – und die Oberflächenbeschaffenheit. Denn sie verändern die Luftströmungen um den Ball während des Fluges – und sorgen mal früher, mal später für Verwirbelungen und Turbulenzen.
„Nahe der Balloberfläche bildet sich dabei eine dünne Grenzschicht – ihr Zustand und ihr Verhalten sind kritisch für die Performance des Balls“, erklärt Rabi Mehta vom Ames Research Center der NASA in Moffet Field. Fußbälle mit sehr glatten Oberflächen lassen die Turbulenzen erst bei hohem Tempo entstehen. Das klingt positiv, ist es aber nicht unbedingt. Denn beim Übergang von der glatten zur turbulenten Strömung verhält sich der Fußball oft unberechenbar.
Der WM-Ball von 2010 hatte diesen Übergang bei rund 80 Kilometern pro Stunde und damit genau in dem Bereich eines klassischen Schusses im Fußballspiel. Viele Spieler kritisierten diesen Ball daher während und nach der Weltmeisterschaft als zu „flatterhaft“. Bei der WM 2014 steuerten die Ballhersteller deshalb gegen: Der WM-Ball „Brazuca“ hatte tiefere Nähte und winzige Grübchen auf der Oberfläche, durch die sich schon bei rund 50 Stundenkilometern eine turbulente Strömung ausbildete. Das machte seine Flugbahn für die Kicker deutlich berechenbarer.
Der EM-Ball ist vernetzt
Auch der Ball für die Europameisterschaft 2024 ist auf Stabilität im Flug getrimmt. Er ist aus 20 Abschnitten zusammengesetzt, die durch Gruben und Rillen strukturiert sind. Ihre Größe ist so angepasst, dass der Ball eine stabile Fluglage entwickelt, aber dennoch nicht zu schnell abgebremst wird. Denn je nach Strömungsmuster bildet sich hinter dem Ball eine größere oder kleinere Unterdruck-Zone. Je größer sie ist, desto stärker bremst sie den Ball ab und verringert damit die Reichweite eines Schusses.
Eine Neuerung seit dem Jahr 2022 ist das Innenleben des Fußballs: Der EM-Ball ist mit der sogenannten „Connected Ball Technology“ ausgerüstet. In seinem Inneren sitzt Elektronik, die in Echtzeit die Position des Balls bestimmen und übermitteln kann. Dafür sorgen ein Trägheitssensor und ein Breitband-Funksensor. Letzterer sendet bis zu 400-mal pro Sekunde ein Signal an zwölf bis 24 Antennen, die rund um das Spielfeld verteilt sind.
Über diese Signale und eine Triangulation kann dann ein Computer innerhalb weniger Millisekunden ermitteln, wo der Fußball gerade ist, wie schnell er fliegt und wie lange er unterwegs ist. Dies hilft den Schiedsrichtern beispielsweise dabei zu entschieden, ob ein Ball im Tor war oder nicht, ob Abseits gespielt wurde oder auch ob ein Spieler den Ball mit der Hand berührt hat.
Die Kunst des Flatterballs
Doch der beste Fußball hilft nichts, wenn er nicht richtig getreten wird. Kein Wunder also, dass sich auch damit zahlreiche Wissenschaftler beschäftigen. Eine vor allem in den letzten Jahren durch Top-Spieler wie Christian Ronaldo oder Gareth Bale berühmt-berüchtigte Schusstechnik ist der Flatterball. Dabei fliegt der Fußball zunächst scheinbar zielstrebig durch die Luft, ändert dann aber plötzlich unberechenbar seine Richtung. Für einen Torwart sind solche Bälle fast unhaltbar.
Wie aber kommt das erratische Verhalten des Fußballs beim Flatterball zustande? Das haben unter anderem Physiker der École Polytechnique in Paris genauer untersucht. Eigens dafür konstruierten sie eine Art maschinellen Fußballer – ein Gerät, bei dem ein Stahlschaft mit Endplatte das Bein nachahmt. Tempo, Winkel und Kontakt mit dem Ball lassen sich dann gezielt so einstellen, dass der optimale Flatterball entsteht. Geschossen wird in einem Windkanal, in dem dann High-Speed-Kameras und Sensoren das Verhalten des Balls aufzeichnen.
Dabei zeigte sich, dass die Geschwindigkeit des Schusses und seine Rotation die entscheidende Rolle spielen. Konkret sollte der Fußball mit rund 20 bis 25 Meter pro Sekunde möglichst langsam fliegen und sich in der Luft kaum drehen. Dann sorgt die Wechselwirkung von Reibung und Turbulenzen dafür, dass der Auftrieb schwankt und so die Richtungswechsel hervorruft, wie Baptiste Texier und seine Kollegen ermittelten. Im Schnitt liegt die Abweichung von der erwarteten Flugbahn dann auf 30 Meter bei rund einem Balldurchmesser, bei weiten Schüssen bei entsprechend mehr.