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Archäologie

Der Zerfall

Was vom Limes übrig blieb

All die Befestigungen entlang seiner Außengrenzen haben das Römische Reich über einige Jahrhunderte erfolgreich beschützt, ihm letztlich aber keine Sicherheit garantiert. Innerpolitische Konflikte, wirtschaftliche Probleme und zunehmender Druck von außen durch nicht romanisierte Völker ließen den Limes bröckeln. Anders als die Berliner Mauer fielen die Grenzen Roms jedoch nicht plötzlich. Vielmehr verlief das Ende des Limes genau wie sein Anfang über mehrere Jahrzehnte.

Manche Abschnitte hielten sich wegen Machtstreitigkeiten und wiederholten Angriffen nur bis zum 3. Jahrhundert, andere wie der Hadrianswall oder die Grenzposten an Rhein und Donau bis zum Ende Roms im 5. Jahrhundert. Nach dem Tod von Kaiser Theodosius I. im Jahr 395 n. Chr. wurde das Römische Reich in West und Ost geteilt. Doch deren Ressourcen reichten nicht, um die Grenzen zu verteidigen. Den Untergang der römischen Zivilisation hielt dies nicht auf.

Was wurde aus der befestigten Grenze?

Nach dem Zerfall des Römischen Reichs blieb von der einstigen Weltmacht und deren gigantischer Infrastruktur nicht mehr viel übrig. „Einige der Anlagen und Siedlungen wurden jedoch im Mittelalter weitergenutzt und bildeten die Grundlage für viele bis heute bestehende Orte und Städte“, berichtet die Österreichische UNESCO-Kommission. So auch entlang des Limes, wo beispielsweise Köln, Mainz, Regensburg, Wien, Budapest und Belgrad aus römischen Grenzstädten hervorgingen.

Limes-Denkmal im Wald neben überwuchertem Wall-Graben-System
Limes-Denkmal im Wald bei Rheinbrohl. Das einstige Wall-Graben-System ist inzwischen überwuchert und nur noch schwer erkennbar. © Frila/CC-by 3.0

Die verlassenen und ungenutzten Mauern und Türme des Limes verfielen hingegen. Von den Anwohnern wurden sie vielerorts als Steinbruch genutzt, das Material diente dem Bau neuer Gebäude. Die hölzernen Konstrukte der Palisaden und Gebäude zerfielen mit der Witterung meist ebenfalls. Die ausgehobenen Gräben füllten sich mit der Zeit mit Geröll und Erde. Die Natur eroberte das Grenzgebiet über die Jahrhunderte zurück.

Der einstige Verlauf des Limes ist daher heute größtenteils nicht mehr sichtbar. Aus der Luft oder per modernen Methoden wie Laser lassen sich jedoch gelegentlich noch anhand von Waldkanten und Schneisen sowie künstlich aufgeschütteten Erhebungen antike Limesanlagen und Straßen erahnen.

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Ruinen eines Kleinkastells
Blick über die Ruinen eines Kleinkastells am rätischen Limes in Bayern. Wie hier zeugen vielerorts nur noch die Grundmauern von den einstigen Römer-Anlagen. © Mediatus/CC-by 3.0

Historische Bedeutung der Limes-Ruinen

Vereinzelt blieben zumindest die Grundmauern der Grenzanlagen erhalten. „Sie bezeugen bis heute den Einfluss des römischen Imperiums auf die Geschichte Europas“, so die Österreichische UNESCO-Kommission. Die Bauten demonstrieren auch „den fortgeschrittenen Wissensstand der römischen Ingenieure und Landvermesser“, so das Limesmuseum in Aalen. Für Historiker sind die Ruinen daher eine wichtige Informationsquelle. Insgesamt geben die Relikte des Limes „beispiellose Einblicke in die Entwicklung der militärischen Anlagen, den Schiffsbau, die Logistik und die Versorgung des Römischen Reiches“, schreibt auch die Deutsche UNESCO-Kommission.

Zahlreiche Standorte von Türmen und Kastellen des Limes wurden daher inzwischen durch Archäologen und Historiker rekonstruiert und ausgegraben oder originalgetreu wieder aufgebaut. In archäologischen Parks und Museen sind viele dieser Denkmäler heute auch für die Öffentlichkeit zugänglich und vermitteln uns ein Bild vom Leben im Grenzgebiet des Römischen Reiches.

Computerbasierte Rekonstruktion des Kastells Aalen.
Computerbasierte Rekonstruktion des Kastells Aalen. © Carole Raddato/CC-by 2.0

Limes-Forschung damals und heute

Nach anfänglich nur lokalen Bemühungen erforschte die 1892 gegründete Reichs-Limeskommission den Limes erstmals systematisch. Die Gelehrten stellten den genauen Verlauf des obergermanisch-raetischen Limes fest und gruben einige der zugehörigen Kastelle aus. Ihre Ergebnisse veröffentlichten sie in wissenschaftlichen Publikationen. Der zweite Weltkrieg unterbrach dann die archäologische Forschung am Limes. Erst ab den 1970er Jahren wurde sie wieder aufgenommen.

So bergen die Grenzruinen des Imperium Romanum noch heute viele Rätsel und Überraschungen. „Unsere Informationsquellen wachsen von Jahr zu Jahr, solange durch archäologische Ausgrabungen historische Quellen aus dem Boden kommen“, schreibt der Historiker und Archäologe Thomas Becker. Auch die Aufzeichnungen der frühen Limes-Forscher bringen bei erneuter Betrachtung nach heutigen Gesichtspunkten noch neue Erkenntnisse hervor. So weiß man heute beispielsweise, dass die Wachtürme des Limes teils umlaufende Balkone, sogenannte Galerien, besaßen und teils verputzt und bemalt waren. Warum andere Türme keine dieser äußeren Merkmale aufwiesen, ist indes noch unklar.

Hinweisschild auf den Weltkulturerbe-Status des Limes
Einige Abschnitte des römischen Limes stehen als historisches Denkmal inzwischen unter dem Schutz des UNESCO-Weltkulturerbes. © Carole Raddato/ Marcus Cyron /CC-by 2.0

UNESCO-Welterbe

Ein Teil der militärischen und zivilen Limes-Anlagen steht heute unter dem Schutz der UNESCO, die mehrere Limites in die Liste des Weltkulturerbes aufgenommen hat. Der vergleichsweise gut erhaltene Hadrianswall in England wurde bereits 1987 zum Welterbe erklärt. 2005 fügte die UNESCO den obergermanisch-raetischen Limes in Süddeutschland und 2021 den niedergermanischen Limes entlang des Rheins sowie den westlichen Teil des Donaulimes der Liste hinzu.

Von England bis in die Slowakei sind nun alle Abschnitte des Limes im gemeinsamen Welterbe-Cluster „Frontiers of the Roman Empire“ zusammengefasst. Damit ist der Limes aktuell das zweitlängste Bodendenkmal der Welt, nach der rund 6.000 Kilometer langen Chinesischen Mauer. Denkmalschützer hoffen, dass künftig noch weitere Überreste des Limes in anderen Ländern hinzukommen und die UNESCO schließlich den gesamten Grenzverlauf des Römischen Reiches im 2. Jahrhundert als Welterbe anerkennt.

Austausch statt Abgrenzung

So wie der Limes einst die Provinzen Roms und unbesetzte Gebiete zugleich trennte und verband, soll auch die Bewahrung seiner Ruinen heute wieder Ländergrenzen überwinden, so der Wunsch der Historiker und Denkmalschützer. „Der Limes war zwar eine Grenze, aber sehr durchlässig für Menschen, Waren und Ideen“, betont Sebastian Held vom LVR-Archäologischen Park Xanten. „Das Welterbe trägt dazu bei, dass er heute wieder Menschen verbindet.“

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Auf den Spuren des Limes
An den Außengrenzen des Römischen Reiches

„Leben am Limit“
Migration und Konflikte entlang des Limes

Natürliche und willkürliche Grenzen
Wo verlief der Römer-Limes?

Holzbarrikaden statt Stacheldraht
Wie waren die römischen Grenzanlagen aufgebaut?

Der Zerfall
Was vom Limes übrig blieb

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