Durch die Mühle gedreht: Chemiker haben entdeckt, dass sich mit Gold beschichtete mechanische Kugelmühlen sehr gut als Katalysator für chemische Reaktionen eignen. Die vergoldete Mühle kann verschiedenste Alkohole in Aldehyde umwandeln – ganz ohne Lösungsmittel und umweltschädliche Chemikalien. Das Gefäß ist mehrfach wiederverwendbar und könnte damit als „grüner“ Katalysator für die chemische Industrie dienen.
Aldehyde sind allgegenwärtige und unverzichtbare Chemikalien. Die Industrie stellt sie unter anderem als Bestandteile für Medikamente, Vitamine und Duftstoffe her. Ausgangsstoff sind dabei Alkohole, die im Idealfall selektiv zu den gewünschten Aldehyden oxidiert werden, ohne dass dabei Nebenreaktionen ablaufen.
Bei vielen der herkömmlichen Methoden bilden sich allerdings unerwünschte Nebenprodukte wie Carbonsäuren und Ester. Zudem erfordern die traditionellen chemischen Verfahren oft Lösungsmittel und umweltschädliche Chemikalien, die schwer zu entsorgen und teils gesundheitsbedenklich sind. Durch die notwendigen hohen Temperaturen und Drücke werden manche Rohstoffe auch beschädigt.
Mechanischer Reaktionsanstoß im Test
Chemiker um Maximilian Wohlgemuth von der Ruhr-Universität Bochum haben daher nun eine neue Methode entwickelt, mit der sich Aldehyde zielgerichteter und unter milderen Bedingungen herstellen lassen. Sie setzten dabei auf einen mechanischen Antrieb der chemischen Reaktion und Luft als Oxidationsmittel.
Die Forschenden nutzen für ihr Experiment handelsübliche Kugelmühlen aus Stahl, mit denen Materialien zerkleinert werden. Darin führten sie die chemischen Reaktionen durch, indem sie die Alkohole unterschiedlich lange und schnell zermahlten – ohne Zugabe schädlicher Lösungsmittel und unter milden Temperaturen. In einem zweiten Durchlauf beschichteten sie die Mühle zudem an verschiedenen Stellen mit Gold und testeten Mahlkugeln aus verschiedenen Materialien. Anschließend verglichen sie die Ergebnisse.
Goldbeschichtung beschleunigt chemische Reaktion
Dabei stellten die Chemiker zunächst fest, dass Mahldauer und -geschwindigkeit allein keine gute Produktausbeute ergeben. Der mechanische Antrieb reichte demnach nicht aus, um die gewünschte chemische Reaktion in Gang zu bringen. Die Aldehyd-Produktion lief jedoch sehr effizient ab, wenn die Mühle vergoldet wurde, so dass das Gold die Reaktion beschleunigen konnte. Überraschenderweise erzielten die Forschenden die besten Ergebnisse, wenn nicht die Mahlkugeln, sondern die Mahlgefäße mit einer nur wenige Nanometer dünnen Schicht aus Gold beschichtet waren.
Wohlgemuth und seine Kollegen schließen daraus, dass die Reaktion direkt an der Goldoberfläche stattfindet, mit Gold als Katalysator. Dies bestätigten im Anschluss auch spektroskopische Untersuchungen der Mühle. Von dem wertvollen Metall sind demnach nur geringste Mengen nötig, um aus einer Mühle einen effizienten Reaktor zu bauen, erklärt Wohlgemuth.
Fine-Tuning gegen unerwünschte Nebenprodukte
Doch auch die Beschaffenheit der Mahlkugeln und die Reaktionsbedingungen beeinflussten das Ergebnis der Katalyse, wie das Team berichtet. So erzielten die Chemiker die beste Aldehyd-Ausbeute, indem sie eher weiche und nur fünf Millimeter kleine Kugeln aus dem Kunststoff-Polymer PTFE, besser bekannt als Teflon, verwendeten. Dies verhinderte einerseits, dass bei der mechanischen Reibung das Gold beschädigt wird, und andererseits, dass viel Hitze und dadurch unerwünschte Nebenprodukte entstehen.
Hinsichtlich Reaktionsdauer, Mahlgeschwindigkeit und Konzentration der Chemikalien kamen Wohlgemuth und seine Kollegen zu der Erkenntnis, dass die Reaktionsbedingungen jeweils fein ausbalanciert werden müssen, um die optimalen Verhältnisse für das gewünschte Aldehyd zu finden. Tendenziell galt jedoch auch hier das Prinzip „weniger ist mehr“, um keine zu hohen Energien und Nebenreaktionen zu erzeugen.
Mühl-Verfahren übertrifft herkömmliche Methoden
Aufwendige Goldverbindungen oder Goldnanopartikel, wie sie für andere chemische Verfahren eingesetzt werden, sind für diese Methode der Aldehyd-Herstellung nicht notwendig, berichtet das Team. Das neue Verfahren ist für die Umsetzung verschiedener Alkohol-Moleküle geeignet und erzeugt zudem deutlich weniger Abfall. „Die Gefäße sind noch dazu über mehrere Reaktionen hinweg wiederverwendbar“, so Wohlgemuth. Erst nach zehn Anwendungen lässt die Wirkung nach, wie die Tests ergaben.
Das macht den Prozess nicht nur nachhaltiger, sondern auch kosteneffizienter als herkömmliche Methoden. „Die Kombination aus hoher Effizienz, geringer Umweltbelastung und Kosteneffektivität macht unsere Methode zu einem vielversprechenden Ansatz für die Zukunft der Chemie“, sagt Seniorautor Lars Borchardt von der Ruhr-Universität Bochum. „Das eröffnet neue Perspektiven für die Anwendung von Gold in der Katalyse und zeigt, wie traditionelle Materialien auf innovative Weise zur Lösung moderner Umweltprobleme beitragen können.“
Die vergoldeten Mühlen könnten demnach künftig in vielen chemischen Prozessen angewandt werden. Ob sich neben Gold auch andere Edelmetalle wie Platin oder Palladium als Katalysatoren für eine umweltfreundliche Chemie eignen, sollen nun weitere Studien klären. (Angewandte Chemie, doi: 10.1002/anie.202405342)
Quelle: Ruhr-Universität Bochum