Materialforschung

Video: Neuartiges Glas repariert sich selbst

Selbstheilendes Glas aus kurzkettigen Aminosäuren entwickelt

Das neue Material ist genauso durchsichtig wie Glas, doch es kann sich selbst reparieren. © Nature

Scherbenloses Glück: Ein neuartiges Glas aus Peptiden, also kurzkettigen Aminosäuren, kann sich selbst reparieren und haftet außerdem extrem fest an hydrophilen Oberflächen, wie Forscher herausgefunden haben. Grund für diese beeindruckenden Eigenschaften: In Kontakt mit Wasser ordnen sich die Peptid-Moleküle zu einer glastypisch amorphen Struktur an. Doch wofür lässt sich das Superglas nutzen? 

Scherben bringen vielleicht Glück, doch eine zersplitterte Glaskaraffe aufzufegen oder ein kaputtes Fenster reparieren zu lassen, bereitet trotzdem den wenigsten Leuten Freude. Von einem selbstreparierenden Glas träumen deshalb wohl viele. Zudem ist die Herstellung und auch das Recycling der amorphen, erstarrten Silikatschmelze energieaufwendig, denn damit Glas seine universell geschätzten Eigenschaften erhält, müssen die Glas-Zutaten Sand, Kalkstein und Natriumkarbonat oder die Altglasscherben bei Temperaturen von über 1.000 Grad zusammengeschmolzen werden.  

Neuartiges Glas aus Aminosäuren 

Forschende haben nun Glas aus Peptiden hergestellt – das sind kurze Ketten von Aminosäuren, die eigentlich in Hormonen wie Insulin oder manchen Antibiotika vorkommen. „Wir entdeckten, dass das Tyrosin-Tripeptid ungewöhnlich gut in Wasser löslich ist. Außerdem setzt es sich beim Verdampfen des Wassers spontan zu einem amorphen, starren Glas zusammen“, erklären Gal Finkelstein-Zuta von der Tel-Aviv Universität und sein Team. Das neuartige Peptidmaterial ist so transparent wie Glas und besitzt zudem einen ähnlichen Brechungsindex. 

Das untersuchte Tyrosin-Tripeptid ist gleichzeitig wasserlöslich und wasserabweisend. Aus diesem Grund geht es ungeordnete Bindungen mit den Wassermolekülen ein. Gleichzeitig stabilisieren die starken Wasserstoffbrückenbindungen zwischen den Molekülen das Peptidmaterial und machen es fest. Das Besondere daran: Normalerweise setzen sich Peptide zu regelmäßigen, geordneten Kristallstrukturen zusammen, statt eine glastypisch unstrukturiert-amorphe Anordnung auszubilden.  

Das selbstheilende Glas 

Und nicht nur das: Wenn sich in dem neuartigen Peptid-Glas Risse bilden, kann es sich innerhalb weniger Sekunden selbst reparieren. Dafür muss man es nur in eine feuchte Umgebung legen. „Die Selbstheilung basiert auf der Neuanordnung der nicht-kovalenten Wasserstoffbrückenbindungen zwischen den Peptid- und den Wassermolekülen“, erklären Finkelstein-Zuta und sein Team. Umgekehrt fanden die Forscher heraus, dass das Glas bricht, wenn man es zu sehr dehydriert.  

Die selbstheilenden Fähigkeiten des Peptidglases deuten laut Silvia Marchesan von der Universität Trier darauf hin, dass es recycelbar sein könnte. „Da die meisten glasartigen Materialien nicht abbaubar sind, ist die Entwicklung von recycelbaren Alternativen von äußerster Wichtigkeit“, sagt auch das Forschungsteam. 

Anwendung in der Hochleistungstechnologie 

Außerdem haftet das Peptid-Glas stark an hydrophilen Oberflächen und kann somit auch als Klebeschicht dienen. Beispielsweise klebten die Forscher damit zwei Mikroskop-Gläser zusammen, welche bis zu einer Belastung von fünf Kilogramm weiterhin aneinander hafteten. Diese Eigenschaften eröffnen viele Anwendungsmöglichkeiten.  

„Man könnte es als Kleber verwenden, um Schichten verschiedener Materialien zu verbinden und Linsen herzustellen. Mehrschichtige Linsen sind für Hochleistungstechnologien sehr gefragt, da jede Schicht eine andere Funktion bieten kann, wie Kratzfestigkeit und Antibeschlag“, erklärt Marchesan. (Nature, 2024; doi: 10.1038/s41586-024-07408-x) 

Quelle: Nature

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