Technik

Wie Opernsängerinnen extrem hohe Töne erzeugen

Arien werden doch nicht "gepfiffen", sondern gesungen

Opernsängerin
Opernsängerinnen können besonders hohe Töne erzeugen. Überraschenderweise verwenden sie dabei dieselbe Technik wie beim „normalen“ Singen. © suteishi / iStock

Videobeweis: Die höchsten Töne des Operngesangs werden anders erzeugt als bislang angenommen, wie Forscher herausgefunden haben. Demnach geht diese „Pfeifstimme“ doch nicht auf einen ähnlichen Mechanismus wie beim Ultraschallgesang der Mäuse zurück. Stattdessen bewegen sich die Stimmlippen der Sängerinnen auch bei hohen Arien ähnlich wie bei Tönen der tieferen Tonlagen, wie Aufnahmen mit speziellen Kameras beweisen. Doch warum gelingen dann nicht allen Menschen so hohe Töne?

Unsere Stimme hat einen gewaltigen Tonumfang. Doch nur sehr wenige Menschen können alle theoretisch möglichen Töne auch praktisch erzeugen. Zu ihnen zählen Opernsängerinnen, die dank langem Training selbst die extremen Grenzen ihres Stimmumfangs nutzen können.

Bislang sind Gesangstrainer und Wissenschaftler allerdings davon ausgegangen, dass dies nicht ausschließlich durch Gesang über die Stimmbänder passiert, sondern auch durch andere Lautäußerungen. Die höchsten Töne des klassischen Gesangs werden demnach mit der „Pfeifstimme“ erzeugt. Dieses Pfeifen wird bisheriger Annahme zufolge nicht durch die Vibration der Stimmbänder, sondern durch die Wechselwirkung der Luft mit feststehenden Strukturen des Atemtrakts erzeugt – ähnlich wie der für uns nicht hörbare Ultraschallgesang bei Ratten und Mäusen.

In den Hals geschaut

Ein Forschungsteam um Matthias Echternach vom Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität München hat diese Theorie nun erstmals experimentell überprüft. Dafür baten sie neun professionelle Opernsängerinnen, besonders hohe Töne zu erzeugen, die etwa drei Oktaven über der normalen Tonhöhe liegen. Währenddessen machten sie Videoaufnahmen von ihren Stimmlippen.

Diese Schleimhäute liegen im Kehlkopf und werden von den umliegenden Stimmbändern und Stimmbandmuskeln bewegt. Je nach Breite des Spalts zwischen den beiden parallel verlaufenden Stimmlippen strömt die Luft anders hindurch, es entstehen verschiedene Töne. Möglich machten die Aufnahmen eine durch die Nase eingeführte Minikamera, die sehr viele Bilder innerhalb kurzer Zeit aufnimmt: 20.000 Bilder pro Sekunde.

Die Stimmlippen bewegen sich doch

Die Ultrahochgeschwindigkeits-Videoaufnahmen zeigten: Abhängig von der gesungenen Tonhöhe vibrieren und kollidieren die Stimmlippen der Sängerinnen rund 1.000 bis 1.600 Mal pro Sekunde, was exakt der Frequenz des erzeugten Tons entspricht. Die hohe Operngesangsstimme beruht damit auf demselben Mechanismus wie das Sprechen und das Singen tieferer Töne, wie das Team berichtet. Beim angeblichen „Pfeif“-Mechanismus hätten sich jedoch die Stimmlippen während der Stimmproduktion überhaupt nicht bewegt.

Damit widerlegt der Videobeweis die Annahme, dass Opernsängerinnen bei hohen Arien „pfeifen“, und belegt stattdessen, dass sie selbst in den obersten Tonlagen mit dem „Standard“-Mechanismus singen. „Dies deckt einen seit langem bestehenden Mythos der Stimmpädagogik auf. Es ist bemerkenswert, dass solch extreme Klänge mit einem recht gewöhnlichen Stimmerzeugungs-Mechanismus produziert werden können“, sagt Seniorautor Christian Herbst von der Universität Wien.

Hohe Töne dank Muskelkraft und Finetuning des Stimmapparats

Doch wenn Opernsängerinnen keine spezielle Technik verwenden, warum können wir dann nicht alle problemlos Arien schmettern? Um das herauszufinden, simulierten Echternach und seine Kollegen auch die Vorgänge im Kehlkopf beim Singen der hohen Töne mit einem Computermodell. Die Analyse legt nahe, dass die Sängerinnen ihre höchsten Frequenzen nur mit einer stark erhöhten Spannung der Stimmlippen erzeugen können. Unterstützt wird dies durch einen sehr hohen Luftdruck beim Ausatmen. „Dies ist nur mit einer hervorragenden muskulären Feinbeherrschung des Gesangsinstruments durch die Sängerinnen möglich“, sagt Herbst.

Das erklärt, warum Arien sehr viel Training und Übung erfordern. „Es ist wirklich erstaunlich, wie manche Sängerinnen die erforderlichen extrem hohen Spannungen in ihren Stimmlippen erzeugen können, ohne gesundheitliche Probleme für die Stimme zu erleiden“, bemerkt Echternach. „Warum dies manchen Sängerinnen in diesen hohen Stimmlagen gelingt und anderen nicht, muss vorerst offenbleiben.“ Die Videos zeigen jedoch, dass die untersuchten Sängerinnen entsprechend ihrer Anatomie individuelle Techniken für diese Töne entwickelt haben, bei denen sich die Stimmlippen unterschiedlich weit öffnen und schließen.

Für Lautstärke und Klarheit der hohen Töne sorgt bei Sopranistinnen übrigens eine andere, unabhängige Technik als jene für die Frequenz. Damit man die gesungenen Wörter der Arien auch versteht, verändern sie über ihre Gesichtsmuskeln gezielt die Form und damit Resonanz ihres Vokaltrakts – also Rachen und Mund und Nase. (Scientific Reports, 2024, doi: 10.1038/s41598-024-62598-8)

Quelle: Universität Wien

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