Sicher gelandet: Die chinesische Mondsonde Chang’e-6 hat erstmals Gesteinsproben von der abgewandten Seite des Mondes zur Erde zurückgebracht. Die versiegelte Kapsel mit knapp zwei Kilogramm Mondproben landete am Dienstag unbeschadet in der Steppe der Inneren Mongolei und wurde inzwischen in ein spezielles Labor gebracht. Dort soll das Mondgestein gelagert und Proben davon an verschiedene Forschungsgruppen verteilt werden. Sie könnten grundlegende Fragen zur lunaren Entwicklung klären.
Die abgewandte Seite des Mondes ist bisher kaum erforscht. Keine der Apollo-Missionen landete in dieser nicht direkt per Funk zu erreichenden Region und auch unbemannte Landesonden haben bisher vorwiegend die für uns sichtbare Seite des Erdtrabanten erkundet. Erst im Jahr 2019 gelang China mit der Mondsonde Chang’e-4 die erste Landung auf der Mondrückseite. Sie und ihr kleiner Rover lieferten erste Informationen über das Gestein am lunaren Südpol.
Erste Gesteinsproben von der Rückseite des Mondes
Jetzt ist China der nächste Schritt gelungen: Die Mondsonde Chang’e-6 hat erstmals Gesteinsproben aus dem Südpol-Aitken-Becke auf der abgewandten Seite des Mondes aufgesammelt und zur Erde zurückgebracht. Die Landung dieser mit einem Bohrer sowie einem Arm mit Grabschaufel ausgestatteten Proben-Rückholsonde erfolgte am 3. Juni 2024. Mithilfe einer speziellen Aufstiegseinheit wurden die knapp zwei Kilogramm Gesteinsproben wenig später in den lunaren Orbit gebracht, dort auf die Muttersonde umgeladen und zur Erde zurücktransportiert.
Gestern warf die Mondsonde dann die in einer speziellen Probenkapsel verstauten Mondgesteinsproben über der Erde ab. Die Kapsel landete an Fallschirmen in der vorgesehen Landeregion in der kargen, kaum besiedelten Landschaft der Inneren Mongolei, wie die Chinesische Raumfahrtbehörde CNSA mitteilte. „Die Chang’e-6-Mission war ein voller Erfolg“, sagte CNSA-Leiter Zhang Kejian.
Lösen die Proben das lunare Hemisphären-Rätsel?
Die von der Mondsonde zur Erde gebrachten Proben geben Wissenschaftlern nun die erste Möglichkeit, Gestein von der abgewandten Seite des Mondes näher zu analysieren und zu erforschen. „Es gibt signifikante Unterschiede zwischen der Vorder- und Rückseite des Mondes in Bezug auf die Krustendicke, die frühere vulkanische Aktivität, die Zusammensetzung und vieles mehr“, erklärt der Geologe Zongyu Yue von der Chinesischen Akademie der Wissenschaften.
„Die von Chang’e-6 akquirierten Proben könnten eine der grundlegendsten Fragen der Mondforschung beantworten: Welche geologischen Prozesse sind für die Unterschiede zwischen den beiden Mondhälften verantwortlich?“, sagt Yue. Denn die uns zugewandte Mondseite ist von dünner Kruste und den einst lavagefüllten Maren geprägt. Ihr Gestein enthält hohe Anteile von Seltenerdelementen, Kalium, Phosphor und radioaktivem Thorium (KREEP). Auf der abgewandten Mondseite dominiert hingegen das weit ältere lunare Hochland mit besonders dicker Kruste.
Wie das KREEP-Terrain der Mond-Vorderseite entstand und was dort den Vulkanismus auslöste, ist ebenso rätselhaft wie umstritten. So halten einige Planetenforscher die Gezeitenkräfte der Erde für die Ursache, andere vermuten einen katastrophalen Einschlag dahinter, darunter auch den, der das Südpol-Aitken-Becken schuf.
„Eine echte Goldmine der Wissenschaft“
Die kommenden Analysen der Chang’e-6-Mondproben könnten diese Fragen nun klären helfen. Als erste werden chinesische Forschungsteams die Chance erhalten, die bisher einzigartigen Proben von lunarem Staub und Gestein zu untersuchen, dann sollen auch Wissenschaftler weltweit Proben dieses lunaren „Schatzes“ bekommen. „Es ist eine echte Goldmine der Wissenschaft, eine Schatztruhe“, sagte der US-Planetenforscher James Head von der Brown University gegenüber CNN.
„Meine größte Hoffnung ist es, dass die Chang’e-6-Proben auch einige Einschlags-Schmelzkörnchen enthalten“, sagt Yue. Denn dies könnte nicht nur die Rolle von frühen Einschlägen für die lunare Entwicklung beleuchten, sondern auch wertvolle Informationen über die Impaktgeschichte des gesamten inneren Sonnensystems zu jener Zeit liefern.
Ebenfalls nützlich könnten die Analysen der Mondgesteinsproben für die künftige bemannte Erkundung des Mondes und den Bau von Mondstationen sein. Denn diese müssen zum größten Teil aus dem Material errichtet werden, das vor Ort vorhanden ist – dem Regolith und dem Gestein der lunaren Oberfläche. In irdischen Raumfahrtzentren laufen dafür schon erste Tests für das Herstellen von Bausteinen, aber auch zur Gewinnung von Sauerstoff, Wasser und Metallen aus dem lunaren Regolith.
Quelle: CNSA, CGTN, CNN, BBC News