Medizin

Ein versteinertes Herz

Mediziner suchen Medikamente gegen Verkalkung der Aortenklappe

Ein Teil einer verkalkenden Aortenklappe
Dieser Teil einer Aortenklappe ist bereits teilweise verkalkt. © Bild zur Verfügung gestellt von Mayandi Sivaguru und Bruce Fouke, Roy, J. Carver Biotechnology Center, University of Illinois

Was hier aussieht wie wilde Pinselstriche, die genauso gut in einem Museum für moderne Kunst hängen könnten, sind in Wirklichkeit Teile einer verkalkenden Aortenklappe aus einem menschlichen Herzen. Eine solche Verkalkung zählt zu den häufigsten Todesursachen weltweit. Doch Mediziner sind dem Phänomen nun so genau wie nie zuvor auf die Spur gekommen und könnten dabei sogar den entscheidenden Ansatz für ein Gegenmittel gefunden haben.

Herzkrankheiten sind die weltweit häufigste Todesursache und kosten jedes Jahr rund 18 Millionen Menschen das Leben. Ein Großteil der Todesfälle geht dabei auf eine Verkalkung der Aortenklappe zurück – einer der vier Herzklappen. Sie dient als eine Art Pforte, durch die sauerstoffreiches Blut aus dem Herzen in den Körper gepumpt wird. Im Laufe eines Lebens öffnet und schließt sich die Klappe zu diesem Zweck mehr als drei Milliarden Mal. Doch wenn Kalkablagerungen die Aortenklappe versteifen, kann sie dieser Aufgabe nicht mehr nachkommen und der Betroffene verstirbt, wenn er nicht rechtzeitig ärztliche Hilfe aufsucht.

Auf der Suche nach einem Medikament

„Jedes Organ im Körper kann in perfektem Zustand sein, aber wenn die Aortenklappe nicht mehr funktioniert, ist das das Ende des Lebens“, erklärt Mayandi Sivaguru von der University of Illinois in Urbana-Champaign. Das einzige, was einen Betroffenen dann noch retten kann, ist eine riskante Operation, bei der die verkalkte Aortenklappe durch eine neue, zumeist künstliche ersetzt wird.

Gäbe es allerdings geeignete Medikamente, die die Verkalkung bremsen oder sogar rückgängig machen, könnte erkrankten Menschen eine solche Operation erspart bleiben. Doch für die Entwicklung solcher Medikamente waren bislang noch zu wenige Details über das Phänomen bekannt. An dieser Stelle setzt die Forschung von Sivaguru und seinem Team an: Anhand der Herzen von Verstorbenen haben die Mediziner die Abläufe einer Aortenklappenverkalkung so genau wie nie zuvor untersucht und dabei auch nach natürlichen Abwehrmechanismen des menschlichen Körpers gefahndet.

Alles beginnt mit Kügelchen

Das Ergebnis: Eine Verkalkung der Aortenklappe beginnt mit der Bildung winziger Kügelchen aus Kalziumphosphat in der glatten Muskelschicht der Herzklappe, wie die Mediziner berichten. Im Laufe der Zeit verschmelzen diese Kügelchen dann zu Schichten, die das normalerweise flexible Kollagen in den Klappen nach und nach verkrusten und somit nutzlos machen. Bereits verkalktes Kollagen ist auf dem obigen Bild – einem Teil einer Aortenklappe – in Gelb bis Rot abgebildet, in den blau eingefärbten Bereichen ist das Kollagen hingegen noch unverändert.

Mit welcher Wahrscheinlichkeit ein Mensch eine Aortenklappenverkalkung entwickelt, ist einerseits genetisch bedingt, trifft andererseits wegen der natürlichen Zusammensetzung unseres Blutes aber irgendwann alle Menschen, wie Seniorautor Bruce Fouke von der University of Illinois erklärt: „Unser Blut ist mit Kalzium und Phosphat gesättigt. Die Verkalkung von Kollagen und das Wachstum von Kügelchen ist angesichts unserer Blutchemie, -biologie und -zusammensetzung unvermeidlich.“

Auf dem Weg zum Medikament

Doch gerade weil die Verkalkung mit zunehmendem Alter so unvermeidlich ist, hat unser Körper verschiedene Schutzmechanismen entwickelt, die den Prozess ausbremsen sollen, wie Sivaguru und sein Team entdeckt haben. Demnach produziert unser Herzgewebe große Mengen des Proteins Osteopontin, sobald sich erste Kalziumphosphat-Kügelchen an der Aortenklappe bilden. Das Osteopontin verlangsamt die Knotenbildung und damit die Kollagenverkalkung.

Dieser Mechanismus könnte sich künftig auch für Medikamente nutzen lassen: „Die Förderung der Freisetzung von Osteopontin könnte ein wichtiges neues Ziel sein, um die Verkalkung so weit zu verlangsamen, dass sie keine Bedrohung darstellt oder einen chirurgischen Eingriff erfordert“, wie Fouke erklärt. Irgendwann könnten entsprechende Medikamente die Verkalkung dann vielleicht sogar komplett rückgängig machen, statt sie lediglich auszubremsen, so die Hoffnung der Mediziner. (Scientific Reports, 2024; doi: 10.1038/s41598-024-62962-8

Quelle: University of Illinois at Urbana-Champaign

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