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Klima

Antarktis: Anfangsort der Vereisung identifiziert

Westantarktis vereiste Millionen Jahre später als gedacht und reagierte schon damals sensibler

Bohrgerät
Mithilfe dieses speziellen Bohrers haben Forschende erstmals Sedimentbohrkerne vom Grund der Amundsensee in der Westantarktis gezogen – mit überraschenden Ergebnisse. © MARUM / Martin Künsting

Ende und Anfang verknüpft: Die sensible Reaktion der Westantarktis auf schon leichte Erwärmung hat weit zurückreichende Wurzeln. Denn dieser Teil der Antarktis vereiste nicht schon vor 34 Millionen Jahren gemeinsam mit der Ostantarktis, sondern erst rund sieben Millionen Jahre später, wie Analysen von antarktischen Sedimentbohrkernen enthüllen. Demnach reagierte die Westantarktis auch damals schon sensibler auf erhöhte CO2-Werte – ähnlich wie heute. Das verrät auch einiges über ihr zukünftiges Verhalten.

Heute ist die Antarktis von einem kilometerdicken Eispanzer bedeckt, doch das war nicht immer so: Noch bis zum Ende der Kreidezeit gab es in der Antarktis Dinosaurier und frühe Vögel, am Südpol wuchs ein artenreicher Regenwald. Erst vor rund 34 Millionen Jahren kühlte das Klima stark ab und allmählich begannen Gletscher und Eismassen die zuvor abwechslungsreiche Landschaft mit fruchtbaren Tälern, Schluchten, Gebirgen und Vulkangebieten zu überdecken.

Polarstern vor Eisfront
Die „Polarstern“ vor der Eisfront in der Pine-Island-Bucht der Westantarktis. © Alfred-Wegener-Institut / Johann Klages

Erste Bohrkerne vom Grund der Amundsensee

Doch wo und wann genau die Vereisung der Antarktis begann, war bisher reine Spekulation. Mehr Klarheit hat nun ein Forschungsteam um Johann Klages vom Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (AWI) gewonnen. Dem Team war es erstmals gelungen, während einer Expedition mit dem Forschungsschiff Polarstern einen Bohrkern aus dem stark verdichteten, harten Meeresgrund der westantarktischen Amundsensee zu ziehen. Mithilfe eines speziellen Bohrgeräts entnahmen sie zwei Bohrkerne aus zwei Senken vor den beiden großen Gletschern Pine Island und Thwaites.

Die Analysen ergaben Überraschendes: Anders als erwartet zeigten sich in den rund 34 Millionen Jahre alten Sedimentschichten des Bohrkerns noch keine Anzeichen für eine Vereisung. Obwohl die globalen und regionalen Temperaturen zu dieser Zeit einen ersten Tiefpunkt erreichten, blieb die Westantarktis offenbar noch eisfrei. Stattdessen war die Landschaft dort weiterhin von dichten Laubwäldern bedeckt und es herrscht ein kühl-gemäßigtes Klima, wie Klages und sein Team ermittelten.

Westantarktis blieb zunächst eisfrei

„Das krempelt unser Wissen um die antarktische Erstvereisung komplett um“, sagt Koautor Gerrit Lohmann vom AWI. Um die geologischen Daten und ihre klimatischen Hintergründe besser zu verstehen, führten die Forschenden eine ergänzende Computersimulation durch, in der sie die klimatischen Bedingungen während des Oligozäns rekonstruierten. Sie ermittelten, bei welchen Temperaturen und CO2-Werten die verschiedenen Bereiche der Antarktis vereist sein könnten.

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Die Ergebnisse der Simulation bestätigten die geologischen Daten: „Unsere rekonstruierten Klimadaten für das glaziale Maximum im frühen Oligozän enthüllt ein klares Muster wärmerer Bedingungen im südwestlichen Pazifik und entlang der Küste des Wilkes-Lands“, berichten die Forschenden. Demnach blieb die Westantarktis auch während dieses ersten glazialen Maximums eisfrei. Erst rund sieben Millionen Jahre nachdem die Ostantarktis bereits vergletschert war, vereiste auch der westliche Rand des Südkontinents.

Wo lag die Keimzelle der Antarktis-Vereisung?

Die Rekonstruktion enthüllte auch, wo die Vereisung der Antarktis einst begann: Anders als gedacht lag die „Keimzelle“ des Eispanzers demnach nicht im heute besonders kalten Inneren des Kontinents. Stattdessen identifizierte das Team die Küstenregion des nördlichen Viktorialands in der Ostantarktis als Ursprung der Vereisung. „In einem nahegelegenen Ort im Rossmeer gibt es geologische Belege für bis auf den Grund reichendes Eis schon vor gut 33 Millionen Jahren“, berichten Klages und seine Kollegen.

Der Grund für diesen überraschend küstennahen Geburtsort der Vereisung ist das günstige lokale Klima: In diesem Gebiet der Ostantarktis stießen vom Meer heranziehende feuchte Luftmassen auf das damals schon 1.500 bis 2.000 Meter hohe Transantarktische Gebirge. Dieses zwang die Luftmassen zum Aufsteigen, sie kühlten sich ab und erzeugten starke Schneefälle. Die weltweit sinkenden Temperaturen führten dann dazu, dass dieser Schnee nicht mehr schmolz, sondern liegenblieb und eine wachsende Eiskappe bildete.

Von der Nordostküste breitete sich der Eisschild dann weiter ins Inland aus, während die Westantarktis zunächst weiter eisfrei blieb. „Erst sieben Millionen Jahre später herrschten hier Bedingungen, unter denen sich ein Eisschild bilden konnte“, erklärt Koautorin Hanna Knahl vom AWI. „Unsere Ergebnisse machen deutlich, wie kalt es erst werden musste, um den Eisvorstoß in die Westantarktis zu bringen, die bereits in vielen Teilen unterhalb des Meeresspiegels lag.“

Hinweis auf die künftige Entwicklung

Diese neuen Erkenntnisse liefern jedoch auch wertvolle Einblicke in das heutige und zukünftige Verhalten des westantarktischen Eisschilds: „Unser Modell zeigt eine eisfreie Westantarktis nicht nur für dreifach über den präindustriellen Werten liegende CO2-Werte, sondern auch für nur doppelt so hohe“, berichten Klages und sein Team. Das könnte erklären, warum die Gletscher und Eismassen der Westantarktis auch heute sensibler auf den Klimawandel reagieren als der Eispanzer der Ostantarktis.

„Eine leichte Erwärmung reicht schon aus, um das Eis der Westantarktis wieder zum Schmelzen zu bringen – und genau da befinden wir uns gerade“ sagt Klages. „Unsere Multi-Proxy-Daten und Klima-Eisschild-Simulation zeigen ein hochgradig asymmetrisches Verhalten des antarktischen Eisschilds“, schreibt das Team. „Das liefert essenzielle Einblicke in seine Reaktion auf vergangene und zukünftige Klimaveränderungen.“ (Science, 2024; doi: 10.1126/science.adj3931)

Quelle: Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung

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