Archäologie

Schon steinzeitliche Bauern starben an der Pest

Genanalysen offenbaren Verbreitung des Pesterregers zur Jungsteinzeit

eines der vollständigen gefundenen Skelette
Eines der vollständigen Skelette, die im Ganggrab von Frälsegården gefunden wurden (Person B/FRA043). Das Skelett ist das einer 30 bis 40 Jahre alten Frau, die nur im zweiten Grad mit den anderen untersuchten Individuen verwandt war. Den Strontium-Isotopen in ihren Zähnen zufolge wurde sie außerhalb von Falbygden geboren, wahrscheinlich in einer benachbarten Region Westschwedens. Der Schädel wurde bereits früher während der Ausgrabung entfernt. © Karl-Göran Sjögren

Früher als gedacht: Bereits während der Jungsteinzeit ist es in Skandinavien zu wiederholten Ausbrüchen der Pest gekommen, wie Analysen alter DNA aus 108 Gräbern belegen. Der Erreger war demnach weit verbreitet und könnte wesentlich zum Schrumpfen der damaligen Bauerngesellschaft beigetragen haben, wie die Archäologen in „Nature“ berichten. Die Pest könnte somit schon lange vor den großen Ausbrüchen im Mittelalter die Bevölkerung Europas dezimiert haben.

Vor etwa 5.300 bis 4.900 Jahren, zur Jungsteinzeit, kam es in vielen Teilen Europas zu einem plötzlichen Einbruch der Bevölkerungsdichte. Warum es zu diesem Neolithischen Niedergang kam, ist bis heute nicht vollständig geklärt. Neben Kriegen, Ernteausfällen und Krankheiten als Ursache lautet eine der Vermutungen, dass die damaligen Bauern an der Pest gestorben sein könnten.

Denn einige tausend Jahre bevor die „Schwarze Pest“ im 14. Jahrhundert rund ein Drittel der Europäer tötete, kursierte der Erreger nachweislich bereits in Schweden. Doch ob die Ausbrüche des Pesterregers damals zu einer weitläufigen, tödlichen Epidemie führten oder nur lokal vereinzelte Todesopfer forderten, war bisher umstritten.

Große Steine eines neolithischen Ganggrabs
Neolithisches Ganggrab bei Karleby in Falbygden, Schweden. © Frederik Seersholm

Analyse alter DNA

Ein Forschungsteam um Frederik Valeur Seersholm von der Universität Kopenhagen ist dieser Frage nun genauer nachgegangen. Dafür analysierten die Archäologen die DNA aus Knochen und Zähnen von 108 Personen, die zur Jungsteinzeit in Skandinavien gelebt haben. Die Menschen repräsentieren sechs Generationen verschiedener Familien und wurden in acht steinernen Ganggräbern in Schweden und einer sogenannten Steinkiste in Dänemark gefunden.

Seersholm und seine Kollegen suchten in der DNA nach dem Erbgut des Pesterregers Yersinia pestis und anderen Krankheitserregern. Zudem analysierten sie die Verwandtschaftsbeziehungen der Toten. Per Radiokarbondatierung ermittelten sie außerdem das Alter der menschlichen Überreste.

Karte der Fundorte der untersuchten Skelette
Ausbreitung der Pest im neolithischen Skandinavien. Jedes Symbol steht für ein untersuchtes Individuum. Quadrate stellen Männer dar und Kreise Frauen; Dreiecke stellen eine Person unbekannten Geschlechts dar. Farben weisen auf genetische Abstammung hin und schwarze Kreuze kennzeichnen mit der Pest infizierte Personen. © Seersholm et al., Nature (2024)

Drei Pestausbrüche in 120 Jahren

Tatsächlich fanden die Forschenden frühe Varianten des Pesterregers in 18 der untersuchten Personen. Das entspricht 17 Prozent aller untersuchten Toten und legt damit nicht nur nahe, dass diese Menschen an der Pest gestorben sind, sondern auch dass diese Krankheit in der Jungsteinzeit in Skandinavien weit verbreitet war, so das Team. Neben Yersinia pestis fanden die Archäologen in vier beziehungsweise fünf Prozent der Toten auch die bakteriellen Erreger Yersinia enterocolitica und Borrelia recurrentis. Letzterer wird ebenso wie einige Varianten des Pesterregers über Körperläuse übertragen.

Das Alter der untersuchten Knochen lag überwiegend zwischen 5.200 und 4.900 Jahren, wie das Team berichtet. Zusammen mit den gefundenen Erregervarianten weist das Alter der Gebeine darauf hin, dass diese Menschen über einen Zeitraum von rund 120 Jahren mindestens drei verschiedenen Pestausbrüchen zum Opfer fielen. Aus der Zahl und Verbreitung der Toten pro Krankheitswelle schließen Seersholm und seine Kollegen, dass die ersten beiden Pestausbrüche eher klein und lokal verliefen. Der dritte Ausbruch könnte jedoch eine größere Pestepidemie gewesen sein.

Tödliche oder chronische Epidemie?

Möglicherweise waren die jungsteinzeitlichen Pestausbrüche in Skandinavien sogar ansteckender oder tödlicher als spätere Pestepidemien. Denn die in den Toten gefundenen Varianten von Yersinia pestis wiesen genetische Merkmale seines Vorfahren Yersinia pseudotuberculosis auf, die den Erreger ansteckender gemacht haben könnten. „Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass der jüngste von uns identifizierte Peststamm epidemisches Potenzial gehabt haben könnte”, sagt Seersholm.

Insgesamt belegen die Funde, dass die Pest schon zur Jungsteinzeit tödliche Epidemien auslösen konnte. Das legt nahe, dass die Pest maßgeblich am Neolithischen Niedergang beteiligt gewesen sein könnte, schließt das Team. Demnach könnte die Pest auch schon lange vor den großen Ausbrüchen im Mittelalter die Bevölkerung Europas stark dezimiert haben. Ebenso sei es jedoch auch möglich, dass die Pest zur Jungsteinzeit zwar sehr ansteckend, aber nicht unbedingt tödlich war. Es könnte sich auch um „eine weniger schwere oder chronische Krankheitsmanifestation“ gehandelt haben, so das Team.

Einblicke ins steinzeitliche Familienleben

Die Genanalysen und Verwandtschaftsbeziehungen der untersuchten Personen offenbaren darüber hinaus auch, wie die Menschen zur Jungsteinzeit zusammenlebten. Seersholm und seine Kollegen fanden beispielsweise Überreste von vier Männern, die Nachkommen mit mehreren Frauen zeugten. Umgekehrt fanden sie keine Frauen, die sich mit mehreren Männern fortpflanzten.

Das legt nach Ansicht der Forschenden nahe, dass die Gesellschaften damals nach einer männlich ausgerichteten Abstammungslinie strukturiert waren. Frauen haben dabei wahrscheinlich gelegentlich in benachbarte Gruppen eingeheiratet und dort neue Familien gegründet, so das Team. (Nature, 2024; doi: 10.1038/s41586-024-07651-2)

Quelle: Nature, Universität Kopenhagen

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