Medizin

Diabetes: Lassen sich insulinproduzierende Zellen nachzüchten?

Neue Diabetes-Therapie könnte körpereigene Insulinproduktion wieder ankurbeln

Betazellen
Die Betazellen (grün) der Bauchspeicheldrüse produzieren das Blutzuckerhormon Insulin. Eine neue Therapie könnte diese Zellen bei Diabetikern vermehren und regenerieren. © Masur/ CC-by-sa 3.0

Turbo für Betazellen: Eine neuartige Kombinationstherapie könnte Diabetes an seiner Wurzel bekämpfen – indem sie die Anzahl der insulinproduzierenden Betazellen erhöht. In Versuchen an Mäusen, denen menschliche Betazellen implantiert wurden, verbesserten die getesteten Medikamente die Vermehrung, Funktion und Lebensdauer dieser körpereigenen Insulinproduzenten. Ob die Therapie auch bei Menschen wirksam und sicher ist, sollen zukünftige Studien zeigen.

Weltweit leiden etwa 537 Millionen Menschen an Diabetes. Prognosen gehen davon aus, dass sich die Zahl bis 2050 mehr als verdoppeln könnte. Das Hauptsymptom ist eine gestörte Regulation des Blutzuckers durch das Hormon Insulin. Bei Diabetes Typ 1 greift das Immunsystem die insulinproduzierenden Betazellen an und zerstört sie, sodass ein Mangel an Insulin entsteht. Menschen mit Diabetes Typ 2 dagegen entwickeln eine Resistenz gegen Insulin, was zu einer Überlastung der Betazellen führt und langfristig ebenfalls ihre Zerstörung nach sich zieht.

Diabetes
Bei einem Diabetes werden die insulinproduzierenden Betazellen durch Antikörper zerstört (Typ 1) oder gehen durch Überbeanspruchung zugrunde (Typ 2). © ttsz/ iStock

Kombination mit bekanntem Diabetesmedikament

Ein Team um Carolina Rosselot vom Mount Sinai Hospital in New York hat nun an Mäusen eine Therapie getestet, die womöglich dazu beitragen könnte, dass sich die körpereigenen Betazellen regenerieren und die Insulinproduktion wieder in Schwung bringen. „Die Zahl der insulinproduzierenden Betazellen ist bei den meisten Menschen mit Diabetes zwar reduziert, aber die meisten haben noch einige Betazellen übrig“, erklären die Forschenden. Auf diese verbleibenden Betazellen soll die neue Therapie zielen.

Medikamentenscreenings hatten zuvor gezeigt, dass eine Hemmung der sogenannten dualen Tyrosin-regulierten Kinase 1A (DYRK1A) in Zellkulturen die Vermehrung menschlicher Betazellen fördern kann. Verstärkt wird dieser Effekt durch klassische Diabetesmedikamente, die sogenannten GLP1-Rezeptor-Agonisten – zu diesen Wirkstoffen gehört auch das als „Abnehmspritze“ bekannte Semaglutid.

„Bisher war jedoch unklar, ob sich dieser Effekt auch im lebenden Organismus zeigt“, schreibt das Team. „Zudem war unbekannt, wie sich die Medikamentenkombination auf das Überleben der Betazellen auswirkt.“

Menschliche Betazellen in Mäusen

Um diese Fragen zu klären, implantierten Rosselot und ihre Kollegen eine kleine Anzahl menschlicher Betazellen in Mäuse, die als Modellorganismen für Typ-1- und Typ-2-Diabetes gezüchtet worden waren. Anschließend behandelten sie die Tiere mit einer Kombinationstherapie aus dem DYRK1A-Hemmstoff Harmin und dem GLP1-Rezeptor-Agonisten Exendin-4. Mit Hilfe einer speziellen Technik der Bildgebung erfassten sie die Anzahl der Betazellen.

Und tatsächlich: Nach drei Monaten hatte sich die Anzahl der Betazellen bei den behandelten Tieren um das Vier- bis Siebenfache erhöht. „Die Vermehrung der Betazellen erfolgte durch eine erhöhte Teilungsrate der Zellen, eine verbesserte Zellfunktion und eine gesteigerte Überlebensrate“, berichtet das Team.

Studien an Menschen geplant

„Das ist das erste Mal, dass eine medikamentöse Behandlung nachweislich die Zahl der menschlichen Betazellen in vivo erhöht“ sagt Koautor Adolfo Garcia-Ocaña vom City of Hope Beckman Research Institute in Kalifornien. „Diese Forschung gibt Hoffnung für den Einsatz zukünftiger regenerativer Therapien zur Behandlung von Hunderten Millionen Menschen mit Diabetes.“

Ob die Kombinationstherapie allerdings auch bei Menschen sicher und wirksam ist, ist bislang unklar. Nach den vielversprechenden Ergebnissen aus ihren Tierversuchen plant das Team nun klinische Studien an Menschen. Dabei wollen die Forschenden auch versuchen, mit Hilfe von Immunmodulatoren zu verhindern, dass das Immunsystem bei Patienten mit Typ-1-Diabetes die neuen Betazellen gleich wieder zerstört. (Science Translational Medicine, 2024, doi: 10.1126/scitranslmed.adg3456)

Quelle: The Mount Sinai Hospital / Mount Sinai School of Medicine

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