Materialforschung

Strom aus dem Computerchip?

Neues thermoelektrisches Material ebnet den Weg für Strom-Rückgewinnung direkt auf dem Mikrochip

Germanium und Zinn
Eine Legierung der beiden Elemente Germanium und Zinn wirkt thermoelektrisch und könnte Strom aus der Abwärme von Computerchips rückgewinnen. © PeterHermesFurian, blackdovfx/ iStock

Doppelter Nutzen: Ein neues Material könnte künftig Computer und andere Elektronik kühlen und gleichzeitig Strom gewinnen – direkt auf der Ebene des Mikrochips. Möglich wird dies durch eine Legierung aus dem Halbleiter Germanium und Zinn. Sie reagiert thermoelektrisch und gibt bei Bildung eines Temperaturgradienten Elektronen ab. Gleichzeitig ist dieses thermoelektrische Material das erste, das direkt in einen Mikrochip integriert werden kann, wie die Forschenden berichten. Dies könnte KI-Systeme, Datenzentren und andere Rechner klimafreundlicher machen.

Ob künstliche Intelligenz, der PC oder große Datenzentren: Elektronik und Computertechnik braucht nicht nur viel Strom, sie erzeugt auch Abwärme, die Mikrochips ohne ausreichende Kühlung heiß laufen lässt. Bisher verpufft diese Wärme jedoch meist ungenutzt. Allein in Europa gehen so jährlich etwa 1,2 Exajoule an Energie aus IT-Infrastrukturen, Rechenzentren oder Smart Devices verloren – dies entspricht dem Energieverbrauch von Ländern wie Österreich oder Rumänien.

Material für thermoelektrische Stromgewinnung gesucht

Theoretisch könnte man einen Teil dieser ungenutzten Energie zurückgewinnen und in Strom umwandeln – beispielsweise über thermoelektrische Materialien. Diese kristallinen Feststoffe haben eine geringe Wärmeleitfähigkeit, leiten aber Strom sehr gut. Dadurch entsteht beim einseitigen Erwärmen ein starker Temperaturgradient, der Elektronen im Kristallgitter mobilisiert – es fließt ein Strom. Solche thermoelektrischen Generatoren können sogar aus unserer Körperwärme Strom gewinnen.

Das Problem jedoch: Ausgerechnet in die Elektronik ließ sich diese direkte Stromgewinnung aus Wärme bisher nicht integrieren. „Dies liegt an einem großen Nachteil: Es gab bisher keine mit den Silizium-Halbleitern der Mikrochips kompatible Materialien, die bei den Arbeitstemperaturen der integrierten Schaltkreise thermoelektrisch sind“, erklären Omar Concepción Díaz vom Forschungszentrum Jülich und seine Kollegen. Die mit den gängigen Chipfertigungstechniken integrierbaren Halbleiter sind dafür viel zu gute Wärmeleiter.

Titelseite
Das neue thermoelektrische Material ziert die Titelseite des Fachjournals. © ACS Applied Energy Materials/ CC-by 4.0

Germanium-Zinn-Legierung wäre geeignet

Doch Díaz und sein Team haben nun ein Material gefunden, das gute thermoelektrische Eigenschaften besitzt und dennoch leicht in einen Mikrochip integrierbar ist. Dabei handelt sich um den Halbleiter Germanium, dem sie zwischen zehn und 14 Prozent Zinn zusetzten. „Das Hinzufügen von Zinn zu Germanium reduziert die thermische Leitfähigkeit erheblich, während die elektrischen Eigenschaften beibehalten werden – eine ideale Kombination für thermoelektrische Anwendungen“, erklärt Seniorautor Dan Buca vom Forschungszentrum Jülich.

Konkret ergaben die Tests: „Der Zinn-Zusatz bewirkt eine 30-mal niedrigere thermische Leitfähigkeit als beim reinen Germanium und eine zehnfach niedrigerer als bei Silizium“, berichtet das Team. Eine Germanium-Zinn-Legierung mit zwölf Prozent Zinn zeige bei Schichtdicken von 100 bis 700 Nanometern eine Wärmeleitung von nur fünf Watt pro Meter x Kelvin. Die elektrische Leitfähigkeit des Materials wird davon jedoch nicht beeinträchtigt.

Gute Aussichten für die „Green IT“

Nach Ansicht von Díaz und seinem Team eröffnet dies neue Möglichkeiten, Computertechnik effizienter und klimafreundlicher zu machen. Integriert man die Germanium-Zinn-Legierung als thermoelektrisches Element in siliziumbasierte Mikrochips, kann sie im Betrieb erzeugte Abwärme nutzen und in elektrische Energie umwandeln. Dieses „Energy Harvesting“ auf dem Chip könnte den Bedarf an externer Kühlung und Strom reduzieren und so die Effizienz der elektronischen Geräte steigern.

„Unsere Forschung kann erhebliche Auswirkungen auf den Bereich der ‚Green IT‘-Infrastrukturen haben“, sagt Koautor Giovanni Capellini vom Leibniz Institut für innovative Mikroelektronik in Frankfurt/Oder. Das Fachjournal setzte die Studie des Teams auf das Titelblatt der aktuellen Ausgabe. (ACS Applied Energy Materials, 2024; doi: 10.1021/acsaem.4c00275)

Quelle: Forschungszentrum Jülich

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