Sonnensystem

Eine zugängliche Lavahöhle auf dem Mond

Radaranalysen bestätigen Lavagang unter dem größten "Skylight" des Mondes

Mare Tranquillitatis Pit
Blick auf den Mare Tranquillitatis Pit, das größte Skylight des Mondes. Am Grund dieser 100 Meter großen Öffnung beginnt ein großer Lavagang, wie nun Radaranalysen bestätigen. © NASA/GSFC/ Arizona State University

Auf dem Mond haben Forscher eine große, zugängliche Lavahöhle entdeckt – ein mögliches Refugium für künftige Mondastronauten. Der Zugang zu dieser Höhle liegt im größten und tiefsten „Skylight“ des Mondes, dem kreisrunden, rund 100 Meter großen „Mare Tranquillitatis Pit“ im Meer der Ruhe. Von dieser Grube geht ein Lavagang aus, der mindestens 30 bis 80 Meter lang ist und einen Durchmesser von 45 Metern hat, wie neue Analysen von Radardaten enthüllen.

Lunare Höhlen gelten als besonders günstige Standorte für künftige Mondstationen, denn dort wären Astronauten vor den harschen Bedingungen der Oberfläche geschützt. Vor allem in den einst vulkanisch aktiven Mondmaren könnte es solche Höhlen in Form von Lavagängen im Untergrund geben. Eine dieser Lavahöhlen im Ozean der Stürme könnte sogar bis zu einen Kilometer breit und hoch und 50 Kilometer lang sein. Und sogar in einem Krater im wassereisreichen Polargebiet des Mondes haben Planetenforscher Hinweise auf Lavahöhlen entdeckt.

Lavagang mit SKylights
Zugängliche Lavahöhlen mit Skylights, wie hier auf Island, gibt es auch auf dem Mond, wie nun Radaranalysen bestätigen. Sie könnten Astronauten Schutz bieten. © Carsten Heyde/ Getty images

Was verbirgt sich unter den Skylights?

Als Indizien für verborgene Mondhöhlen gelten vor allem die „Skylights“, kreisrunde, tiefe Löcher in der Mondoberfläche. An einigen Stellen scheinen sogar ganze Ketten von Senken, eingesenkten Gräben und solchen Öffnungen vorzukommen. Solche Formationen entstehen auf der Erde meist durch den Einsturz einer Lavagang-Decke. „Obwohl inzwischen mehr als 200 solcher Löcher auf dem Mond detektiert worden sind, ist jedoch unklar, ob diese Öffnungen zu Höhlengängen im Untergrund führen“, erklären Leonardo Carrer von der Universität von Trient in Südtirol und seine Kollegen.

Das Problem: Die Kameras und Radarinstrumente von Raumsonden im Mondorbit können meist nur senkrecht oder maximal leicht schräg in diese Öffnungen hineinblicken. Sie zeigen dadurch nicht, ob und wie weit es am Grund der Skylights seitlich weitergeht. Mehr Einblicke verschaffen nun jedoch neue Analysen von Radardaten des Mini-Radio-Frequency Instruments an Bord der NASA-Raumsonde Lunar Reconnaissance Orbiter. Dieses SAR-Radargerät hat die Mondoberfläche in besonders flachem Winkel abgetastet.

„Unter den richtigen Bedingungen kann das von diesem Radar abgestrahlte elektromagnetische Feld in die Öffnungen eindringen und dabei auch unterirdische Gänge in Form messbarer Radarsignale teilweise sichtbar machen“, erklären die Forscher.

Anomale Radarechos am tiefsten Loch des Mondes

Für ihre Studie haben Carrer und sein Team neue Analyseverfahren eingesetzt, um Radaraufnahmen des größten und tiefsten Skylights auf dem Mond auszuwerten – dem Mare Tranquillitatis Pit im Meer der Ruhe. Dieses zylindrische Loch hat einen Durchmesser von rund 100 Metern und ist rund 75 bis 80 Meter tief. Sein Grund ist von einer Mischung aus feinerem Regolith und bis zu zehn Meter großen Felsbrocken bedeckt – möglicherweise Trümmern der einstigen Höhlendecke.

In den Radardaten dieser Grube zeigte sich eine Auffälligkeit: „Die Aufnahmen enthüllen eine anomale Zunahme der Radarechos jenseits der Westseite der Grube“, berichten die Forscher. Diese Signale seien nicht mit Oberflächenstrukturen an dieser Stelle zu erklären und müssten daher von einer Struktur unter der lunaren Oberfläche stammen. Ganz ähnliche Radarsignale wurden auf der Erde meist bei Skylights beobachtet, unter denen ein Höhlengang liegt, wie das Team erklärt.

Um zu überprüfen, ob dies auch beim Mare Tranquillitatis Pit der Fall sein könnte, glichen die Wissenschaftler die Radardaten mit einer Computersimulation ab, in der sie verschiedene Strukturen und ihre Darstellung im Radar virtuell nachstellten.

Lavahöhlen auf dem Mond.© NASA

Eine zugängliche Lavahöhle

Das Ergebnis bestätigte die Vermutungen: „Die wahrscheinlichste Erklärung für unsere Beobachtungen ist ein leerer Lavagang“, berichtet Carrer. Diese Lavahöhle könnte einen Durchmesser von rund 45 Meter haben und 30 bis 80 Meter weit seitlich in den Untergrund reichen – möglicherweise sogar noch weiter. Denn wegen des schrägen Winkels reichen die Radarstrahlen nicht weiter seitlich in den Hohlraum hinein, wie das Team erklärt.

Spannend auch: Den Analysen zufolge ist der Lavagang wahrscheinlich nur leicht geneigt und könnte daher vom Grund des Skylights gut zugänglich sein. „Diese Entdeckung liefert damit den ersten direkten Nachweis einer zugänglichen Lavahöhle unter der Oberfläche des Mondes“, sagt Seniorautor Lorenzo Bruzzone von der Universität von Trient. Gleichzeitig könnte der Fund darauf hindeuten, dass es solche Lavagänge – wie schon länger vermutet – auch unter Skylights anderer lunarer Mare gibt.

Perfekte Bedingungen für Astronauten?

Damit könnten solche Höhlen möglicherweise als Stützpunkte für künftige Mondmissionen dienen. Erst kürzlich ermittelten NASA-Forscher auf Basis von thermischen Daten und Modellen, dass die Temperaturen in Lavagängen des Mare Tranquillitatis Pit wahrscheinlich konstant bei rund 17 Grad liegen – nahezu perfekte Bedingungen für Astronauten. Zudem wären diese in der Höhle vor der harten Strahlung an der Mondoberfläche geschützt.

Die lunaren Lavagänge könnten aber auch wertvolle Informationen über die geologische Vergangenheit des Mondes liefern: „Die künftige direkte Erkundung dieser Strukturen könnte entscheidende Einblicke in die Entstehung der lunaren Maria geben, indem sie uns Zugang zu Lavaproben unterschiedlichen Alters bietet.“ (Nature Astronomy, 2024; doi: 10.1038/s41550-024-02302-y)

Quelle: Nature Astronomy, Università di Trento

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