Ein uralter Brite: Auf der englischen Isle of Wight haben Paläontologen das Fossil eines neuen pflanzenfressenden Dinosauriers entdeckt. Das gut erhaltene Skelett ist das vollständigste Dino-Fossil, das seit einem Jahrhundert in Großbritannien entdeckt wurde. Der bisongroße und rund eine Tonne schwere Comptonatus chasei lebte vor etwa 125 Millionen Jahren und bildete wahrscheinlich größere Herden. Einige Merkmale des Fossils geben allerdings noch Rätsel auf.
Die Iguanodontia waren eine vielfältige und erfolgreiche Gruppe pflanzenfressender Dinosaurier. Ihnen gehörten neben dem namensgebenden Iguanodon auch Entenschnabeldinosaurier wie der Parasaurolophus mit seinem nach hinten gebogenen Knochenkamm an. Die Iguanodontia bewegten sich vorranging auf vier Beinen fort, konnten aber wahrscheinlich auch auf ihren Hinterbeinen stehen und laufen.
Ein Jahrhundertfund von der Insel
Auf der Isle of Wight, einer südenglischen Insel vor Portsmouth, haben Paläontologen nun einen weiteren, bislang unbekannten Vertreter der Iguanodontia entdeckt. Das 125 Millionen Jahre alte Fossil ist zu großen Teilen erhalten und damit das vollständigste Dinosaurier-Skelett, das seit einem Jahrhundert in Großbritannien freigelegt wurde. Insgesamt 149 Knochen, darunter ein Großteil des Schädels und der Wirbelsäule, hat der Dinosaurier der Nachwelt hinterlassen.
Als besonders auffällig stellten sich dabei die für Iguanodontia ungewöhnlich gerade Kante des Unterkiefers, aber auch das riesige, tellergroße Schambein heraus. „Wahrscheinlich diente es der Befestigung von Muskeln, was bedeuten könnte, dass seine Art der Fortbewegung etwas anders war, oder es könnte dazu dienen, den Mageninhalt besser zu stützen, oder es könnte sogar damit zu tun haben, wie das Tier atmete, aber all diese Theorien sind eher spekulativ“, erklärt Jeremy Lockwood von der University of Portsmouth, der das Fossil zusammen mit seinen Kollegen untersucht hat.
Ein bisongroßer „Donnerer“
Lockwood und sein Team haben den neuen Dinosaurier auf den Namen „Comptonatus chasei“ getauft, was so viel bedeutet wie „Chases Compton-Donnerer“. Damit spielen die Paläontologen auf den Fundort in den Klippen der Compton Bay an und ehren gleichzeitig den Entdecker des Fossils: den mittlerweile verstorbenen Fossiliensammler Nick Chase.
Doch auch der Namensteil „Donnerer“ kommt nicht von ungefähr. „Dieses Tier wäre etwa eine Tonne schwer gewesen, etwa so groß wie ein großer, männlicher amerikanischer Bison“, berichtet Lockwood. „Fossile Fußabdrücke, die in der Nähe gefunden wurden, zeigen, dass es sich wahrscheinlich um ein Herdentier handelte, sodass möglicherweise große Herden dieser schweren Dinosaurier umherdonnerten, wenn sie von Raubtieren in den Überschwemmungsgebieten vor über 120 Millionen Jahren aufgeschreckt wurden.“
Ein solches Raubtier könnte der noch namenlose, riesige Spinosaurier gewesen sein, dessen Überreste erst vor wenigen Jahren ebenfalls auf der Isle of Wight gefunden wurden.
Dino-Welt Südenglands war vielfältiger als gedacht
Die Existenz des Comptonatus chasei deutet daraufhin, dass die Vielfalt der südenglischen Dinosaurier während der frühen Kreidezeit viel größer gewesen sein könnte als bisher angenommen, wie die Forschenden berichten. Auch haben die Iguanodontia in dieser Gegend offenbar eine rasche Evolution durchlaufen, denn zwei eng mit Comptonatus verwandte Arten – Brighstoneus und Mantellisaurus – lebten jeweils nur kurze Zeit vor beziehungsweise nach ihm.
„Das Exemplar zeigt, wie schnell sich die iguanodontischen Dinosaurier in dieser Zeitspanne entwickelten, und könnte uns verstehen helfen, wie sich die Ökosysteme nach einem mutmaßlichen Aussterbeereignis am Ende der Jurazeit erholten“, erklärt Seniorautorin Susannah Maidment vom Londoner Naturkundemuseum. (Journal of Systematic Palaeontology, 2024; doi: 10.1080/14772019.2024.2346573)
Quelle: University of Portsmouth