Wenn wir bei einem Arzt oder einer Ärztin im Sprechzimmer sitzen und diese uns mit einem kleinen Hämmerchen auf die Stelle unterhalb des Knies klopfen, hebt sich unwillkürlich unser Unterschenkel. Diese Reaktion ist bei nahezu allen Menschen gleich und nicht bewusst gesteuert, sondern ein sogenannter unbedingter, angeborener Reflex. Dabei löst ein überraschender Reiz an der Kniesehne automatisch eine Muskelreaktion im Oberschenkel aus.
Marionettenartige Bewegungen
Ähnliches passiert bei einem Schlag auf die Achillessehne oder die Sehne des Wadenmuskels am Innenknöchel: der Fuß beugt sich automatisch kurzzeitig zur Fußsohle hin beziehungsweise nach innen. Auch Bizeps und Trizeps im Oberarm reagieren entsprechend mit marionettenartiger Armbeugung oder -streckung, wenn die zugehörigen Sehnen in der Ellenbeuge oder oberhalb des Ellenbogens einen Schlag abbekommen.
Ebenso senken und schließen sich unser Augenlider unwillkürlich, wenn uns etwas an der Hornhaut oder den Wimpern berührt oder reizt – etwa wenn eine Fliege, ein Staubkorn oder ein Luftstoß auf das Auge trifft. Raumgreifender fällt die Reaktion hingegen aus, wenn wir mit der Hand eine heiße Herdplatte, ein Messer oder einen anderen gefährlichen Gegenstand berühren. Dann ziehen sich nicht nur die Handmuskeln reflexartig zusammen, sondern der ganze Arm schnellt zurück.
Wenn Finger oder Hoden zucken
Ein seltener zu beobachtender Effekt, der nicht bei allen Erwachsenen auftritt, ist der sogenannte Knips-Reflex. Dabei beugen sich die Finger, wenn ein auf den Fingernagel ausgeübter Druck plötzlich nachlässt. Überprüfen lässt sich das, indem man einen Finger zwischen Daumen und Zeigefinger nimmt, auf den Nagel drückt und dann loslässt.
Skurril erscheint zunächst auch der Kremasterreflex bei Männern, wegen seines Effekts auch Hodenheberreflex genannt. Auslöser ist eine Berührung der Oberschenkelinnenseite oder Kälte, woraufhin sich der Musculus cremaster zusammenzieht und den Hoden derselben Körperseite anhebt. Dieser Muskel gehört zur seitlichen Bauchmuskulatur.
Äußere und innere Reflexe
Oft sind es einzelne Muskelpartien, die reflexiv reagieren. Doch es kann auch ein ganzes Organ, Gewebe oder der ganze Körper sein. Ist uns beispielsweise kalt, beginnen wir unwillkürlich zu zittern. „Das Zittern ist im Prinzip eine Wärmeproduktion durch die Skelettmuskeln“, erklärt Kazuhiro Nakamura von der Oregon Health & Science Universität. Wie andere Reflexe können wir diese Muskelvibrationen nicht bewusst steuern.
Zudem ziehen sich bei Kälte oder starken Emotionen die Muskeln der Haarfollikel in unserer Haut zusammen, sodass wir eine Gänsehaut bekommen. Die aufgestellten Haare dienten vor Urzeiten einst dazu, uns zu wärmen, weil sich dort warme Luft sammelt, und zugleich zur Abschreckung von Feinden. Im Zuge der Evolution haben wir unsere Körperbehaarung jedoch weitgehend verloren. Der Effekt ist damit hinfällig, der Reflex dennoch geblieben.
Gut sichtbar sind solche Reflexe bei äußeren Körperteilen. Doch auch in unserem Inneren kommt es zu unwillkürlichen Reaktionen. Beispielsweise ziehen sich, wenn unsere Atemwege gereizt werden, unsere Bauchmuskeln und das Zwerchfell zusammen, damit wir Husten oder Schluckauf bekommen. Bei einem Reiz im Rachen reagieren wiederum die Rachenmuskeln mit einem Würgereflex.
Sehen und Schmecken
Beim Pupillenreflex reizt starkes Licht den Sehnerv in unserem Auge, woraufhin sich die Pupille verengt, um weniger Licht durchzulassen. Umgekehrt weitet sich die Pupille, wenn es dunkel ist oder wir in Aufregung geraten, wie Musik und Geräusche anzeigen. „Wenn ein Störgeräusch ein emotionales Geräusch ist, werden unsere Pupillen automatisch noch größer“, erklärt Nicole Wetzel von der Universität Leipzig.
Ein weiterer Reflex, lässt uns das Wasser im Mund zusammenlaufen: Wenn wir essen, regen Geschmacksrezeptoren im Mund den Speichelfluss an. Doch wie kommt es in unserem Körper zu solchen automatisierten Reaktionen? Wie kommt ein Reflex anatomisch betrachtet zustande?