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Astronomie

Zweites Schwarzes Loch im Milchstraßenzentrum?

Astronomen finden Hinweise auf ein intermediäres Schwarzes Loch direkt neben Sagittarius A*

Zwei Schwarze Löcher
Nahe am zentralen Schwarzen Loch der Milchstraße könnte noch ein zweites, kleineres Schwarzes Loch liegen.© Caltech-IPAC

Unsichtbarer Begleiter? Im Zentrum unserer Milchstraße könnte sich ein zweites Schwarzes Loch verbergen – und noch dazu eines der seltenen intermediären Schwarzen Löcher, wie Astronomen berichten. Indizien dafür lieferte die Sternengruppe IRS 13, die direkt neben dem zentralen Schwarzen Loch Sagittarius A* liegt. Die Bewegungen dieser Sterne sprechen dafür, dass eine unsichtbare, große Masse sie zusammenhält und auf geordnete Bahnen zwingt. Auch Röntgen- und Radiostrahlung deutet auf die Präsenz eines verborgenen Schwarzen Lochs hin.

Im Zentrum der Milchstraße liegt, wie bei allen Galaxien, ein supermassereiches Schwarzes Loch. Sagittarius A* ist jedoch nur über die um seine Ereignishorizont kreisenden Gase und seine Wirkung auf nahe Sterne nachweisbar. Die enorme Gravitation des Schwarzen Lochs beschleunigt diese Sterne bis auf Rekordgeschwindigkeiten und verzerrt ihr Licht. Auch neue Sterne dürften unter diesen Extrembedingungen nicht entstehen, weil die dafür nötigen Gaswolken sofort zerrissen werden.

Umso rätselhafter ist die Entdeckung gleich mehrerer Protosterne mitsamt Staubkokons, die in unmittelbarer Nachbarschaft von Sagittarius A* liegen. Obwohl diese Jungsterne nur 0,1 bis 0, 3 Lichtjahre vom Schwarzen Loch entfernt liegen, konnten sie und ihre Geburtswolken offenbar allen Schwerkraftturbulenzen trotzen – aber warum?

Sternhaufen IRS 13
Der zentrale Sternenhaufen IRS 13 und die in ihm untersuchte Sterne. Die Pfeile zeigen die Geschwindigkeit ihrer Bewegung an. © Peißker et al./ The Astrophyical Journal, CC-by 4.0

Sternenbahnen im Visier

Dieser Frage sind nun Astronomen um Florian Peißker von der Universität zu Köln nachgegangen. Dafür werteten sie die Bewegungsdaten der Sterne aus, die im Sternenhaufen IRS 13 liegen – der Gruppe, die auch die „unmöglichen“ Protosterne beherbergt. Dieser Sternenhaufen ist die dichteste und größte zusammenhängende Struktur in unmittelbarer Nachbarschaft von Sagittarius A*. „Dieser faszinierende Sternenhaufen überrascht die wissenschaftliche Community immer wieder, seitdem er vor rund zwanzig Jahren entdeckt wurde“, sagt Peißker.

Und auch jetzt wartet IRS 13 mit einer Überraschung auf: „Die Analyse von rund 50 stellaren Orbits enthüllt eine neue Struktur, die keinem in der Literatur bekannten Trend folgt“, berichten die Astronomen. „Basierend auf diesen Orbits identifizieren wir eine Substruktur im tief eingebetteten Cluster, die IRS 14 als scheibenartiges System kategorisiert.“ Demnach folgen die Sterne in diesem Haufen geordneten Bahnen, die nicht allein durch den Einfluss des nahen Schwarzen Lochs Sagittarius A* zu erklären sind. Zudem erwies sich der Sternenhaufen als deutlich größer als zuvor gedacht.

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Unsichtbarer Attraktor

Das aber bedeutet: Irgendwo in diesem Sternencluster muss es etwas geben, dass den Haufen zusammenhält und die Bahnen seiner Sterne beeinflusst. Aber was? Ergänzende Hinweise darauf lieferten den Astronomen Daten des NASA-Röntgenteleskops Chandra und der Radioteleskope des ALMA-Observatoriums in Chile. Aus diesen Daten geht hervor, dass es im Sternenhaufen IRS 13 eine Zone gibt, in der ionisierte Gase mit hoher Geschwindigkeit um ein unsichtbares Zentrum kreisen.

Lage des Schwarzen Lochs
Diese Aufnahme im Radiobereich zeigt Strahlungsemissionen angeregten Wasserstoffs (H30α) und in grün eingezeichnet den Gezeitenradius (Hill-Radius) des verborgenen intermediären Schwarzen Lochs. © Peißker et al./ The Astrophyical Journal, CC-by 4.0

Nach Ansicht von Peißker und seinem Team sprechen ihre Ergebnisse dafür, dass sich im Sternenhaufen IRS 13 ein Schwarzes Loch von rund 30.000 Sonnenmassen verbirgt – ein intermediäres Schwarzes Loch. Dessen Gravitationswirkung hält die Sterne im Cluster zusammen und wirkt so wie ein Stabilisator gegen die konkurrierende Anziehungskraft des sehr viel massereicheren Schwarzen Lochs Sagittarius A*.

Tatsächlich ist dies nicht das erste Mal, dass Astronomen die Existenz eines solche zweiten Schwarzen Lochs im Milchstraßenzentrum postulieren: Schon 2019 vermutete ein Forschungsteam aufgrund von Auffälligkeiten einiger Sternenbahnen, dass Sagittarius A* von einem kleineren „Artgenossen“ umkreist wird.

Doppelt spannend

Sollte sich der Fund eines zweiten Schwarzen Lochs im Galaxienzentrum bestätigen, dass wäre dies eine spektakuläre Entdeckung – aus gleich mehre Gründen. Zum einen sind solche mittelschweren Schwarze Löcher extrem selten, bisher sind nur rund eine Handvoll Kandidaten von ihnen bekannt. Das bisher am besten belegte Exemplar wurde erst vor kurzem im Kugelsternhaufen Omega Centauri entdeckt.

Zum andern gelten diese Schwarzen Löcher als mögliche Zwischenform zwischen stellaren Schwarzen Löcher aus Supernovae und den supermassereichen Schwarzen Löchern im Herzen von Galaxien. Astronomen vermuten, dass letztere durch Verschmelzungen solcher Zwischenformen herangewachsen sein könnten. Das nun in IRS 13 entdeckte Schwarze Loch könnte ein noch nicht verschmolzenes Überbleibsel solcher Vorformen sein. „Es scheint sich bei IRS 13 möglicherweise um einen essentiellen Baustein für das Wachstum unseres zentralen Schwarzen Lochs Sagittarius A* zu handeln“, mutmaßt Peißker.

Die Astronomen planen nun, den Sternenhaufen IRS 13 samt des in ihm verborgenen Objekts mit dem James-Webb-Weltraumteleskop und später mit dem gerade in Chile im Bau befindlichen Extremely Large Telescope (ELT) näher in Augenschein zu nehmen. „Mit diesen Beobachtungen werden wir unsere Hypothese eines intermediären Schwarzen Lochs in diesem Cluster überprüfen“, so Peißker und seine Kollegen. (The Astrophysical Journal, 2024; doi: 10.3847/1538-4357/ad4098)

Quelle: Universität zu Köln

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