Technik

Der Magnet-Trick: Neue Erfindung lässt Vibrationen verschwinden

Technische Universität Wien

Eine völlig neue Methode, störende Vibrationen zu dämpfen, patentierte die TU Wien. Für Präzisionsgeräte wie astronomische Hochleistungsteleskope ist das ein wichtiger Schritt.

Wenn alles wackelt, ist Präzision meist unmöglich – das weiß man, wenn man mit zittrigen Händen ein Foto aufnehmen, oder bei einer rumpeligen Busfahrt handschriftliche Notizen machen möchte. Bei technischen Präzisionsmessungen sind schon viel geringere Vibrationen ein großes Problem, etwa bei Hochleistungsmikroskopen, oder auch bei präzise ausgerichteten Teleskopspiegeln. Auch kleinste Schwingungen, die für den Menschen gar nicht wahrnehmbar sind, können das Messergebnis unbrauchbar machen.

An der TU Wien wurde nun eine neuartige Technologie zur Vibrationsdämpfung erfunden, die solche Probleme auf ungewöhnliche Weise löst: Man arbeitet mit Elektropermanentmagneten. Das sind Magnete, die wie gewöhnliche Permanentmagnete ihren Magnetismus ohne Stromzufuhr dauerhaft aufrechterhalten, die aber zusätzlich mit einer Spule versehen sind, sodass man ihre Magnetisierung blitzschnell durch einen Strompuls verändern kann. Damit kann man zum Beispiel Vibrationen von Spiegeln in Großteleskopen aktiv unterdrücken und damit die Leistungsfähigkeit dramatisch steigern.

Schwebende Plattform mit Nanometer-Präzision

Das Vibrationsdämpfungssystem der TU Wien besteht aus einer fest montierten Basis und einer darüber freischwebenden Plattform. Die Plattform wird durch starke magnetische Kräfte im Schwebezustand gehalten, mehrere elektromagnetische Aktuatoren können dann die Position der Plattform in Sekundenbruchteilen hochpräzise feinjustieren – auch dann, wenn auf dieser Plattform eine Last von mehreren Kilogramm montiert wird.

„In sensitiven Anwendungen, wie der Positionierung von Spiegelsegmenten, muss die Position dieser Plattform auf einige 10 Nanometer genau stabil gehalten werden“, sagt Prof. Ernst Csencsics vom Institut für Automatisierungs- und Regelungstechnik der TU Wien. „Das ist nur dann möglich, wenn man selbst winzige Bodenvibrationen ausgleicht, wie sie etwa entstehen, wenn außerhalb des Labors jemand vorübergeht, oder wie sie auch durch ganz normale Gebäudeschwingungen auftreten.“

Man muss also die Position der Plattform extrem genau messen, und jeder kleinsten Bewegung sofort gegensteuern. Damit lassen sich besonders Schwingungen mit niedriger Frequenz, mit denen man bei solchen Anwendungen meist zu kämpfen hat, sehr effizient unterdrücken.

Elektromagnete brauchen ständig Strom

„Für solche aktive Schwingungsdämpfungen verwendet man meistens Elektromagnete“, erklärt Institutsvorstand Prof. Georg Schitter. „Spulen in einem Magnetfeld werden dafür von einem Strom durchflossen, und je nachdem, wie stark dieser Strom ist, können unterschiedlich große Kräfte erzeugt werden. Das funktioniert sehr schnell und präzise.“

Ein wesentlicher Nachteil dieser Technologie ist allerdings, dass ständig mit Strom fließen muss, da sonst die magnetischen Kräfte augenblicklich verschwinden. Ein Permanentmagnet hingegen kann seine magnetischen Eigenschaften ganz ohne Energiezufuhr von außen beliebig lange aufrechterhalten – wenn er zu Beginn einmal durch ein sehr starkes Magnetfeld magnetisiert worden ist.

Auch die ganz alltäglichen Permanentmagnete, wie man sie von Magnettafeln oder Kühlschrankmagneten kennt, entstehen so: Man braucht ein passendes, magnetisierbares Material und setzt es einmal einem starken Magnetfeld aus. Dadurch wird im Material eine magnetische Ordnung erzeugt und es bleibt dauerhaft magnetisch.

Permanentmagnete gezielt ummagnetisieren

Den Forschern gelang es nun, die Vorteile von Elektro- und Permanentmagneten bei der Schwingungsdämpfung zu kombinieren – mit einem sogenannten Elektropermanentmagneten. „Das ist ein Permanentmagnet, der zusätzlich mit einer Spule versehen ist“, sagt Csencsics. Solange die Stärke des Permanentmagneten im richtigen Bereich liegt, benötigt er keinen Strom, die Schwebeplattform wird an Ort und Stelle gehalten. Nur kleine Korrekturmaßnahmen der Aktuatoren sind notwendig, um Schwingungen auszugleichen.

Wenn die Stärke des Permanentmagneten aber nicht mehr angemessen ist, zum Beispiel, weil sich das Gewicht verändert hat, das auf der Schwebeplattform aufliegt, oder weil sie gekippt werden soll, dann wird zu drastischeren Methoden gegriffen: Ein kurzer, starker Stromimpuls wird durch die Spule geschickt, damit erzeugt sie für einen Augenblick ein sehr starkes Magnetfeld und ändert somit auch die Magnetisierung des Permanentmagneten. Durch passende Wahl der Magnet-Pulsstärke kann man somit den Permanentmagneten auf einen neuen Arbeitspunkt einstellen, an dem er dann wieder konstant bleibt, ohne dass Energiezufuhr notwendig wäre.

Prototyp funktioniert, Patent bereits angemeldet

Diese Regelung lässt sich automatisieren: Das System erkennt automatisch, ob es sich noch in der Nähe des gewünschten Arbeitspunkts befindet, oder ob eine Ummagnetisierung notwendig ist. „Die dafür notwendige Regelungstechnik haben wir im Lauf der letzten zwei Jahre entwickelt, sie funktioniert bereits sehr gut“, sagt Ernst Csencsics. Unterstützt vom Forschungs- und Transfersupport der TU Wien wurde die Erfindung auch bereits zum Patent angemeldet.

„Wir haben mit unserem Prototyp gezeigt, dass auf diese Weise eine extrem präzise und stromsparende Vibrationsunterdrückung möglich ist“, sagt Georg Schitter. „Die Technik würde zum Beispiel perfekt zu großen Teleskopen passen, die aus mehreren Spiegelsegmenten bestehen. Das Teleskop muss auf unterschiedliche Bereiche des Himmels ausgerichtet werden können, in jeder Position müssen die Spiegel dann hochpräzise ausgerichtet und stabil gehalten werden. Genau dafür wäre unsere Technik optimal geeignet.“

Grundsätzlich ließe sich die Technik der Elektropermanentmagnet-Vibrationsdämpfung aber natürlich auch auf andere Bereiche anwenden, etwa im Bereich der Präzisionsfertigung von Halbleiterchips und großen Qualitätsoptiken, adaptive Aktuatoren oder der laborgebundenen Präzisionsmesstechnik. „Wo immer man möglichst hohe Präzision benötigt, die von Schwingungen gestört werden könnte, ist unsere Technologie eine interessante Lösung“, sind die Forscher überzeugt.

Quelle: TU Wien

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