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Chemie

Goldene Farbe der „Nachtwache” entschlüsselt

Wie speziell war der gelbrote Farbton in Rembrandts Gemälde?

Rembrandts „Nachtwache” und Nahaufnahme der goldenen Kleidung von Leutnant Willem van Ruytenburch
Rembrandts „Nachtwache” (links), die Kleidung von Leutnant Willem van Ruytenburch (rechts) und die Stelle, an der eine der Farbproben entnommen wurde (SK-C-5_017). © Bilder mit freundlicher Genehmigung des Rijksmuseums

Die Mischung machts: Chemiker haben erstmals herausgefunden, wie Rembrandt die goldene Farbe der Kleidung in seinem berühmten Werk „Die Nachtwache“ erzeugte. Demnach verwendete der Maler zwei gelb bis rot erscheinende Arsensulfid-Pigmente: kristallines Pararealgar und semiamorphes Pararealgar. Diese kombinierte er zudem absichtlich mit zwei weiteren Farben, um den goldenen Glanz zu erzeugen. Doch woher hatte der Meister die Pigmente und wie innovativ war dieses Vorgehen damals?

Der niederländische Maler Rembrandt van Rijn (1606-1669) ist für seine innovativen Techniken bekannt. Er nutzte nicht nur seinerzeit neuartige Grundierungen und Spiegel, sondern recycelte auch Material. Bei der „Nachtwache”, einem seiner bedeutendsten Werke, vermuten Forscher ebenfalls besonders trickreiche Techniken.

Das düstere Barock-Gemälde, das derzeit im Rijksmuseum in Amsterdam öffentlich restauriert und zugleich wissenschaftlich erforscht wird, zeigt eine Gruppe  bewaffneter Mitglieder der Amsterdamer Bügermiliz. Aus der Masse stechen dabei zwei zentrale Figuren im Vordergrund hervor: Hauptmann Frans Banninck Cocq und Leutnant Willem van Ruytenburch, wie der Untertitel des Kunstwerks verrät.

Rätsel um die goldene Kleidung

Die Ärmel und der bestickte Mantel des Leutnants fallen dabei durch einen besonders goldenen Schimmer auf. Ein Röntgenfluoreszenz-Scan des Gemäldes hatte bereits ergeben, dass Teile der Kleidung van Ruytenburchs die Elemente Arsen und Schwefel enthalten. Chemiker vermuten seither, dass Rembrandt die damals gängigen und natürlichen Arsensulfidpigmente Auripigment (As2S3) und Realgar (As4S4) verwendete, die goldgelb beziehungsweise orangerot erscheinen.

Das allein erklärt aber noch nicht, warum die Kleidung in der „Nachtwache“ golden schimmert. Ein Team um Nouchka de Keyser von der Universität Amsterdam hat daher nun genauer erforscht, wie dieser mysteriöse goldene Farbton zustande kommt. Dafür entnahmen sie dem 1642 fertiggestellten Kunstwerk zwei winzige Farbproben und analysierten diese mit verschiedenen modernen Mikroskopen und Spektroskopen.

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Mikroskopaufnahme einer Farbprobe zeigt die verschiedenen Pigmente
Querschnitt der Farbprobe SK-C-5_017 durch ein Lichtmikroskop gesehen. Es zeigt verschiedene Kristalle aus gelben, orangefarbenen und roten Pigmenten, deren genaue Zusammensetzung mit einer Kombination aus Elektronenmikroskopie, Raman-Spektroskopie und Röntgenpulverbeugung ermittelt wurde. © Bild mit freundlicher Genehmigung des Rijksmuseums

Gelb- und Rottöne aus Arsensulfiden

Dabei zeigte sich überraschend, dass Rembrandt weder Auripigment noch Realgar verwendete, sondern zwei andere gelbe beziehungsweise orangerote Arsensulfid-Pigmente: kristallines Pararealgar und semiamorphes Pararealgar (beideAs4S4). Diese Komponenten waren zu Rembrandts Zeit weit weniger üblich und auch für den Meister neu, wie das Team berichtet.

„Die Entdeckung von Pararealgar und semiamorphem Pararealgar ist eine neue Ergänzung zu Rembrandts Pigmentpalette“, schreiben Keyser und ihre Kollegen. „Diese Arsensulfide wurden zuvor nicht im Werk von Rembrandt gefunden.“ Die beiden Substanzen kommen in der Natur nicht vor, sondern entstehen erst bei chemischer Bearbeitung oder Alterung der natürlichen Mineralien.

Absichtliche Farbkombination für Goldglanz

Zwar wurde Pararealgar in historischen Gemälden häufiger gefunden. Dessen Präsenz erklärten sich Wissenschaftler jedoch bisher mit dem Altern von Realgar bei Lichteinfall. In der „Nachtwache“ ist das Pararealgar aber homogen mit dem semi-amorphen Pararealgar verteilt. Zudem sehen die Farbpigmente unverändert aus, wie Keyser und ihre Kollegen berichten. Sie halten es daher für wahrscheinlicher, dass Rembrandt diese Pigmente selbst auftrug und sie nicht nachträglich auf der Leinwand entstanden sind.

Weil es sich dabei um eine eher ungewöhnliche Farbkombination handelt, schließen die Chemiker zudem, dass der Maler die Pigmente absichtlich kombinierte, um die goldenen Details der Kleidung durch einen gold-orangefarbenen Glanz nachzuahmen. Dafür erhitzte er vermutlich das gelbliche Pararealgar, um das rötliche semiamorphes Pararealgar zu erhalten. Anschließend mischte er beide Pigmente mit weiteren Farben, wie die Analysen zeigten: das künstliche Pigment Blei-Zinn-Gelb und das Mineral Zinnober, ein rotes Quecksilbersulfid (HgS).

Nicht so ungewöhnlich wie gedacht

Um herauszufinden, woher Rembrandt die Farben bekam, werteten Keyser und ihre Kollegen anschließend verschiedene historische Dokumente aus, die über die Herstellung, den Handel und die Verwendung von Arsensulfid-Pigmenten in Europa berichten. Demnach stand im Amsterdam des 17. Jahrhunderts eine breitere Palette von Arsenpigmenten zur Verfügung als bisher angenommen.

Die natürlichen und künstlich hergestellten Farben kamen den Texten zufolge wahrscheinlich über Handelsrouten aus Deutschland, Österreich und Venedig in Rembrandts Atelier in Amsterdam. Denn in den Niederlanden kamen diese mineralischen Pigmente nicht vor. „Es ist unwahrscheinlich, dass Rembrandt die Pigmente selbst herstellte. Stattdessen kaufte er sie, ähnlich wie die anderen Pigmente seiner Palette, wahrscheinlich fertig“, schreiben Keyser und ihre Kollegen. Denn die Farben waren weder besonders teuer noch schwer zu bekommen, ihre Herstellung aber aufwendig und gefährlich.

Tatsächlich war Rembrandt nicht der einzige niederländische Maler, der diese Farbkombination verwendete. Auch sein Amsterdamer Zeitgenosse Willem Kalf (1619–1693) nutzte für eine Orange in einem Stillleben eine sehr ähnliche Goldmischung, wie weitere Analysen enthüllten. Dieses Bild entstand rund 15 Jahre nach der „Nachtwache“. (Heritage Science, 2024; doi: 10.1186/s40494-024-01350-x)

Quelle: Universität Amsterdam

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