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Verhaltensforschung

Dieser Frosch laicht kopfüber im Müll

Einzigartiges Paarungsverhalten bei kleiner indischer Froschart entdeckt

Frosch in einer Konservendose
„Minervarya charlesdarwini“-Frösche laichen kopfüber in Konserven und anderem Müll. © G. Gokulakrishnan

Exotische Paarung: Der kleine indische Frosch „Minervarya charlesdarwini“ hat gleich in mehrerer Hinsicht ein ungewöhnliches Fortpflanzungsverhalten, wie Biologen herausgefunden haben. Einerseits paaren sich diese Frösche kopfüber und bringen in dieser Position auch ihren Laich an den Innenwänden von Baumlöchern an. Dieses Verhalten ist bislang einzigartig unter Fröschen. Andererseits greifen die kleinen Amphibien gezwungenermaßen immer häufiger auf Müll wie Konservendosen und Plastikflaschen als Kinderstube zurück. Das verheißt allerdings nichts Gutes für das Fortbestehen der Art, wie das Team berichtet.

Um ihrem Nachwuchs einen sicheren Start ins Leben zu ermöglichen, scheuen manche Froscharten keine Mühen. So baut der riesige Goliath-Frosch seinen Jungen zum Beispiel eigene Teiche. Tanzfrösche platzieren ihren Laich so, dass die Kaulquappen sich nach dem Schlüpfen in feuchte Ufersandbänke wühlen können. Und der auf den indischen Andamanen-Inseln heimische Frosch „Minervarya charlesdarwini“ legt seine Eier an den Innenwänden von wassergefüllten Baumlöchern ab. Doch viel mehr war über das Paarungs- und Laichverhalten dieses weniger als vier Zentimeter großen Amphibiums lange Zeit nicht bekannt.

Froschpaar
Hat sich ein Paar gefunden, klettert das Männchen auf den Rücken des Weibchens. © G. Gokulakrishnan

Aggressive Buhlerei

Um mehr über das Leben der Minervarya-charlesdarwini-Frösche herauszufinden, haben Biologen um Sathyabhama Das Biju von der Universität Delhi ihnen nun in einem dreijährigen Feldprojekt intensiv über die Schulter geschaut – und dabei Faszinierendes herausgefunden. So beobachteten Biju und sein Team zum Beispiel, dass die Männchen komplexe Werberufe aus drei verschiedenen Ruftypen erzeugen, um Weibchen anzulocken.

Hinzu kommt ein aggressiver Ruf, mit dem die Mini-Frösche konkurrierende Männchen abwehren. Wollen diese nicht hören, hagelt es Tritte, Schläge und Bisse. Diese hitzige Konkurrenz um die Gunst der Weibchen hört selbst dann nicht auf, wenn eine Froschdame einem der Duellanten bereits ihr Herz geschenkt hat. Nun versuchen die verbliebenen Singles nämlich, das Liebespaar wieder gewaltsam voneinander zu trennen, etwa indem sie ihren Kopf zwischen die Körper der beiden schieben, wie die Biologen berichten.

Die Frösche paaren sich kopfüber

Während das auf dem Rücken des Weibchens hockende Männchen versucht, die hartnäckigen Konkurrenten mit Tritten auf Distanz zu halten, klettert das Weibchen an der Wand der Baumhöhle hoch. Damit die Eiablage stattfinden kann und nicht mehr gestört wird, dreht es sich um, sodass das Liebespaar nun auf dem Kopf steht und den befruchteten Laich in aller Ruhe an den Innenwänden der Höhle anbringen kann.

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Für die Forschenden war dieses Paarungsverhalten eine große Überraschung: „Das auf dem Kopf stehende Ablaichen ist das bemerkenswerteste Verhalten dieses Frosches. Von keinem anderen Frosch ist bekannt, dass er seine Eier kopfüber in Baumhöhlen ablegt. Diese Entdeckung ist von grundlegender Bedeutung für das Verständnis, wie die Art mit ihrer Umwelt interagiert und welche Lebensräume für ihr Überleben wichtig sind“, sagt Biju.

Die Forschenden haben das Paarungsverhalten der Mini-Frösche drei Jahre lang beobachtet und gefilmt. © frogindiadotorg

Müll statt Baumloch

Doch sich auf diese einzigartige Weise zu paaren, wird für Minervarya charlesdarwini immer schwieriger. Denn selbst auf den abgelegenen Andamanen-Inseln wird ihr natürlicher Lebensraum zunehmend von menschlichen Aktivitäten gestört. Sie finden dadurch immer weniger geeignete Bruthöhlen und müssen deshalb auf Alternativen zurückgreifen. Wie Biju und seine Kollegen beobachteten, laichen die Mini-Frösche mittlerweile zum Beispiel in weggeworfenen, mit Regenwasser gefüllten Plastik- und Glasflaschen sowie in Konservendosen. Auch die bewässerten Plastiksäcke von Jungbäumen in angrenzenden Baumschulen dienen den Amphibien häufig als Brutstätte.

„Dass die Frösche Müll zur Fortpflanzung nutzen, ist sowohl überraschend als auch besorgniserregend“, sagt Koautorin Sonali Garg von der Harvard University. „Wir müssen jetzt die Ursachen und die langfristigen Folgen kennen und Wege finden, um die natürlichen Brutstätten zu schützen, die für das Überleben der Art entscheidend sind.“ Denn schon jetzt sind die „Minervarya charlesdarwini“-Frösche auf der Roten Liste der Weltnaturschutzunion IUCN als gefährdet aufgeführt. (Breviora, 2024; doi: 10.3099/0006-9698-577.1.1)

Quelle: Harvard University

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