Sonnensystem

Wie der Mond seine Exosphäre bekam

Planetenforscher identifizieren den dominierenden Lieferanten für die lunare Gashülle

Mond
Der Mond besitzt eine unsichtbare, extrem dünne Gashülle. Doch woher stammt diese Exosphäre? © NASA/JSC

Lunare Teilchenflüge: Woher kommen die Atome in der dünnen, vakuumähnlichen Gashülle des Mondes? Diese Frage hat nun ein Forschungsteam mithilfe von Apollo-Mondproben geklärt. Ihre Isotopenanalyen des Regoliths enthüllen, dass weniger als ein Drittel der Atome in der lunaren Exosphäre vom Sonnenwind in die Höhe katapultiert wurden. Der große Rest der Gashülle stammt aus den Einschlägen von Mikrometeoriten, wie das Team in „Science Advances“ berichtet.

Nach irdischen Maßstäben besitzt der Mond keine Atmosphäre – über seiner Oberfläche herrscht technisch gesehen ein Ultrahochvakuum. Trotzdem gibt es dort Teilchen in Form einer hauchdünnen Exosphäre aus Edelgasen, Spurenelementen und Wasserstoff. Ihre Dichte entspricht einem Atmosphärendruck von gerade einmal einem Billiardstel des irdischen Luftdrucks. Weil diese dünne Gashülle ständig Teilchen ans Weltall verliert, muss es zudem Prozesse geben, die auch heute noch Gasteilchen für die lunare Exosphäre nachliefern.

Fliegende Regolithteilchen
Als mögliche Lieferanten für die lunare Exosphäre kommen vor allem zwei Prozesse in Betracht: das Ionen-Aufwirbeln durch den Sonnenwind (A) und die Verdampfung durch Mikrometeoriten-Einschläge (B). Die in die Gashülle geschleuderten Teilchen fallen dann zurück oder gehen ins All verloren. © Nie et al./ Science Advances, CC-by 4.0

Daten von Mondsonden zeigen, dass sowohl der Sonnenwind als auch der Magnetschweif der Erde und das ständige Bombardement von Mikrometeoriten den lunaren Regolith elektrisch aufladen, elektrochemisch verändern und den Mondstaub sogar zum Schweben bringen. Doch welcher dieser Prozesse ist für den Nachschub der Exosphäre entscheidend? Analysen der lunaren Gashülle konnte dazu bisher keine klaren Resultate liefern.

Spurensuche in Apollo-Mondproben

Um die Frage zu klären, haben Nicole Nie von der University of Chicago und ihre Kollegen sich nun  die potenzielle Quelle der Exosphären-Teilchen näher angeschaut: den lunaren Regolith. Denn wenn dieser feine Mondstaub Atome an die Gashülle verliert, müssten dabei vorwiegend leichtere Isotope in die Höhe katapultiert werden, wie das Team erklärt. Zwar fallen einige dieser Atome wieder zurück auf die Oberfläche, andere entweichen jedoch ins All. Langfristig verschiebt sich dadurch das Isotopenverhältnis der Elemente im Regolith.

Das Entscheidende jedoch: Welche Isotope in welchem Maße verändert sind, hängt von dem auf den Regolith einwirkenden Prozess ab – Mikrometeoriten-Einschläge erzeugen ein anderes Verhältnis als der Einfluss des Sonnenwinds. Dies gilt besonders für die Isotope der Alkalimetalle Kalium und Rubidium, wie Nie und ihre Kollegen erklären. Sie haben deshalb neun Regolithproben auf diese Isotopenwerte hin untersucht, die Apollo-Astronauten in verschiedenen Mondregionen gesammelt hatten, sowie eine lunare Basaltgesteinsprobe als Vergleich.

Verschobenes Isotopenverhältnis

Tatsächlich zeigten sich deutliche Unterschiede: „Der Mondstaub ist mit schweren Isotopen angereichert, deren Anteile reichen von +1,2 bis 12 Promille für Kalium und 00,02 bis +2,2 für Rubidium“, berichtet das Team. Das massive Basalt hingegen wies das normale Isotopenverhältnis auf, da er nicht durch die äußeren Einflüsse verändert wurde. Um herauszufinden, welcher der beiden Prozesse – Sonnenwind oder Mikrometeoriten – die passenden Isotopenverhältnisse erzeugt, rekonstruierten die Forschenden die Effekte in einem Computermodell.

Isotopenverhältnisse
Die gemessenen Isotopenwerte liegen eher in dem für Mikrometeoriten-Verdampfung erwarteten Bereich, wie die Modellierung ergab. © Nie et al./ Science Advances, CC-by 4.0

„Am Computer können wir die Beiträge einzelner Prozesse problemlos variieren. Wir können berechnen, in welchem Verhältnis Kalium- und Rubidiumisotope vorliegen müssten, wenn beispielsweise die Wechselwirkung mit Sonnenwindteilchen überwiegt oder wenn die Mikrometeoriten den größten Einfluss haben“, erklärt Koautor Timo Hopp vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung in Göttingen.

Mikrometeoriten vor Sonnenwind

Das Ergebnis: „Unsere Studie liefert eine klare Antwort: Die Verdampfung durch Meteoriteneinschläge ist der dominierende Prozess, der die Mondatmosphäre erzeugt“, berichtet Nie. „Wir können nun die Rolle beider Prozesse quantifizieren und sagen, dass Einschläge von Mikrometeoriten mindestens 70 Prozent zur lunaren Exosphäre beitragen, der Sonnenwind dagegen nur rund 30 Prozent.“ Erkennbar war dies daran, dass das Isotopenverhältnis bei Kalium und Rubidium deutlich näher an den für Meteoriten-Verdampfung typischen Werten lag.

„Der Mond ist fast 4,5 Milliarden Jahre alt und während dieser Zeit wurde die Oberfläche ständig von Meteoriten bombardiert. Wir zeigen, dass eine dünne Atmosphäre schließlich einen stabilen Zustand erreicht, weil sie durch kleine Einschläge überall auf dem Mond ständig aufgefüllt wird“, sagt Nie. Die Ergebnisse klären jedoch nicht nur die Herkunft der lunaren Exosphäre, sie könnten auch dabei helfen, die Entstehung solcher ultradünnen Gashüllen um andere Planeten wie den Merkur zu klären. (Science Advances, 2024; doi: 10.1126/sciadv.adm7074)

Quelle: Massachusetts Institute of Technology, Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung

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