Vor etwa 13.000 Jahren kühlte sich die gesamte Nordhalbkugel abrupt um einige Grad Celsius ab. Diese sogenannte Jüngere-Dryas-Kaltphase dauerte etwa tausend Jahre und warf ganz Europa fast in die Eiszeit zurück. Auch die prähistorische Clovis-Kultur in Nordamerika war möglicherweise davon betroffen. Die Ursache für diesen Kälteeinbruch ist jedoch unklar.
Einschlag oder Vulkanausbruch?
Einige Wissenschaftler vermuten, dass damals ein größerer Meteorit oder Komet einschlug und den Klimawechsel auslöste. Als mögliche Indizien dafür gelten mögliche Spuren von großflächigen Bränden im jüngeren Dryas sowie Ablagerungen von winzigen Kügelchen aus geschmolzenem Gestein, Nanodiamanten und weiteren potenziellen Impaktrelikten aus dieser Zeit. Einigen Geologen zufolge könnte eine Häufung solcher Funde im Nordosten Nordamerikas auf einen Einschlag im Gebiet des kanadischen Quebec hindeuten. Ein Krater wurde dort allerdings nicht gefunden. Ob es einen solchen Einschlag im jüngeren Dryas gab, ist daher bis heute stark umstritten.
Aufgrund des zuvor etablierten Datums des Laacher-See-Ausbruchs – datiert auf 12.880 Jahre vor heute – vermutete man lange, dass der Laacher Vulkan für einen starken vulkanischen Schwefelanstieg in den grönländischen Eisbohrkernen kurz vor der Jüngeren Dryas verantwortlich sein könnte. Die zeitliche Nähe legte zudem nahe, dass der Ausbruch ursächlich für die enorme Abkühlung war. Allerdings wusste man aus der Untersuchung von Seesedimenten, dass es nach dem Ausbruch des Laacher Vulkans noch etwa 150 Jahre dauerte, bis es in Mitteleuropa zur Abkühlung kam.
Was der Tropfstein verriet
Diesen jahrhundertelangen klimatischen Versatz zwischen Mitteleuropa und Grönland konnte man bislang nicht schlüssig erklären. Könnten die neuen Daten auch dazu dienen, dieser jahrzehntelang offenen Frage auf den Grund zu gehen? Die Untersuchung des Tropfsteins aus dem Herbstlabyrinth erlaubte es dem Team, nicht nur den Ausbruch selbst, sondern auch die lokalen und regionalen klimatischen Folgen zu rekonstruieren.
„Mit der Ionensonde konnten wir zusätzlich zur Schwefelanalyse ein jahrgenau aufgelöstes Sauerstoffprofil am Tropfstein HLK2 erstellen und den Laacher Vulkanausbruch genau in die europäische Klimageschichte einordnen“, berichtet Sophie Warken von der Universität Heidelberg. Denn die Sauerstoff-Isotopie in Tropfsteinen – also das Verhältnis von schweren zu leichteren Sauerstoffatomen – hängt vom Niederschlag und der Temperatur über der Höhle ab.
Das Isotopenverhältnis kann daher Auskunft geben über die damals herrschenden großräumigen klimatischen Verhältnisse in Europa. „Unsere Rekonstruktion zeigt, dass es mehrere Jahrzehnte dauerte, bis sich die Umwelt und die Vegetation in Mitteleuropa von den Folgen der Eruption erholt hatten“, so Warken. „Unsere Daten bestätigen aber auch, dass der Laacher Vulkan über ein Jahrhundert vor dem Kälteeinbruch der Jüngeren Dryas ausbrach: Er kann die enorme Abkühlung nicht verursacht haben.“
Die europäische Klimageschichte neu gesehen
Derzeit beschäftigt das Heidelberger Forschungsteam die Frage, ob ihre Ergebnisse auch dazu beitragen können, den Laacher Vulkan in den grönländischen Eisbohrkernchronologien zu identifizieren. Denn im fraglichen Zeitfenster gab es einige Eruptionen, die bislang keinem Vulkan zuzuordnen waren. Wenn es ihnen gelänge, eine dieser unbekannten Signaturen eindeutig dem Laacher Vulkan zuzuschreiben, wäre dies ein weiterer wichtiger Durchbruch für die Datierung von Klima- und Umweltarchiven. Denn bislang ist kein absolut datierter Zeitmarker vor dem Einbruch in die Jüngere Dryas bekannt.
Schon jetzt trägt ihre Studie dazu bei, verbliebene Unsicherheiten über die europäische Klimageschichte der ausgehenden Eiszeit zu lösen und die Diskussion über die klimatischen Folgen der Laacher Eruption zu beenden. „Wir konnten darüber hinaus zeigen, wie wertvoll Tropfsteine als Indikatoren für Vulkanausbrüche sind“, sagt Warken. Auch in Zukunft können diese Gesteinsformationen enorm wichtige Archive sein, um weitere unbekannte oder unsichere Eruptionen zu datieren und zu identifizieren.